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» aktuelles/Prozessqualität in Lehre und Studium



Der Begriff “Qualitätssicherung” hat bereits eine lange Reise hinter sich. Aus den fordistischen KfZ- Fabrikationshallen schleicht er sich in das deutsche Bildungswesen ein und besetzt mittlerweile breite Landstriche. Vorausgesetzt Bildung wäre ein Produkt, die Studierenden wären KundInnen, die Hochschule eine Fabrikationshalle, was wäre naheliegender, als die Qualität der Lehre zu sichern? (Was ist eigentlich eine Akkreditierung?)

Folgen wir anlässlich der Abschlusskonferenz des Pilotprojektes der HRK„Prozessqualität für Lehre und Studium – Konzeption und Implementierung eines Verfahrens der Prozessakkreditierung” der vorgeschlagenen Metapher “Fabrikationshalle Hochschule” und begleiten sie auf einigen ihrer Irrwege.

Was ist Prozessqualität?

Hier ergibt sich schon die erste Möglichkeit einer Irrfahrt. Es wird interessanterweise davon ausgegangen, dass jede Hochschule ihren eigenen Qualitätsbegriff entwickelt, fördert und mit Hilfe institutioneller Strukturen sichert.

Bei der Prozessqualität handelt es sich, wie die Bezeichnung bereits verrät, um die Qualität von Prozessen der Hochschule. Alle Studienangebote werden also einer zentralen “Evaluierung” ihrer formalen Güte unterzogen. Gleichzeitig wird auch diese Evaluierung evaluiert.

Wofür soll das gut sein?

Über den Sinn einer Qualitätssicherung in mehreren gestuften Schleifen lässt sich sicher diskutieren. Natürlich hat es Vorteile, wenn Prozesse an den Hochschulen überprüft werden, wenn sich in den Kommissionen, Prüfungsausschüssen oder in der Verwaltung Gedanken über Verbesserung von Lehre und Studium gemacht werden und wenn all diese Überlegungen dann gesammelt und gebündelt, der Institution Hochschule vorliegen.

Gleichzeitig müssen wir uns kritisch fragen, ob das aufwendige Monitoring der Produktherstellungsprozesse und auch der ProduktherstellungsakteurInnen ( meint: die Dozierenden), nicht Ressourcen verschlingt, die an anderen Stellen fehlen. Eine andere Frage stellt sich in bezug auf die Sinnhaftigkeit der Unternehmung Programme und Prozesse zu begutachten: Wenn die Studienprogramme einer Hochschule den Mindestanforderungen entsprechen (was die Aussage einer positiven (Programm-) Akkreditierung durch eine Akkreditierungsagentur ist), bedeutet das dann nicht auch, dass die Prozesse, die zu solchen Studienprogrammen geführt haben, gut sind?

Und selbst, wenn es das nicht unbedingt bedeutet, geht es nicht eigentlich darum, die Qualität der Lehre zu sichern und nicht ein selbstreferentielles Sicherungssystem an der Universität zu installieren?

Welche Probleme können sich ergeben?

Das wesentliche Problem ist die Ungenauigkeit der Aussage “Qualität”.

Wenn jede Hochschule sich selbst ihren Qualitätsbegriff herstellt, dann gerät die internationale Vergleichbarkeit – ein besonders wichtiges Ziel der europäischen Studienreform – ins Hintertreffen. Gleichzeitig wurde das Verfahren eigentlich entwickelt, um die kostenintensiven Studienprogrammakkreditierungen (hier wird von externen GutachterInnen beurteilt, ob ein Studiengang den festgelegten Mindestanforderungen entspricht) zu ersetzen. Mittlerweile wird jedoch von Ergänzung gesprochen, so dass damit zu rechnen ist, dass die Hochschule zusätzlich zur (Studien-)Programmakkreditierung auch die Kosten der Prozessqualitätssicherung und -akkreditierung zu tragen hat.

Die Folge könnte sein, dass nur einige Hochschulen an der “Qualitätssicherung” teilnehmen können. Die anderen Hochschulen können dann eine solche “Qualitätssicherung” formal nicht nachweisen und geraten auf diesem Wege auf der Jagd nach Exzellenzboni ein weiteres Mal ins Hintertreffen.

Exkurs: Demokratische Begriffe – oder Warum Qualität nicht “gefunden” werden kann

Wie bereits erkannt worden ist, kann Qualität nicht gefunden werden. Sie steht nicht im Supermarktregal neben der Butter und der Milch. Also muss Qualität erfunden oder besser mit einer bestimmten Bedeutung von Qualität besetzt werden. Diese Bedeutung muss allen TeilnehmerInnen der “Gemeinschaft”, die diesen Begriff benutzt, einigermaßen klar sein. Denn aus der Setzung dieser Bedeutung leiten sich viele verschiedene andere Prozesse wiederum ab. Wenn mein Qualitätsbegriff beinhaltet, dass Lehre nur gut ist, wenn Frauen nicht an der Lehre beteiligt werden, so bedeutet das weit reichende Konsequenzen innerhalb der Institution Hochschule. Wie nun deutlich wird, ist es wichtig, wie der Begriff zustande kommt – wer also mitmachen darf beim Besetzen des Begriffs.

Der Aspekt, jede Hochschule erfindet sich ihren eigenen Begriff, suggeriert einerseits Autonomie, verdeckt aber im gleichen Moment, dass am Begriffsfindungsprozess wohl eher wenig Studierende und Dozierende beteiligt sind. Hochschulleitung und -Verwaltung werden strategisch bestimmte Richtlinien für Qualität folgen und/oder errichten. Zwar ist die Hochschulleitung gewählt, von einer demokratischen Wahl kann allerdings nicht gesprochen werden. Gerade einmal 2 Stimmen haben die Studierenden im Senat der Universität Potsdam. Darüberhinaus obliegt es dem Ministerium für Bildung und Forschung, die KandidatInnenliste zu erstellen.

Natürlich ist die Ministerin demokratisch gewählt – den Begriff Demokratie möchte ich hier nicht diskutieren – jedoch kommt mit dieser Argumentation die Autonomie der Hochschule wieder zu kurz.

Abschließend bleibt also das Zwischenfazit: KfZ-Fabrikhallenmetaphern sind zwar anschaulich, aber leider werden sie der Komplexität der Prozesse und Strukturen der „Lebenswelt“ nicht immer gerecht.

Materialien der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zur Tagung

Sahra Dornick  [2. November 2006]

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