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Die Zeit drängt: Die Universität Potsdam hat ihren Diplom- und Magisterstudenten sehr knappe Fristen gesetzt

Anfang dieses Jahres erhielten zahlreiche Studierende der Uni Potsdam einen Brief der Kanzlerin. Darin war zu lesen, dass aufgrund der Umstellung auf das Bologna-System die von ihnen belegten Diplom- oder Magisterstudiengänge in der nächsten Zeit eingestellt werden. „Studierende, die bis zum Zeitpunkt der Aufhebung des Studiengangs ihr Studium nicht beendet haben, verlieren ihren Prüfungsanspruch und werden exmatrikuliert, sofern sie nicht in einen anderen Studiengang der Universität Potsdam wechseln“, hieß es dort.

Obwohl die meisten Betroffenen schon seit Jahren wussten, dass ihre Studiengänge auslaufen, war dieses Schreiben doch ein Schock. Warum erklärt Jakob Weissinger vom AStA der Uni Potsdam. „Die Aberkennung des Prüfungsanspruchs ist ein in Deutschland einmaliger Vorgang“, sagt der AStA-Referent für Campuspolitik. Zudem sei bis 2010 nicht klar gewesen, welche Fristen überhaupt gelten. Nun seien Anfang des Jahres Fristen für letzte Prüfungstermine mitgeteilt worden, die meist bereits 2012 ablaufen. Wer nun für das laufende Semester noch Lehrveranstaltungen belegen müsste, sei zu spät. Bis dato sei den Studierenden gesagt worden, dass sie sich bis Fristende zur Prüfung anmelden können. Nun heiße es plötzlich, dass mit Fristende bereits der Prüfungsanspruch erlischt.

Die Uni verweist auf einen Senatsbeschluss von 2007, wonach die rund 50 „alten“ Magister- und Diplomstudiengänge bis 2012/13 auslaufen sollen. Die Liste der Studiengänge sei seinerzeit in den Amtlichen Bekanntmachungen der Uni veröffentlicht worden, darin sei angegeben gewesen, welche Studien- und Prüfungsbestimmungen für welchen Studiengang zu welchem Zeitpunkt außer Kraft treten. Zudem seien betroffene Studierende mit jeder Rückmeldeaufforderung über das Ende ihrer Studiengänge informiert worden. Für Studierende, die ohne ihr Verschulden in Verzug geraten sind (z.B. Krankheit, Erziehungsurlaub), würden Härtefallregelungen greifen. Zudem könnten Betroffene in ein Bachelorstudium wechseln. Exmatrikulationen sollen die Ausnahme sein. „Die Gefahr massenhafter Zwangsexmatrikulationen entbehrt jeder Grundlage“, hieß es in einer Mitteilung. Man gehe davon aus, dass die meisten betroffenen Studierenden „zeitnah den erfolgreichen Studienabschluss anvisieren“.

Immerhin geht es um mehrere tausend Studierende, die Uni spricht von rund 3500 Studierenden, der AStA nennt hingegen auf Grundlage einer Uni-Statistik die Zahl von 4275 betroffenen Studierenden – 21 Prozent der Studierenden. Der AStA hat nun einen Anwalt bemüht, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Beschlüsse der Universität rechtlich nicht haltbar sind. Vor allem in drei Punkten sehen die Studierendenvertreter nun Formfehler. Wie Weissinger erklärt, sei aus den Senatsprotokollen nicht ersichtlich gewesen, dass der Senat seinerzeit über die letzte Prüfungsmöglichkeit abstimmt. Zum anderen seien keine Regelungen für die Übergangszeit getroffen worden. Es seien weder entsprechende Diplom- und Magisterstudiengänge an anderen Hochschulen empfohlen, noch Äquivalenzlisten erstellt worden, die alternative Studienangebote in Bachelor und Masterstudiengängen bestimmen sowie die Anrechnung von studienfachfremden Leistungen regeln. Zudem bemängeln die Studierendenvertreter, dass in vielen Studiengängen – zum Beispiel Humangeographie – das Studienangebot nicht ausgereicht habe, um in der Übergangszeit alle Leistungen für den Abschluss zu erbringen.

Die Studierendenvertreter werden nach eigenen Angaben derzeit in ihren Beratungen von Hilfe suchenden Studierenden überrannt. In vielen Fällen dränge die Zeit, denn in über 20 der rund 50 betroffenen Studiengänge sollen im März 2012 nun die letzten Prüfungstermine sein. Nun würden Studierende teilweise dazu aufgefordert, sich bereits im Mai 2011 zur Abschlussprüfung anzumelden. Wem dazu noch ein Leistungsnachweis fehlt, der hat ein Problem. „Generell gilt aber, dass rechtlich Prüfungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt werden dürfen“, meint AStA-Referent Weissinger. Sein Fazit: „Es
entsteht der Eindruck , dass die Universität kein Interesse daran hat, dass die Studierenden erfolgreich zu einem Abschluss kommen. Die Betroffenen werden einfach ihrem Schicksal überlassen.“ Das sieht die Universität anders. „Die Universität Potsdam hat alle Maßnahmen ergriffen und die nötigen Bedingungen geschaffen, um Studierenden den Abschluss ihres Studiums in den aufgehobenen und auslaufenden Studienfächern zu ermöglichen“, entgegnet man den Vorwürfen des AStAs. Es sei stets gelungen, gemeinsam mit betroffenen Studierenden den „drastischen Schritt“ der Exmatrikulation abzuwenden.

Dass die Universität betroffenen Studierenden auch den Wechsel in ein Bachelorstudium empfiehlt, sieht man beim AStA ebenfalls sehr kritisch. Es entstehe eine beträchtliche Verzögerung, die Anerkennung von bereits erbrachten Leistungen
sei nicht gewährleistet und schließlich müssten sich die Ex-Diplom- und Magisterstudenten für den Bachelor komplett neu bewerben. Es dürfte auch nicht im Interesse der Universität sein, wenn die Betroffenen nun alle in die zum Teil schon überfüllten Bachelorstudiengänge gedrängt werden, gibt der AStA-Mitarbeiter Matthias Wernicke zu bedenken. Er selbst ist als Magisterstudent betroffen. Ein Jahr mehr, dann würde er es schaffen, sagt er. Dem AStA geht es nun darum, zusammen mit der Hochschulleitung Wege zu finden, möglichst viele Betroffenen zu einem Abschluss zu bringen. „Dafür wäre eine Ausweitung der Fristen auf Regelstudienzeit plus acht Semester nötig“, sagt Jakob Weissinger. In den meisten Fällen betrage diese Zeit nur Regelstudienzeit plus vier Semester im Fach Psychologie sogar nur plus ein Semester. „Hier hätte man frühzeitig ausreichende Übergangsregelungen schaffen müssen“, meint der Studierendenvertreter.

Hilfe für Betroffene: www.asta-potsdam.de

In: Potsdamer Neueste Nachrichten, 20.05.2011, S. 12

Kai Gondlach  [20. Mai 2011]

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