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» themen/politisches mandat/Revanchismus an der Universität? Ein offener Brief



Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Erstaunen und großer Verärgerung nahm ich vor wenigen Tagen zur Kenntnis, dass die Universität Potsdam auf der Internetpräsenz des Historischen Instituts eine Vortragsreihe mit der Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, Vorsitzende des „Bundes der Vertriebenen“, zur Siedlungsgeschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa bewirbt.

Ich gehe davon aus, dass eine offizielle Gliederung der Hochschule Veranstalterin dieses unsäglichen Vortragswerks von Frau Steinbach ist, welches in der bewussten Hofierung revanchistischer Thesen zumindest auf der letzten Veranstaltung „Umsiedlungen und Vertreibungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg“ gipfeln wird.

Frau Steinbach ist bewusst als Präsidentin des „Bundes der Vertriebenen“ geladen worden, das suggeriert zumindest die Homepage des Historischen Instituts. Das dürfte wohl die einzige Qualifikation sein, welche Frau Steinbach für vier Vorträge im akademischen Rahmen mitbringt. Dass der „Bund der Vertriebenen“ ebenso umstritten ist, wie Frau Steinbach selbst, muss ich Ihnen gewiss nicht lang und breit erklären. Ich unterstelle, dass Frau Steinbach im vollen Bewusststein ihres Hintergrundes eingeladen wurde.

Dass der Bund der Vertriebenen zumindest bis 1994 offen die Anerkennung der deutschen Ostgrenzen verweigerte, ist genauso ein Fakt wie Frau Steinbachs Stimmverhalten bei der Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze im Jahr 1990 oder der Abstimmung über die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung im Jahr 1997 im Deutschen Bundestag. Beide Abstimmungen quittierte Steinbach mit einem „Nein“. Der „Bund der Vertriebenen“ hat darüber hinaus nichts unversucht gelassen, den EU-Beitritt Polens und Tschechiens zu verhindern.

Ich habe in den letzten Tagen insbesondere mit polnischen KommilitonInnen über dieses Thema sprechen dürfen. Allesamt sind erschüttert über die Veranstaltungsreihe mit Frau Steinbach. Für mich als Studenten der Universität Potsdam ist es peinlich, dass sich eine Organisation von Holocaust-Überlebenden, der Verein der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) öffentlich zu dieser Vortragsreihe äußert. Der VVN-BdA fordert in einer Presseerklärung ebenso wie die Studierendenvertretung die Absage der Reihe.

Ich weiß weiterhin nicht, wie Sie auf die Idee kommen, die Vorsitzende des „Bundes der Vertriebenen“ derart aufzuwerten, als dass sie hier vor einem akademischen Publikum auftreten soll. Zumindest in dem geplanten Umfang ist dies laut meinen Recherchen ein Novum. Gerade die umfangreiche Beteiligung des Historischen Institutes lässt mich aufschrecken: Die ideologische Grundlage des „Bundes der Vertriebenen“ ist die „Charta der Heimatvertriebenen“ von 1950, in der es unter Anderem heißt: „Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat.“ Es ist von einem „unendlichen Leid“, welches angeblich „das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat“. Für mich ist das die Geschichtsverfälschung in Reinform. Das hier postulierte „unendliche Leid“ wurde in einem Vernichtungskrieg der Wehrmacht mehrheitlich denen beigefügt, deren Rechtsposition der „Bund der Vertriebenen“ weiterhin zu schmälern sucht.

Ebenso kritisiere ich die Haltung des „Bundes der Vertriebenen“ zum Begriff „Heimat“. Frau Steinbachs Organisation kämpft für ein „Recht auf Heimat“ und vererbt den Geisteszustand der Vertriebenen sogar über Generationen – die passende Blut-und-Boden-Rhetorik hierzu findet sich ebenso in der Charta: „Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten.“ „Heimat“ ist hier also nicht der zufällige Geburtsort eines jeden Menschen sondern ein von Gott auferlegtes Schicksal, welches mit allen Mitteln zu verteidigen ist. Dieser völkische Begriff von „Heimat“ ist einer, welchen ich der extremen Rechten zuordne.

Wer die „Vertreibung“ der Deutschen aus den ehemaligen „Ostgebieten“ versucht als „Unrecht“ zu vermarkten, akzeptiert auch den Zustand von 1939 bis 1945 als „Recht“. Dieser bewussten Verklärung von TäterInnen und Opfern des Nationalsozialismus durch den indifferenten Status als „Vertriebene/r“, den der „Bund der Vertriebenen“ propagiert, darf kein Podium geboten werden! Neben der Absage Ihrer aktiven Teilnahme an den geplanten Veranstaltungen mit Frau Steinbach bitte ich Sie, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wer hat diese Veranstaltungsreihe maßgeblich organisiert?
  2. Ist diese Veranstaltungsreihe Bestandteil einer Lehrveranstaltung der Hochschule?
  3. Entstehen für die Universität Potsdam oder einer Ihrer Gliederungen spezifische Kosten für diese Veranstaltungsreihe?
  4. Ist diese Veranstaltungsreihe eine Reihe des Historischen Institutes oder gar eine der Universität Potsdam?
  5. Worin sehen Sie Ihren persönlichen Beitrag zur Debatte?

Hochachtungsvoll

Tamás Blénessy

Referent für Öffentlichkeitsarbeit

Tamás Blénessy  [24. Mai 2008]

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