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Vereinzelter Protest oder neue soziale Bewegung? Drei Dokumentarfilme von Martin Keßler

Sommer 2004, Magdeburg, Leipzig, Berlin.. Anfangs sind es einige hundert DemonstrantInnen, die jeden Montag gegen Hartz IV und die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung in den größten Städten Ostdeutschlands auf die Straße gehen. Innerhalb weniger Wochen sind es zehntausende, dann schließlich hunderttausende, die in hunderten Städten demonstrieren.

Der Dokumentarfilmer Martin Keßler fängt im Spätsommer 2004 diese Bilder ein, führt Interviews und besucht bestreikte Werke. Er zeigt aber auch die Spontaneität der Anti-Agenda-Bewegung und ihre innere Zerstrittenheit. Es sind zunächst recht „einfache“, von Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägte Menschen, die ihre Wut auf dem Montagsdemos zum Ausdruck bringen. Viele waren bereits im Herbst 1989 jeden Montag auf die Straße gegangen. Die Symbolkraft der „Montagsdemonstrationen“ sollen die Pläne der Bundesregierung stoppen, hoffen viele DemonstrantInnen. Der Film zeigt schließlich den Niedergang der neuen Montagsdemos. Zeigt die Enttäuschung in den Gesichtern ihrer OrganisatorInnen.

„Neue Wut“ sollte nur der erste aus einer Reihe von drei Dokumentarfilmen über die neuen sozialen Bewegungen sein.

Ganz anders „Kick it like Frankreich“. Nachdem im Februar 2006 das Studiengebührenverbot vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden war, bereiten die CDU-geführten Länder eine schnelle Einführung von allgemeinen Studiengebühren ein. Es regt sich Protest, der am heftigsten und längsten in Hessen geführt wird. Zehntausende Studierende beteiligen sich im Sommer 2006 an Demonstrationen und Aktionen. Es kommt zu Besetzungen von Rektoraten, dem Wissenschaftsministerium und sogar Autobahnen. Mitten zur Fußball-WM legen tausende Studierende Frankfurt/Main und Wiesbaden lahm. Stark ist die Hoffnung, die Gebührenpläne des CDU-Ministers Cortis doch noch stoppen zu können, angesichts der Jugendproteste in Frankreich, wo wenige Monate zuvor Jugendliche zusammen mit den Gewerkschaften die Einführung schlechterer Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen stoppten. Keßler zeigt in seinem zweiten „Neue Wut“-Film gekonnt Bilder, die ein wenig an die Studierendenproteste 1968 erinnern. Als die Proteste an Mobilisierungskraft verlieren, resignieren die Studierenden nicht, sondern bereiten Studiengebührenboykotte und Klagen vor.

Sein letzter Film – Neue Wut III – spielt in Heilligendamm. In eben jenem kleinen Örtchen mit Strandabschnitt, in dem sich im Juni 2007 die Staatschefs der G8 trafen. Menschen aus den verschiedensten sozialen Bewegungen und allen Teilen der Welt kamen zu Protesten gegen das Treffen der acht mächtigsten Staatschefs. In ihrem Höhepunkt blockierten tausende GlobalisierungskritikerInnen die Zufahrtswege nach Heiligendamm. Menschen aus ganz unterschiedlichen politische Zusammenhängen und mit den buntesten Biographien treffen sich an der Ostseeküste. Keßler dokumentiert beeindruckende Bilder und führt zahllose Interviews – dabei trifft er altbekannte Gesichter aus „Neue Wut“ I und II.

Alle drei Filme geben spannende Einblicke in die neuen sozialen Bewegungen, Erfolge & Misserfolge, ProtagonistInnen, Widersprüche und ihre Ziele. Der AStA wird im Sommersemester im Rahmen der asta[montagskultur] alle drei Filme zeigen.

Infos: www.asta.uni-potsdam.de/offeneuni

Norbert Müller

Norbert Müller  [14. Mai 2008]

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