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Text aus dem Reader zur Ausstellung

„Sexismus in der Werbung & Anti Lookism“,

die von Dezember 2006 bis Februar 2007 im

KUZE gezeigt wurde. Dies war ein Projekt des GePo-Referats und der Ag Sexismus in der Werbung

ins Netz gestellt vom Ak GePo

Das Beispiel Hörzu

de.indymedia.org

Hier ist mal ein Beispiel aus diesem Jahr, wo eine Beschwerde über die Werbekampagne der Zeitschrift ”HörZu “ mit dem Slogan

”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas.“ an den deutschen Werberat ging.

Ein Schreiben an den

Werberat dazu:

An: werberat@werberat.de

Guten Tag,

ich bitte Sie, den Verantwortlichen der HÖRZU wegen der beigefügten rassistischen und sexistischen Werbung eine Rüge zu erteilen!

Sie vermittelt ganz offen eine extrem frauenverachtende Geisteshaltung (Mann nimmt sich Frau), die zudem noch Assoziationen an

den Sklavenhandel (Weißer Mann kauft sich schwarze Frau) nahe legt. So etwas darf nicht ungestraft kommuniziert werden!

Besten Dank für Ihren Einsatz im Sinne einer partnerschaftlichen Werbewelt, die übrigens ganz im Eigeninteresse des Verlags,

auch denkende Männer und Frauen mit guten Argumenten von einem Produkt zu überzeugen versucht!

Ein paar Reaktionen auf ein anderes Schreiben an Hörzu

und Werberat:

Antwort Hörzu Sehr geehrte/r …,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 23. Mai 2006 und Ihre kritischen Worte zur Werbekampagne von HÖRZU. Keinesfalls wollten wir mit dem beanstandeten Motiv

Ihre und die Gefühle anderer verletzen. Bitte gestatten Sie uns deshalb einige Erläuterungen.

Die Leitidee der Kampagne: Irgendwann ist man reif, klug und qualätsbewußt genug, um sich für das Beste zu entscheiden, nämlich für HÖRZU. Oder kurz gesagt:

”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas. “

Umgesetzt wird dieser Anspruch allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einem kräftigen Augenzwinkern. Denn HÖRZU steht zwar für Qualität,

Kompetenz und Erfahrung, ist aber geradedeswegen souverän genug, um ihre Position mit einer Portion Humor und Selbstironie zu vertreten.

So zeigen wir mögliche Situationen des Lebens, in denen eine Entscheidung für das Bessere fällt. Mal ernst, mal emotional, mal zum Lachen –

HÖRZU ist eben genau so vielseitig wie das Lebender Leser.

Mit freundlichen Grüßen … Redaktion HÖRZU

Antwort Hörzu Betreff: AW: Ihre rassistische Werbung

Sehr geehrte …,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 26. Mai 2006. Wir

bedauern, daß Ihnen unsere Werbekampagne nicht gefällt und sie offenbar Werten, die Ihnen wichtig sind, nicht entspricht.

Wir sehen es als durchaus positiv an, daß Sie sich kritisch mit unserer Werbung auseinandersetzen. Denn wir wollen Ihnen

mit HÖRZU mehr bieten als ein kompetent aufbereitetes und von erfahrenen Redakteuren recherchiertes Fernseh- und

Hörfunkprogramm. Als modernes Medium und Europas größte wöchentliche Zeitschrift sehen wir es auch als unsere Aufgabe an,

wichtige Themen der Diskussion zu stellen und zum Denken anzuregen. Und daß es dabei kontroverse Meinungen gibt, ist nicht nur

natürlich, sondern auch wichtig für lebendigen, engagierten Journalismus.

Diese Offenheit, die Bereitschaft zur Diskussion und zum Dialog mit Ihnen, unseren Lesern, ist auch die Botschaft unserer

Werbekampagne. Daß wir damit auch Tabus berühren, war uns sehr bewußt. Aber nicht um Menschen persönlich zu verletzen oder

zu diskriminieren, sondern um den Anspruch von HÖRZU auf eine ganz bestimmte Weise zu vermitteln: ohne erhobenen Zeigefinger,

ohne Besserwisserei, aber mit einer Portion Augenzwinkern. Das Ergebnis ist natürlich Geschmackssache.

In mehreren Motiven waren ungewöhnliche Paare zu sehen, die sich gefunden haben, obwohl sie nach landläufiger Meinung nicht

zusammen passen. Eine Anzeige zeigte eine Katze souverän vereint mit einem Mops auf dem Sofa.

So ist auch in dem von Ihnen kritisierten Motiv die Dame eben nicht ”irgendwas “ , sondern die Frau,für die sich der Mann nach

vielen Kompromissen bewußt entschieden hat.

Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt für den Mann. Es mag sein, daß viele von uns so eurozentrische Bilder

wie ”Weißer Mann kauft schwarze Frau“ im Kopf haben.

Dabei sollte man allerdings nicht übersehen, daß das Paar in der Anzeige sich auf Augenhöhe befindet und nicht jede

binationale Verbindung die gängigen Klischees bedient. Darum geht es in unserer Kampagne: Irgendwann nimmt

man nicht mehr irgendwas. Der eigene Anspruch, die eigenen Erfahrungen führen dazu, sich bewußt zu entscheiden.

Für mehr Qualität, für weniger Kompromisse. Und für eine Programmzeitschrift, die diesem Maßstab gerecht wird.

Wir würden uns freuen, wenn die weiteren Motive unserer Werbekampagne Ihre Zustimmung finden.

Mit freundlichen Grüßen … Redaktion HÖRZU

Antwort Werberat

Anzeigenwerbung für ”Hörzu “ :

”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas“

Sehr geehrte …,

wir nehmen Bezug auf Ihre Beschwerde vom 25. Mai 2006.

Sie rügen eine Werbung derZeitschrift HÖRZU“ . Der Deutsche Werberat, die selbstdisziplinäre Einrichtung der deutschen Werbewirtschaft,

sieht seine Aufgabe hauptsächlich darin, im Vorfeld der gesetzlichen Bestimmungen gegenüber solchen werblichen Maßnahmen einzuschreiten,

die gegen seine Verlautbarungen oder die darin zum Ausdruck kommenden allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Grundüberzeugungen verstoßen.

Der Deutsche Werberat beanstandet Darstellungen und Aussagen in der Werbung beispielsweise dann, wenn sie herabwürdigend, obszön oder diskriminierend sind.

Die von Ihnen kritisierte Werbeanzeige haben wir eingehend geprüft. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass sie nicht zu beanstanden ist.

Die vorliegende Werbung zeigt das Foto einer Frau und eines Mannes. Die Frau, ihrer äußeren Erscheinung nach (dunkle Hautfarbe, Kleidung, Schmuck) offenbar

afrikanischer Herkunft, sitzt auf dem Schoß des hellhäutigen Mannes im Geschäftsanzug und hat den rechten Arm auf seine Schulter gelegt. Quer über das Bild ist zu lesen:

”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas“ .

Wir teilen Ihre Ansicht,dass die Anzeige für manche Betrachter eine Provokation darstellen kann. Möglicherweise ist dies sogar beabsichtigt. Der Anblick eines Paares mit

unterschiedlicher Hautfarbe ist hierzulande kein alltägliches Bild. Vorliegend wird der Eindruck der Gegensätzlichkeit noch dadurch verstärkt, dass der Mann einen Anzug

und Krawatte trägt, die abgebildete Frau hingegen ein locker gebundenes Seidengewand und augenscheinlich afrikanischen Schmuck, insbesondere eine so genannte

Unterlippen-Platte.

Die dargestellte Unterschiedlichkeit des Paares bedeutet unserer Auffassung nach jedoch nicht zwangsläufig eine Diskriminierung, sexistische oder rassistische

Herabwürdigung oder gar Veäachtlichmachung der abgebildeten Frau. Weder die Frau noch der Mann sind in einer herabwürdigenden Weise dargestellt. Die Haltung

und Mimik der beiden abgebildeten Personen (direkter Blick in die Kamera, angedeutetes Lächeln) zeigen ein gleichberechtigtes Verhältnis.

Die von Ihnen vorgetragene Assoziation mit Sklavenhandel ”weißer Mann kauft schwarze Frau“ halten wir aus diesem Grund für fern liegend. Auch die Verbindung

von Bild und Text lässt unserer Auffassung nach eine solche Interpretation nicht zu. Der Slogan ”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas“ provoziert zwar dadurch,

dass der Betrachter diese Aussage, die sich auf die Wahl der Zeitschrift HÖRZU bezieht, auf das abgebildete Paar überträgt und durch diese Doppeldeutigkeit eine Person als

”irgendwas“ bezeichnet wird. Eine Herabwürdigung der Frau können wir darin jedoch nicht erkennen, da der Slogan so formuliert ist, dass der Betrachter ihn sowohl auf die

Perspektive der Frau als auch auf die des Mannes beziehen kann. Bitte bedenken Sie, dass die Meinungsfreiheit – auch die in der Werbung –

ein hohes Gut darstellt.

Wie andere Lebensbereiche, etwa Literatur, Presse oder Rundfunk, ist Werbung auch ein Spiegel der Gesellschaft. Sie findet nicht losgeöost von sich wandelnden

Wertanschauungen und Geschmack statt, sondern darf und muss auch pointierte oder drastische Aussagen treffen. Man mag unter dem Gesichtspunkt

des persönlichen Geschmacks anderer Meinung sein. In diesem Sinne erwünschte von unerwünschten Aussagen zu unterscheiden, ist aber nicht Aufgabe des Werberats

– und sollte nicht Aufgabe einer freiheitlichen Gesellschaft sein.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis für den Standpunkt des Werberats

und verbleiben mit freundlichen Grüßen…

Auch der ASTA DER UNIVERSITÄT POTSDAM hat sich damals bei Hörzu beschwert:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die von Ihnen gewählte Weise der Bewerbung Ihrer Zeitschrift stellt in den Augen des AStA Uni Potsdam eine rassistische Vermarktung von kulturellen Differenzen dar.

Die ”Konsumierung des Anderen“ als das Andere (”irgendwas“) wird impliziert durch die Enkontextualisierung der Afroafrikanerin. Diese Entkontextualisierung wird

verstärkt durch den Werbeslogan ”Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas.“

Andere Kulturen zu achten, so wie es in der Grundrechte Charta der Europäischen Union vereinbart ist, bedeutet, diese Kulturen in ihren Praxen, in denen sie ihre

Bedeutungen entfalten, wahrzunehmen. Ihre Kampagne entkontextualisiert diese Kultur und stellt sie vor dem Hintergrund des Ideals eines europäischen

männlichen heterosexuellen Anzugträgers an den Pranger. Es ist ungeklärt, ob die ausgedrückten Gefühlsäußerungen (Umarmen, auf dem Schoß des Mannes sitzen)

in der Kultur der Afroafrikanerin dieselben Bedeutungen tragen, wie in der europäischen Kultur. Insofern ist Ihre Werbestrategie eurozentristisch.

Ihrem selbstformulierten Anspruch: ”Als modernes Medium und Europas größte wöchentliche Zeitschrift sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, wichtige Themen

der Diskussion zu stellen und zum Denken anzuregen“, werden Sie leider nicht gerecht, da Sie gängige Klischees bedienen und konsumierbar chiffriert haben.

Eine Werbekampagne, die zum Denken anregen möchte, wählt nicht den Weg, wissenschaftlich untersuchte und politisch bekämpfte Diskriminierungsfaktoren

(Hautfarbe, Ethnie, Geschlecht) auf eine Figur zu konzentrieren und als Folie dazu, den europäischen Durchschnittsmann zu stellen. Ihre Werbestrategie legt es hierbei

darauf an, gängige Stereotypisierungen (Mann – transzendental/Frau – Natur (exotisch)) zu stabilisieren und bereits erarbeitete und erkämpfte Ausdifferenzierungen

dieser Deutungs- und Interpretationsschemata zu Werbezwecken zu parodisieren.

Es ist also fraglich, ob Ihr formuliertes Ziel: ”Humor“ und ”Selbstironie“ zu transportieren, der Intention Ihrer Werbekampagne entspricht. Humoristische Figuren

spielen bekanntlich mit Differenzen – wie Sie bereits erkannt haben – jedoch überzeichnen Sie die normativen Stereotypisierungen des gesellschaftlichen Unbewussten

gleichermaßen! Wenn Sie in Ihrer Kampagne hier die Position des ”Fremden“ einsetzen, um zum Lachen zu verführen, stellt das eine rassistische und sexistische Intervention dar.

Eine Abbildung der Personen auf gleicher Augenhöhe und der direkte Blick in die Kamera stellen zwar Gesten der Gleichberechtigung dar (die postkoloniale Kritik hat

vielfach auf entsprechende Gesten aufmerksam gemacht), sie entkräften jedoch nicht die bereits oben ausgeführten Vorwürfe des Sexismus, Rassismus, Eurozentrismus und

kapitalistischer Konsumierung anderer Kulturen.

Für eventuelle erneute Versuche solcher Denkanstoß- Werbekampagnen wünsche ich Ihnen in diesem Sinne re- flektiertere WerbestrategInnen!

Mit freundlichen Grüßen,

Maria-Anna Schiffers  [29. April 2009]

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