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» themen/antifa/Offener Brief des „Bündnis gegen Antisemitismus Potsdam“ an die Uni-Potsdam – Hochschulkooperation Potsdam-Qom



Dokumentation des Offenen Briefes des „Bündnis gegen Antisemitismus Potsdam“ und „STOP THE BOMB“ an die Universität Potsdam

Mehr Informationen über das Bündnis unter bgapotsdam.wordpress.com oder facebook.com/bgapotsdam

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hafner, sehr geehrter Herr Dr. Haußig,

wir schreiben Ihnen in Reaktion auf den Artikel in den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) vom 11.9.2013 (http://www.pnn.de/campus/786153/) bezüglich der Reise von Wissenschaftlern der Potsdamer Universität und der Goethe Universität Frankfurt am Main vom 15. bis 30. September nach Qom im Iran und unseres Protests dagegen (https://de-de.facebook.com/events/1376514419235767/?ref=3).

Herr Hafner fragt in dem Artikel der PNN an uns gerichtet, ob “überhaupt schon einmal einer der Kritiker mit einem iranischen Wissenschaftler der Universität Qom gesprochen oder sich deren Texte angeschaut” habe. Der Soziologe Wahied Wahdat-Hagh hat die antisemitischen und antiwestlichen Inhalte der Lehren führender Funktionäre der URD bereits 2012 in mehreren Artikeln ausführlich dargelegt.

Mehr als die Schriften dieser Personen interessieren uns jedoch ihre Worte und Taten. Laut Wahdat-Hagh und unserem Referenten Kazem Moussavi ist die Dachorganisation der URD das von Ali Khamenei 1995 aus fünf zuvor separaten islamistischen Organisationen aufgebaute “Zentrum für Annäherung von Religionen”, das dem Büro Khameneis unterstellt ist und von Ayatollah Mohsen Araki geleitet wird (http://www.mehriran.de/artikel/datum///das-rueckgrat-der-urd-universitaet/). Araki war zuvor Khameneis Vertreter in London (http://www.terrorism-info.org.il/de/article/20353) und traf sich erst vor kurzem mit dem Chef der libanesischen Terrororganisation Hisbollah (http://www.abna.ir/data.asp?lang=7&Id=462900, http://www.abna.ir/data.asp?lang=3&Id=462766, http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2013/Sep-13/231210-nasrallah-meets-senior-iranian-cleric-discuss-islamic-affairs.ashx#axzz2fLQ508qz).

Das “Zentrum für Annäherung von Religionen” ist in den letzten Jahren als aktuell größtes und am besten organisiertes Zentrum für die Verbreitung des Fundamentalismus und Antisemitismus des Regimes bekannt geworden. Arakis Amtsvorgänger Ayatollah Tashkiri preist Jihad und Märtyrertod als “Bereicherung unserer Kultur” (http://www.islamicinvitationturkey.com/2011/07/27/grand-ayatollah-taskhirijihad-and-martyrdom-enriches-our-culture/) und brachte die Funktion des Kulturdialogs als Propagandainstrument zur Verbreitung von Antisemitismus auf den Punkt, als er auf der Konferenz “Russland und die Welt des Islam – Kooperation für weitere Stabilität” den Iran als Zentrum der anti-Israelischen Bewegung pries (http://www.thememriblog.org/iran/blog_personal/en/20330.htm).

Wir schließen uns vor diesem Hintergrund der Beurteilung von Kazem Mousavi und Fathiyeh Naghibzadeh an, dass die Zusammenarbeit mit der islamistischen Kaderschmiede URD nicht nur dem Prestigegewinn des iranischen Regimes dient, sondern darüber hinaus auch ein Sicherheitsrisiko darstellt, vor allem, aber nicht nur für die in Deutschland lebenden Exiliraner und jüdischen Menschen.

Auf die Funktion und den ideologischen Charakter der URD ist schon häufig hingewiesen worden, ohne dass die Kooperationspartner der Universität Potsdam daraus Konsequenzen gezogen hätten.
Für einen Workshop in Qom mit den Gästen aus Deutschland sind die Themen “Verehrung der und Gedenken an die Toten” und “Grabrituale” annonciert (“On Holy Places. The Veneration and the Commemoration of the Dead, Tomb Rituals in Imamat Theology and in Comparative Perspective“ www2.uni-frankfurt.de/47373266/rw_workshop.pdf). Bei den Stichworten “Tod” und “Rituale” fallen uns bezüglich der Islamischen Republik vor allem die diversen religiös begründeten Tötungs- und Folterrituale des Regimes ein:

* Die “Kunst des Märtyrertods”, die ein Regime betrieb, das im Krieg mit dem Irak 1980-1988 Tausende von Kindern, behangen mit Plastikschlüsseln für den vermeintlichen Eintritt ins Paradies auf die Minenfelder in den sicheren Tod schickte (http://www.spiegel.de/politik/ausland/ahmadinedschads-welt-die-kunst-des-maertyrertods-a-420509.html).

* Die Zwangsverheiratung und Vergewaltigung von oppositionellen Mädchen und Frauen vor ihrer Hinrichtung. Ihren Peinigern war die Vorstellung unerträglich, dass als Jungfrauen gestorbene weibliche Häftlinge nach islamischem Glauben automatisch ins Paradies kommen.

* Das “Grab”. Unsere Referentin Fathiyeh Naghibzadeh beschreibt diese Foltermethode in einem Artikel folgendermaßen: “Die Gefangene musste mit verbundenen Augen in einem sargähnlichen Behältnis entweder im Liegen oder im Sitzen ohne jegliche Bewegung tage-, wochen- oder monatelang ausharren, während im Hintergrund Koranverse rezitiert wurden. Die Gefangene war immer von dem Folterer überwacht, und sie wurde bei jeder möglichen Bewegung schikaniert und zusätzlich gefoltert. Die Gefangenen nennen diese Foltermethode »Das jüngste Gericht«, »Sarg« oder »Das Grab«. Sie symbolisiert die totale Kontrolle der Religion über die Lebenden und vor allem über den weiblichen Körper, noch mehr aber über die Seele.” (http://jungle-world.com/artikel/2009/36/38807.html)

* Die Verfolgung und Ermordung von Angehörigen anderer Religionen als die staatsoffizielle schiitische, vor allem der Vogelfreienstatus der Baha’i. Erst diesen Sommer gab Khamenei ein religiöses Edikt heraus, das jeglichen sozialen Kontakt mit den Angehörigen dieser Religion verbietet. Kurz darauf wurde der Baha’i-Führer Ataollah Rezvani entführt und ermordet (http://foreignpolicyblogs.com/2013/09/23/in-need-of-moral-leadership-for-the-rights-of-bahais-in-iran/).

Herr Hafner deutet in dem oben zitierten Artikel aus den Potsdamer Neuesten Nachrichten an, er wäre bereit zu einer öffentlichen Diskussion über die Kooperation Potsdam-Qom. Sollte dies ernst gemeint sein, werden wir zu einer solchen Diskussion zum baldmöglichsten Zeitpunkt einladen, weitere Details folgen. In jedem Fall bitten wir Sie jedoch dringend um die Beantwortung der folgenden Fragen.

1) Wie verlief das Seminar über Todesrituale? Wurde dabei über die religiös begründeten Tötungs- und Foltermethoden und über den Märtyrerkult des iranischen Regimes gesprochen?
2) Stimmt es, dass Mohsen Araki, der Gesprächspartner des Hisbollah-Chefs Nasrallah, auf iranischer Seite zuständig für den Austausch Potsdam-Qom ist? Falls nein, wer dann?
3) Mit welchen weiteren Personen und Organisationen in Qom steht die Potsdamer Universität konkret in Verbindung?
4) Welche gemeinsamen Projekte wurden bereits durchgeführt und welche laufen aktuell? Gibt es davon bereits Berichte und Publikationen in der Universität Potsdam?
Mit freundlichen Grüßen,

Bündnis gegen Antisemitismus Potsdam, STOP THE BOMB

Martin Grothe  [17. Oktober 2013]

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