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Es ist endlich soweit

Gute Neuigkeiten von der 51,13€-Klagefront. Wir haben endlich einen Gerichtstermin bekommen. Am 28.04.2004 wird es soweit sein und das Verwaltungsgericht Potsdam wird sich mit unserem Anliegen beschäftigen. Seit 2000 steht im Brandenburgischen Hochschulgesetz, dass 51,13€ bei der Immatrikulation gezahlt werden müssen Damals hat es einen riesigen Aufschrei unter den Studierenden gegeben, da man diese Summe als verkappte Studiengebühren ausgemacht hatte. Der AStA unterstützt die Studierenden, die gegen die 51,13€ vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage eingereicht haben und hatte die Klage damals sogar organisiert.

Eine weitere Neuigkeit kommt aus Berlin und Leipzig. Wie schon berichtet hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) im Dezember 2003 ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin kassiert, in dem die erhobenen Verwaltungsgebühren in Höhe von 51,13€ in Berlin als gerechtfertigt angesehen wurden. Nun ist uns die Urteilsbegründung zu gegangen und daraus lässt sich einiges sehr Interessantes lesen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Chancen unserer Klage gegen die Brandenburgischen Verwaltungsgebühren gestiegen sind. Das Gericht kommt nämlich wie im März 2003 das Bundesverfassungsgericht zu der Auffassung, dass Gebühren hinreichend begründet und aufschlüsselbar sein müssen. Den 51,13€ stehen aber gerade einmal 10,26€ Verwaltungsaufwand entgegen. Da die Gesetzestexte zu de Gebühren in Berlin und Brandenburg sehr ähnlich sind, kann man aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes die Argumente herausnehmen und auf unsere Situation beziehen. Das BVerwG brachte folgende Argumentation:

Der Unterschied in den Gesetzestexten – was sich durch „bei“ und „für“ ändert.

Das Schreckgespenst des Wörtchens „bei“, welches in unserem Gesetzestext steht wird schon vom Oberverwaltungsgericht negiert. In dem Text des Gesetzes aus Baden-Württemberg stand genau drin, dass die Gebühren „für“ die Rückmeldung und Immatrikulation erhoben werden. Damit wurde schon ein Zusammenhang direkt im Gesetz hergestellt (in Brandenburg heißt es „bei der Rückmeldung“). Nun macht es aber für das Gericht keinen Unterschied ob es „bei der Rückmeldung“ oder „für die Rückmeldung“ heißt. Das Wort „bei“ würde nur den Zeitpunkt des Gebühreneinzuges präzisieren. Somit wird das Schreckgespenst aus dem Weg geräumt. Mit dieser Begründung hatte nämlich die Landesregierung versucht, die Klage abzuweisen.

Die Gebühren eine Steuer?

Die Verwaltungsgebühren seien nicht als Steuer anzusehen, da durch die Gebühren eine Gegenleistung bezahlt werden soll. Diese Gegenleistung ist die Rückmeldung und Immatrikulation durch die Verwaltung der Hochschule. Die Gebühren seien ausschließlich für die rein formalverwaltungstechnische Begründung und Fortschreibung der Hochschulmitgliedschaft zu zahlen und stellen kein Entgelt für die Teilnahme am fachlich-materiellen Ausbildungsangebot durch den Besuch von Lehrveranstaltungen dar. Die erhobene Gebühr werde also nicht zur vom Gesetz verbotenen Studiengebühr. Ausbildungsleistungen der Hochschule würden nicht entgolten.

Verstoßen die Verwaltungsgebühren gegen das Sozialstaatsprinzip?

Die Kläger wollten geltend machen, dass durch die Gebühren gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen würde. Dies lehnte das OVG Berlin aber ab und hatte ausgeführt, dass durch die Gebühren keine Abschreckungswirkung ausgehe. Durch die Begründung und Fortschreibung der Hochschulzugehörigkeit würden dem Studierenden öffentliche Sonderleistungen zukommen. Diese seien die individuelle Teilhabe am akademischen Berufsausbildungsangebot von Wissenschaft und Lehre und Vergünstigungen im Bereich des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel beim Theater, in der Mensa, in Bibliotheken u.a. Bei einer Gebührenhöhe von weniger als 17,00 DM monatlich könne auch unter Berücksichtigung wirtschaftlich beengter Studentenverhältnisse eine abschreckende Wirkung nicht angenommen werden.

Ist die Höhe der Verwaltungsgebühren gerechtfertigt?

Das BVerwG führt nun in seinem Urteil aus, dass Gebühren immer darauf angelegt sind, für eine bestimmte Leistung die Kosten zu decken. Außerdem ist die Erhebung von Gebühren nur unter bestimmten Vorraussetzungen zulässig: Nach der Finanzverfassung bedürfen nichtsteuerliche Abgaben einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden. Aus diese Grunde darf eine Gebühr nicht in beliebiger und unbegründeter Höhe erhoben werden. Dies würde gegen die im Grundgesetz festgeschriebene Finanzverfassung sein. Daraus folgt, dass die Gebührenhöhe auch ermittelbar sein muss – jedenfalls annähernd. Die Bemessung der Gebühr ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn ihre Höhe durch Gebührenzwecke, die das Parlament bei der Ausgestaltung erkennbar verfolgt, legitimiert ist. Steht die Gebührenhöhe in einem groben Missverhältnis, ist sie verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Gebührenpflichtige muss erkennen können, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung verfolgt. Dies sei erforderlich, damit der Gebührenschuldner nicht mit zwei unterschiedlichen Gebühren die selbe Leistung bezahlt und so doppelt zur Kasse gebeten wird. Wichtig ist auch, dass der Gesetzgeber nicht im Nachhinein behaupten kann er habe noch andere Gebührentatbestände gemeint. Der Gesetzestext ist somit bindend und kaum auslegungswert. Folglich stellt die Gebühr kein Entgelt für die Gesamtheit der studentenbezogenen Leistungen der Hochschulverwaltung in jedem Semester dar. Eine solche weite Interpretation, mit der gemeint wird, dass alle Verwaltungskosten der Universitätsverwaltung gedeckt würden, lässt sich nicht mit geltendem Recht nicht in Einklang bringen. Die Gebühr ist ausschließlich eine „Bearbeitungs-, mithin Verwaltungsgebühr“, die von den Studierenden für die zur Begründung und Fortführung ihrer Hochschulzugehörigkeit erforderlichen Bearbeitungsschritte der Hochschulverwaltung zu zahlen sind. Die Kosten dafür betragen jedoch lediglich 10,26€ und die 51,13€ sind damit deutlich zu hoch angesetzt.

Verstoßen Studiengebühren gegen bestehendes Recht?

Eine weitere sehr spannende Sache ist, dass das BVerwG Ausführungen zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1976 macht. Im genannten Pakt findet sich u.a. folgender Passus (Artikel 13):

(2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts

(…)

c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;

und Artikel 4: „Die Vertragsstaaten erkennen an, dass ein Staat die Ausübung der von ihm gemäß diesem Pakt gewährleisteten Rechte nur solchen Einschränkungen unterwerfen darf, die gesetzlich vorgesehen und mit der Natur dieser Rechte vereinbar sind und deren ausschließlicher Zweck es ist, das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern.“

Zwar kann er nach Ansicht des Gerichtes nicht auf die Gebührenerhebung angewendet werden, dennoch führt es aus in welchem Rahmen der Pakt auch für jeden einzelnen Studierenden anwendbar sein könnte. Anwendbar sei er, wenn Studiengebühren oder Gebühren für den Hochschulunterricht erhoben worden wären. Somit gibt das Gericht den Studierenden ein Mittel gegen Studiengebühren in die Hand. Auch wenn man bei dieser Betrachtung noch etwas vorsichtig sein muss. Bisher wurde bestritten, dass dieser Vertrag von jedem beansprucht werden kann, sondern dass der Vertrag nur für Staaten untereinander gelte würde. Das verneint das BVerwG und zitiert ein Urteil aus dem Jahr 1991. Dort steht, dass jede (natürliche) Person aus diesem Vertrag Rechte ableiten kann.

Aus dem beschriebenen folgt, dass jeder Studierende Verstöße gegen den Pakt einklagen kann. In dem Pakt wird eindeutig beschrieben, dass sich die Unterzeichner (also auch Deutschland) verpflichten ein unentgeltliches Studium einzuführen und anzustreben. Dies ist bereits 1970 geschehen und dürfte laut dem Pakt nicht mehr geändert werden.

Wenn das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes kippen sollte, in dem ein Verbot von Studiengebühren festgeschrieben steht, dann könnten die Bundesländer nicht sofort Studiengebühren einführen. Sollten sie es doch tun, würde sich eine Klage lohnen!

Martin Bär  [5. April 2004]

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