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» referat/Digitalsemester und Existenznot: Wir sprechen KLARTEXT !



Liebe Studis, 
sicher habt ihr in den letzten Wochen aufmerksam die Nachrichten und die Informationen der Universität verfolgt. Viele von euch wünschen sich jetzt konkrete und verbindliche Informationen zum Studium. Diese werden von Bund, Land und Uni leider kaum oder fragmentarisch gegeben. Deshalb wollen wir euch mal im KLARTEXT sagen, was gerade Sache ist, und so hoffentlich ein realistisches Bild der Situation liefern.

INHALT
1. Situation an der Uni Potsdam
1.1. Digitales Studium und ihr
1.2. Kommunikation mit den Lehrenden
1.3. Qualität braucht Zeit
1.4. Zwangsurlaub HPI – Fakultät mit X-Factor
1.5. Vereinbarkeit von Familie und Online Semester
1.6. Demokratie an den Hochschulen
1.7. Was außerdem noch zu klären ist
2. Finanzielle Unterstützung für Studierende
2.1. Die Übergangslösung des Landes
2.2. Die Lösung auf Bundesebene
3. Antworten auf Fragen, die ihr uns in der Umfrage mitgeteilt habt

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1. Situation an der Universität Potsdam
Von Bund und Land werden aktuell nur sehr schleppend Grundlagen für die Ermöglichung von Lehre und Studium geschaffen, so auch in der Woche vor Vorlesungsbeginn. Neue Regelungen gibt es nun für Hochschulbibliotheken, Lehrveranstaltungen und Hochschulprüfungen. Hierzu und zu den grundlegenden Auswirkungen hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur mittlerweile eine eigene Seite angelegt ( https://mwfk.brandenburg.de/mwfk/de/ministerium/umgang-mit-corona-pandemie/ ). Weiterhin bleibt den Hochschulen aber eigentlich nur der Weg ins Digitale. 

1.1 Digitales Studium und ihr
Rund 2000 von euch haben an unserer Umfrage teilgenommen. Über diese Annahme sind wir euch sehr dankbar!
Euch plagen demzufolge viele Sorgen, die wir in einer eigenständigen Auswertung noch präsentieren werden. Hier erst einmal ein kleines Preview – eine Auswahl an Antworten könnt ihr ganz unten einsehen:
Es ist nicht selbstverständlich, dass jede*r über eine stabile Internetverbindung verfügt. Vor allem in Wohnheimen wird das Netz durch die konzentrierte Nutzung überlastet sein.
Nicht alle von uns besitzen die gleiche Ausstattung, teilweise ist die Mindestanforderung eines ausreichenden Mikrofons nicht gegeben oder der Computer nicht leistungsstark genug. Studierende, die nicht auf diese Ressourcen zurückgreifen können, werden abgehängt. Die Angst vor Diskriminierung ist groß und es kann nicht selbstbewusst an Onlineseminaren teilgenommen werden, was ausschlaggebend für eine gute Lehre ist. Die persönliche Anschaffung neuer Technik ist den finanziellen Notlagen nicht tragbar und durch Lieferengpässe zudem kaum möglich. Das gleiche gilt für notwendige Literatur, die für das Studium erwartet wird. Es entsteht eine Hierarchiegefälle, das nicht aufkommen darf. Bedingungslose gute Lehre für alle!
In dieser ungewissen Zeit ist es zudem nicht förderlich, wie verzögert und teilweise widersprüchlich Auskunft gegeben wird. Es sorgt nur für mehr Unsicherheit, wenn man unterschiedlichen Quellen Informationen entnehmen muss, die nur auf andere Seiten verweisen. Zudem das E-Mail Programm, welches viel zu unübersichtlich und überfrachtet ist. In dieser Situation ist eine nachhaltige Vorbereitung auf das Sommersemester kaum möglich. 

Für uns ist wichtig, dass wir in diesem Semester solidarisch miteinander umgehen. Das bedeutet einerseits, dass wir ein Verständnis von den Problemlagen der Lehrenden bekommen, aber auch, dass wir dieses Verständnis von Lehrenden erwarten können. Im Folgenden wollen wir euch einige dieser Probleme auch aus der Sicht der Lehrenden näherbringen:

1.2. Kommunikation mit den Lehrenden
Viele Studierende kritisieren derzeit die Kommunikation mit den Lehrenden, wenn es z. B. darum geht Zugang zu den Kursen zu bekommen, da Belegung und Zulassung erst ab der nächsten Woche erfolgen.
Mit dieser Regelung sahen sich auch einige Lehrende uneins und fanden kreative Lösungen: Das Institut für Anglistik hat beschlossen, dass die Lehre erst am 27. April beginnt und hat zur Transparenz in allen PULS-Veranstaltungen geschrieben, dass die Login-Daten für moodle und zoom bis zum 24. kommuniziert werden. Die Jüdischen Studien schreiben in ihren PULS-Veranstaltungen, dass man sich bereits vor dem 20. April per E-Mail melden kann, wenn man eine Veranstaltung belegen will. Durch solche Lösungen wird zumindest das Login-Daten Hick-Hack zu Beginn der Vorlesungszeit verhindert und allen Beteiligten etwas Sicherheit in dieser ungewissen Zeit gewährt. Dass es erlaubt ist diese Lösungen zu fahren ist vielen Lehrenden nicht bewusst, weswegen die meisten von ihnen und uns mit Furcht auf den kommenden Montag blicken. Es ist eine hochschulpolitische Unverantwortlichkeit Belegungs- und Vorlesungsbeginn auf den gleichen Tag zu setzen! Generell können wir euch nur empfehlen täglich in PULS bei den Veranstaltungen reinzuschauen, die ihr belegen wollt, um immer den aktuellen Infostand zu haben.

1.3 Qualität braucht Zeit
Die Hilfestellungen der UP für die Erstellung von Online Lehre (u.a. AG e-Learning) werden von den Lehrenden zurzeit teilweise sehr gelobt. Trotzdem bestehen für unsere Lehrenden viele Probleme:
Ein Zitat von einer Lehrperson bringt das Thema auf den Punkt: „Lehrdeputate so zu belassen, wie sie vor Corona waren, ist eine klare Entscheidung gegen die Qualität der Lehre.“
Viele Lehrende haben 12 oder 18 Lehrveranstaltungsstunden (LVS oder auch SWS Semesterwochenstunden), was 6 bzw. 9 Veranstaltungen pro Woche entspricht!! Im Laufe des Semesters, werden sie irgendwann völlig ausgebrannt sein. Die Erhöhung der Lehrdeputate war schon lange ein Problem ( https://www.openpetition.de/petition/online/bildung-ist-keine-massenware#petition-main ) aber bei der kompletten Umstellung auf digitale Lehre ist sie es umso mehr. Studiendekan*innen sagen zwar, dass „die Minimalvariante“ (möglichst wenig Aufwand pro Veranstaltung) gefahren werden soll und Lehrende sich „nicht so viele Gedanken machen“ sollen, aber der Anspruch den Lehrende an sich selbst stellen ist höher. Also beuten sie sich selbst aus bis zum Burnout, um uns gute Lehre zu bieten. Dass dann von „Minimalvarianten“ getönt wird, sorgt dafür, dass die Lehrenden sich nicht wertgeschätzt fühlen.
Aber wie kam es überhaupt zu diesem Punkt? Warum wurden nicht wenigstens die Hochdeputatsstellen (>12 LVS) entlastet? Nun, es wurde von einem „Kernkanon“ von Veranstaltungen gesprochen, welche unbedingt stattfinden müssen. Gemeint sind alle Veranstaltungen, die abschlussrelevant sind, was ulkigerweise quasi alle betrifft. Je nachdem ob man eine Vorlesung oder einen Sprachkurs vorbereitet, sind die Arbeitslasten sehr unterschiedlich. Aber dabei wird von der Universitätsleitung nicht differenziert. Es handelt sich teilweise um so viel Arbeit, dass diese einfach nicht zu schaffen ist, was zu Überstunden, Mehrarbeit, Nachtarbeit und Arbeiten am Wochenende führt. Die Idee diesen „Kernkanon“ auf dem Rücken von Lehrenden mit Hochdeputaten anzubieten, ist unverantwortlich gegenüber den eigenen Angestellten. Um dem zu begegnen hat der Vizepräsident für Studium und Lehre, Professor Musil, eine Empfehlung für asynchrone Lehrformate ausgesprochen, weil diese scheinbar weniger Aufwand
bedeuten. Aber in Wahrheit wird der Aufwand für Lehrkräfte meist größer, je asynchroner das Lehrformat wird. Lehrende müssen viel akribischer bei der Aufgabenverteilung sein, weil nicht einfach nachjustiert werden kann. In einer synchronen Veranstaltung können sich Studis einfach kurz melden, um Nachfragen zu stellen, bei asynchroner Lehre fällt diese Möglichkeit jedoch weg. Zusätzlich muss einzeln Feedback gegeben werden, und zwar umständlich per Mail o.ä., statt in einem face-to-face Gespräch, wie es in einem synchronen Seminar üblich ist. Trotzdem ist asynchrone Lehre nicht grundsätzlich schlecht. Grade in Vorlesungen und Blockseminaren eignet sie sich sehr gut. Aber die Vorstellung, dass „asynchrone Lehre = weniger Arbeit für Dozierende“ bedeutet ist ein Spuk. Die Arbeit wird lediglich verlagert.  

1.4. Zwangsurlaub HPI – Fakultät mit X-Factor
Das HPI hat alle seine Angestellten für 3 Wochen bis Semesterbeginn in den Zwangsurlaub geschickt (Betriebsferien). Weil sie nicht arbeiten durften, konnten die Lehrkräfte sich nicht auf das digitale Semester vorbereiten und stehen jetzt mit leeren Händen dar.
Sie glauben diese Geschichte ist wahr? Oder glauben Sie, das HPI hat einen kreativen Weg gefunden, um die Ausbeutung und Selbstausbeutung seiner Angestellten auf ein nie vorher da gewesenes Level zu treiben? Die Beantwortung überlasse ich Ihnen zuhause vor den Fernempfängern. 
Ihr Jonathan Frakes

1.5 Vereinbarkeit von Familie und Online Semester
Noch vor Beginn der Vorlesungszeit sind viele Eltern verzweifelt. Sie wissen, dass sie den Anforderungen nicht gerecht werden können und fürchten bereits jetzt die Konsequenzen in Arbeit und Studium.
Negative Folgen tragen dabei vor allem Frauen, welche immer noch den größten Teil der Care-Arbeit leisten und somit doppelt belastet werden.
Für Studierende und Lehrende ist synchrone Lehre erschwert bis unmöglich, wenn es dabei gilt, sich zeitgleich um die eigene Familie zu kümmern. 
Asynchrone Lehre hingegen bedeutet für die Lehrenden mehr Zeitaufwand – und das Semester beginnt nur eine Woche später als ursprünglich geplant. Dieser plötzliche Mehraufwand überschreitet Grenzen, nicht nur bei 18 sondern auch schon bei 6 Lehrveranstaltungsstunden. 
Auch bei uns Studierenden kommen verschiedene Gründe zusammen, warum wir an weniger Kursen und anders als gewohnt teilhaben können. Daher unterstützen wir den Forderungskatalog zum Solidarsemester ( https://solidarsemester.de/ ) und sind auch der Meinung „Damit wir in dieser außerordentlichen Situation uns den Problemen stellen können, kann das Semester nur durch solidarische Zusammenarbeit aller Statusgruppen gestaltet werden.“.
Am 17.04. wurde beschlossen, dass eine „AG Kita“ auf Bund-Länderebene besprechen soll, in welcher Form Kitas nach dem 4. Mai geöffnet werden. ( https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-bund-und-laender-wollen-konzept-fuer-kita-oeffnung.1939.de.html?drn:news_id=1121683 ). Die Studierenden und die Lehrenden – v. a. mit Hochdeputat – sind von dieser Entscheidung stark abhängig.
In skandinavischen Ländern werden die Kitas bereits jetzt wieder geöffnet, bzw. waren nie zu ( https://www.jmwiarda.de/2020/04/17/die-politik-l%C3%A4sst-die-kinder-in-der-krise-allein/ ). Es ist bedauerlich, dass in Deutschland die Selbstbestimmung der Frau und die sozialpsychologische Entwicklung von Kindern nicht eben so hochgeschätzt werden.

1.6 Demokratie an Hochschulen
Was politiktheoretisch sehr interessant ist: Die Demokratie an unserer und vielen weiteren Hochschulen ist zeitweilig außer Kraft gesetzt . Gremien der akademischen Selbstverwaltung wie der Senat oder die Fakultätsräte tagen zwar weiterhin, jedoch ohne Möglichkeit für Gäste beizuwohnen. Auch der AStA und die Studierendenvertreter*innen an sich wurden übergangen. Erst jetzt, auf mehrfache Nachfrage, wurde uns als Studierendenschaft ein Sitz im Krisenstab der Uni gegönnt. Einladungen zum Senat erhalten wir nicht. Es ist fraglich, inwiefern die Fachschaftsräte bei Umsetzungen auf der Fachebene involviert worden sind. Auch die über die letzten Jahre auf- und ausgebaute Zusammenarbeit im Qualitätsmanagement (zur Weiterentwicklung und Evaluation und Studium und Lehre) ist bundesweit in Gefahr, eingeschränkt oder zumindest teilweise ausgesetzt zu werden.

1.7 Was außerdem noch zu klären ist
Viele von euch wundern sich auch, ob, wenn Präsenzveranstaltungen wieder erlaubt sind, die Teilnahme an diesen zur Pflicht wird, was mit Angehörigen von Risikogruppen ist und ob die neuen Lernbedingungen, die digitalen Angebote, wieder wegfallen, wenn der Präsenznotbetrieb aufgrund neuer Verordnungen von Bund und Land beendet werden kann. Tatsächlich sind viel Details noch zu klären und mitunter heißt es: „Das Thema wurde noch nicht besprochen“. Es wird gerade geklärt wie mit Laborpraktika etc. umgegangen wird (Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen).

Viele fürchten auch eine Verlängerung des Sommersemesters. Die Uni spricht hier zwar noch nicht Klartext, aber unsere Prognose ist es, dass das Semester nach hinten verlängert werden könnte. Urlaub, Zeit für Forschung, Hausarbeiten und die Vorbereitung der Lehre würden somit genommen. Wir geben hierfür keine Gewähr, jedoch scheint es uns möglich, da die Umstellung auf das Digitalsemester sicherlich nicht reibungslos ablaufen wird . Viele Prüfende haben auch schon angekündigt, dass sie Blockseminare zum Ende des Semesters anbieten wollen, teils weil sie keine Lust auf digitale Lehre haben und bis dahin auf eine Öffnung hoffen. Bereits klar ist, dass auch folgende Semester betroffen sind, da der Semesterstart für das Wintersemester bundesweit auf den November verlegt ist.

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2. Finanzielle Unterstützung für Studierende
Dies ist sicherlich ein Thema, welches viele von euch beschäftigt. Dazu ein paar Daten, um die derzeitige Situation einordnen zu können:
77% der knapp 3 Millionen Studierenden in Deutschland haben einen Nebenjob. Mehr als die Hälfte davon ist auf diesen Nebenjob angewiesen um Miete, Essen, Lebenshaltungskosten usw. zu bezahlen. Bis Mittwoch haben 750.000 ihren Nebenjob verloren ( https://www.zeit.de/campus/2020-04/studierendenwerk-studierende-geldnot-coronavirus-kredite ). Dies bedeutet für viele Studierende aktuell eine massive Not, die den Studienabbruch oder den Existenzverlust zur Folge haben kann. [hier Spargelstech-Witz]
Für viele von uns ist es deshalb wichtig zu wissen, wo wir Hilfe bekommen und was gegen die Not getan wird. 
In den letzten Wochen haben sich viele Bündnisse von Studierenden gebildet, die sich für die Unterstützung in der aktuellen Krise einsetzen. Das relevanteste davon ist das Bündnis solidarsemester.de, welches vom AStA der Universität Potsdam, der Brandenburgischen Studierendenvertretung BRANDSTUVE und den GEW-Studis Brandenburg unterstützt wird. 

2.1 Die Übergangslösung des Landes
Nach Erschöpfung des Notfonds des Studentenwerks (sic) hat sich das Land am 17.04. dazu entschlossen einen Fonds über 25 Mio. € anzulegen. Der Fond soll für 2 Monate 25.000 Studierende mit jeweils 500€ unterstützen. Auch Internationale Studierende sind antragsberechtigt! Es wird eine Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen, die aber nur wenige Kriterien enthalten soll. Leider handelt es sich nach aktuellem Stand um ein Darlehen, keinen Zuschuss. Wir arbeiten daran, das zu ändern.
Ähnliche Übergangslösungen gibt es in Hamburg (300€ Darlehen), Hessen (einmalig 200€ Zuschuss), sowie einigen Unis (Köln, Münster). Eines haben sie alle gemein: Sind ein Tropfen auf dem heißen Stein.

2.2 Die Lösung auf Bundesebene
Hier gibt es verschiedene Ansätze: Zum einen eine Ausweitung des BAföG, die Errichtung von Soforthilfefonds für Bedürftige, sowie die Öffnung der Sozialsysteme vor allem des ALG II für Studis.

BAföG:
Der Vorstoß der Kultusministerkonferenz (KMK) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) das BAföG für mehr von uns Studis zu öffnen ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch sehen wir dabei in der aktuellen Situation einige Probleme:
Aktuell beziehen nur ca. 12 % der Studierenden BAföG. Viele sind nicht BAföG berechtigt, da ihre Eltern sie laut Bund unterstützen könnten, sie sich in einem Zweitstudium befinden, sie außerhalb von Regelstudienzeiten studieren, oder internationalen Studierenden sind. Das BAföG für mehr Menschen zugänglich zu machen würde sehr viel Zeit brauchen. Außerdem wäre das BAföG ein Darlehen und kein Zuschuss, müsste also zurückgezahlt werden. Dies würde die Notleidenden massiv zusätzlich bestrafen und verschuldet aus der Krise gehen lassen. Das BAföG müsste für internationale Studis und Studis im Zweitstudium geöffnet, diskriminierende Altersgrenzen abgeschafft werden. Außerdem müsste die Förderlogik des Bafög durchbrochen werde. Denn die Mär, dass immer noch die Eltern ihre Kinder im Studium finanzieren, ist realitätsfremd, klassistisch und kann ganze Familienverhältnisse zerstören. Doch unter einer Großen Koalition ist das elternunabhängige BAföG wohl weiter ein Wunschtraum.

Sonderfonds:
Die Idee eines Soforthilfefonds für Studis ist zwar prinzipiell eine gute Idee, jedoch hat auch dieses Konzept viele große Unbekannten. Zum einen müsste geklärt werden von welcher Stelle er finanziert würde und welche Zuständigkeiten es gibt. Welches Ministerium ist zuständig? Wie läuft das Ausgabeverfahren? Des Weiteren müsste erst eine komplett neue Infrastruktur geschaffen werden, mit neuen Formularen, Behördenstrukturen, etc. pp. All das dauert Zeit, welche wir nicht haben. 
Des Weiteren wissen wir nicht, wie lange die Krise dauert. Limitierte Fonds könnten schnell aufgebraucht sein und so müsste ständig mit der Politik über Erhöhung diskutiert werden. Da Studierende laut Frau Karliczek nicht prioritär sind, ziehen sich alle Verhandlungen zu diesem Thema wie Kaugummi. Aufgrund der begrenzten Mittel könnte es auch zu einem unsolidarischen Run auf die Nothilfefonds kommen.
Da diese Lösung für den Bund lang- und kurzfristig am günstigsten ist, wirkt es wahrscheinlich, dass es zu dieser Lösung kommt. Aufgrund der Wirtschaftlichkeit ist auch zu erwarten, dass es sich dabei lediglich um ein Darlehen handeln wird, keinen Zuschuss
Interessant: Karliczek sagt, dass das Deutsche Studentenwerk (sic!, DSW) gesagt hätte, sie könnten einen solchen Darlehensfonds nicht verwalten. Das DSW korrigiert aber, dass dies ein Falschdarstellung (ugs. „Lüge“) war. Die Studentenwerke (sic!) kritisieren auch, dass überhaupt an ein Darlehen gedacht wird.
https://www.jmwiarda.de/2020/04/17/viele-schreiben-wenig-ann%C3%A4herung/

ALG II (auch SGB II oder Hartz IV genannt):
Die beste Lösung wäre es uns Studis die Sozialsysteme zu öffnen! Genauer gesagt zu ALG II oder SGB XII. Hier wäre die tragfähige Infrastruktur in den Kommunen und in den Behörden bereits vorhanden. Die Studierendenwerke könnten bei der Antragstellung bzw. Bedarfsprüfung unterstützen.
Außerdem ist das ALG II eine Leistung und kein Darlehen, würde also nicht zu Schulden führen. Eine verschuldete Studierendengeneration darf es unter keinen Umständen geben.
Jedoch müssten auch hier Dinge verändert werden. Es müsste anerkannt werden, dass wir Studis generell einen Arbeitnehmer*innen-Status haben, gerade auch dann, wenn wir unseren Job zum Lohnerwerb verlieren. Somit würden wir einen Zugang zum Kurzarbeiter*innengeld erhalten. Es müsste auch die Logik beendet werden, dass für uns als Studierende ausschließlich BAföG-Ämter und BMBF zuständig sind und nicht die Jobcenter. Hierfür müssten sich endlich das BMBF und BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) ins Benehmen setzen. Hubertus Heil muss den Jobcentern konkrete Dienstanweisungen zur Auslegung von Kriterien geben. Denn theoretisch ist eine Förderung von Studierenden per ALG II oder Wohngeld per Härtefall bereits möglich (§ 27 Abs. 3 SGB II). Zurzeit liegt das leider noch im Ermessen der Mitarbeitenden der einzelnen Jobcenter. Außerdem muss das BMAS seine Förderlogik überdenken, nach welcher Empfänger*innen dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehen müssen. Diese Logik muss der Lebensrealität von uns Studierenden angepasst werden. Die SGBs müssten auch für internationale Studierende ohne deutschen Pass geöffnet werden und zwar ohne nachträgliche Nachteile wie bspw. bei der Beantragung einer Staatsbürgerschaft. Egal für welche Lösung sich die Politik am Ende entscheidet, internationale Studierende dürfen dabei keine Nachteile erleiden. Wer durch die Krise in finanzielle Notlage gerät, darf nicht aufgrund einer rassistischen und nationalistischen Förderpolitik bestraft werden. Auch in der Krise muss intersektional und solidarisch gehandelt werden. Aus der Umsetzung dieser Ideen könnte ein zukunftsfähiges und langfristiges soziales Sicherungsnetz für Studierende entstehen. 

Insgesamt muss jetzt eines getan werden: die Politik, vor allem auf Bundesebene, muss sich endlich bewegen. Dass wir nun schon über 4 Wochen auf eine Lösung warten müssen, ist ein Skandal! Zu beobachten, wie Menschen gerade aufgrund von Handlungen der aktuellen Bundesregierung in Armut enden und sogar sterben, wird noch schmerzhafter, wenn man sich aktuelle Umfrageergebnisse zur Bundestagswahl anschaut, bei denen die Christdemokraten (sic!) einen starken Zugewinn verzeichnen.
Wir fordern das MWFK und das MfGS (Ministerium für Gesundheit und Soziales) auf, für die Studierenden auf der Bundesebene weiter für eine ganzheitliche, solidarische Lösung zu kämpfen. Dass auf Länderebene Union und Grüne Wissenschaftsminister*innen jetzt ein eigenes Bundeskonzept für Soforthilfen aufgelegt haben, zeigt den eklatanten Mangel an Führungsstärke der Ministerin Karliczek. Wer selbst aus der eigenen Partei kritisiert und und zum Handeln gedrängt wird, ist auf dem Posten wohl eine Fehlbesetzung!
Ob eine nächste Krise kommt, ist nicht die Frage, sondern wann. Eine moderne, soziale Gesellschaft sollte sich auf so etwas vorbereiten können.

Wie ihr seht, seid ihr für die Politik nur eine Statistik. Zahlen die ignoriert werden können. Etwa eine halbe Million Studierende können sich zurzeit weder Miete noch Essen leisten und die Regierungen achten nur auf Wirtschaftlichkeit. Man hat das Gefühl, als ob diese nicht verstehen, dass wir uns gerade in einer Pandemie befinden. Einer außerordentlichen Situation, die außerordentliche Lösungen erfordert. Nicht business as usual !!

Deswegen: redet mit euren Kommiliton*innen, vernetzt euch, engagiert euch und macht eure Stimmen laut. Zeigt der Politik, dass wir viele sind und dass auch wir zählen!!

3. Antworten auf Fragen, die ihr uns in der Umfrage mitgeteilt habt:

Eine Sorge, die oft aufkam, war die um Lizenzen. Hier haben wir positive Nachrichten:

Microsoft Office ist nun für alle Angehörigen der Uni verfügbar

Stata ist (zumindest für die WiSo-Fakultät) verfügbar

SPSS wird von IBM bis zum 15.06. als Probeversion gratis zur Verfügung gestellt

Passend dazu plant das Land Sondermittel für die Digitalisierung der Lehre an Hochschulen bereitzustellen. Dabei sollte ein Fokus auf „open educational resources“ (OER) liegen, nicht kommerziellen Produkten. Mehr zu OER könnt ihr beim Hochschulforum Digitalisierung lesen: https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/dossiers/open-educational-resources-oer

„Wann und wie öffnen die Bibliotheken und falls nicht, wie komme ich an digitale Literatur?“
Die Bibliotheken in Brandenburg dürfen ab dem 20.04. wieder geöffnet werden. Die Uni Potsdam plant derzeit ihre Bibliotheken ab dem 4. Mai zu öffnen. 
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) verhandelt mit Verlägen um ein breiteres Online-Angebot zur Verfügung stellen zu können.

„Wird das Semester komplett online durchgeführt oder ist zu erwarten, dass nach der Öffnung des öffentlichen Lebens nur noch Präsenzlehre angeboten wird?“
Die aktuelle Aussage von Herrn Musil (Vizepräsident für Lehre und Studium an der Universität Potsdam) ist, dass das gesamte Semester online angeboten werden soll. Es gibt aber auch Lehrende, die darauf keine Lust haben und ihre Veranstaltungen als Block an das Ende des Semesters gelegt haben, in der Hoffnung, dass sie dann wieder in Präsenz lehren können. Außerdem: Sollte das öffentlich Leben bereits Mitte Juni wieder geöffnet werden, so prognostizieren wir, dass der reguläre Lehrbetrieb wieder stattfinden könnte.

„Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, um an der Online Lehre teilzunehmen?“
Ihr braucht eine stabile Internetverbindung und einen PC. Einen Zoom Account braucht ihr nicht um an synchronen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Auch der VPN-Zugang der Uni wird hierfür nicht benötigt.

„Wie können fragen während der Veranstaltungen gestellt werden?“
Generell ist das natürlich nur bei synchronen Veranstaltungen möglich. Wahrscheinlich wird jeder Lehrperson das so handhaben, wie sie es für sinnvoll hält. Also: Namen in den Chat schreiben, Aufzeigefunktion von Zoom nutzen, o.ä.

„Wird das Sommersemester 2020 auf meine Regelstudienzeit angerechent?“
Nein, in Brandenburg ist das glücklicherweise nicht der Fall (in anderen Bundesländern aber schon). Leider werden Prüfungen nicht als Freiversuche gewertet, außer deen, bei denen es regulär der Fall wäre. Diese Entscheidung verstehen wir nicht und wir arbeiten daran, die Unileitung zu einem Umdenken zu bewegen.

„Werden Praxis-Veranstaltungen wie WAT, Musik, Sport, Laborpraktika und Schulpraktika stattfinden?“
Teilweise: Während Musik und Laborpraktika durchgeführt werden können, ist bei Sport zurzeit keine Möglichkeit in Sicht. Schulpraktika sind noch komplizierter, weil in diesen das Land und die einzelnen Schulen viel mitzusagen haben. Das ZeLB sagte uns, dass die Entscheidung auch bei den einzelnen Fachbereichen liegt. Das Vorgehen der Fachbereiche wurde gesammelt, ausgewertet und an alle weitergeben. Für Studierende, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, wird sich grade besonders bemüht.

„Werden Veranstaltungen aufgenommen und on-demand zur Verfügung gestellt?“
Diese Frage bezieht sich vor allem auf synchrone Veranstaltungen. Hierzu haben wir leider keine absolute Antwort. Es liegt also im Ermessen der Lehrperson.

„Sind Parallelbelegungen möglich?“
Generell ja, wie auch sonst. Ob man sie wahrnehmen kann, hängt davon ab, ob sie synchron oder asynchron sind bzw. ob sie aufgezeichnet werden, wenn sie synchron sind.

Jonathan Wiegers  [18. April 2020]

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