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» 51€-klage/PM: Studierendenvertreter*innen der Universität Potsdam verurteilen Vorgehen des Präsidenten Oliver Günther als „Einschüchterungsversuch“



Illegale Rückmeldegebühren – Rechtsaufsichtliches Verfahren gegen klagende Studierendenschaft

In einem Schreiben des Präsidenten der Universität Potsdam vom 29. September 2021 an die Studierendenvertrer*innen aus Studierendenparlament (StuPa) und Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) hat dieser die Auszahlung von Geldern an einen Rechtsanwalt in Höhe von 3.480 € beanstandet und eine angebliche Schadensersatzpflicht der Vertreter*innen festgestellt. Konkret geht es um die Unterstützung von Klagenden gegen die im Zeitraum 2001-2008 illegal erhobenen Rückmeldegebühren an den Brandenburger Universitäten. In dem rechtsaufsichtlichen Schreiben wird insbesondere bezweifelt, dass hier dem Interesse der aktuellen Studierendenschaft nachgegangen wird, da es sich zum Teil um nicht mehr immatrikulierte Studierende handelt. Auch wird der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Frage gestellt. Die Studierendenvertreter*innen verurteilen dieses Vorgehen scharf. Der AStA hat mittlerweile im Namen der Studierendenvertreter*innen offiziell Widerspruch eingelegt.

„Diese Beanstandung ist eine einzige Farce. Wir halten die Vorwürfe für an den Haaren herbeigezogen und sehen es kritisch, dass ehrenamtliche Studierendenvertreter*innen nun, laut dem Schreiben, persönlich für vollkommen gerechtfertigte Anträge Schadensersatz leisten sollen. So wird Engagement im Sinne der eigenen Kommiliton*innen sanktioniert.“ bedauert der Referent für Hochschulpolitik des AStA, Moritz Pleuse.

Die im Zeitraum von 2001 bis 2008 erhobenen Rückmeldegebühren an den Brandenburger Hochschulen wurden im Jahre 2017 durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungwidrig eingestuft und die Rechtsgrundlage für nichtig erklärt.(1) Trotz der eindeutigen Rechtslage verweigerten die Universitäten und das Land Brandenburg die Rückzahlung mit Hinweis auf eine mögliche Verjährung der Ansprüche. Dem steht die Rechtsauffassung der Studierendenschaft entgegen, die weiterhin auf eine Rückzahlung der illegal erhobenen Gebühren besteht und dies zuletzt über Massenklagen durchzusetzen versucht.(2)

„Es bedarf schon einer besonderen Dreistigkeit, erst rechtswidrig erhobene Rückmeldegebühren nicht zurückzahlen zu wollen und nun auch noch diejenigen bestrafen zu wollen, die sich der Behebung dieser Ungerechtigkeit verpflichtet fühlen. Auch müssen wir stark an der Objektivität der rechtsaufsichtlichen Verfahrens zweifeln: es geht immerhin um Verfahren, bei denen gegen die Universität, vertreten durch den Präsidenten, geklagt wird. Dass der Klagegegner nun das Mittel der Rechtsaufsicht sucht, um gegen die Kläger*innen vorzugehen, sehen wir als einen klaren Einschüchterungsversuch an.“, so die StuPa-Abgeordnete für DIE LINKE.SDS, Vivien Pejić.

Trotz des Urteils des Bundesverfassungsgericht hat sich das Land Brandenburg für die Fortführung der Erhebung der Rückmeldegebühren an den Hochschulen entschieden. Hierzu prüft die Studierendenschaft die Organisation weiterer Klagen.

„Wir sehen es gerade in Anbetracht dieser neuerlichen Prüfung als im Interesse der aktuellen Studierenden an, die ehemaligen Studierenden bei der Einforderung der Rückzahlung vor den Gerichten zu unterstützen. Für Verfahren im Rahmen der aktuellen Rückmeldegebühren wäre das relevant. Den weiteren Vorwurf, dass wir uns nicht an die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hielten, finden wir im Übrigen auch in einer anderen Hinsicht spannend. So hatte der Universitäts-Präsident im Zuge der Klageverfahren mindestens horrende 27.000 € an Anwaltskosten produziert,(3) während wir mit Anwaltskosten i.H.v. rund 3.500 € deutlich weniger ausgegeben hatten. Vielleicht sollte sich Wissenschaftsministerin Manja Schüle als Rechtsaufsicht des Präsidenten mal diesen Vorgang genauer anschauen.“ regt der StuPa-Abgeordnete für die Liste UP.rising, Paul Strobach, an.
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1https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/01/ls20170117_2bvl000214.html

https://www.sueddeutsche.de/bildung/hochschulen-potsdam-mehrere-hundert-ex-studierende-klagen-rueckmeldegebuehren-ein-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-201231-99-861476

3 Vgl. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 1071 des Abgeordneten Matthias Stefke (BVB / FREIE WÄHLER Fraktion) – Drucksachen 7/2924, 7/3132 (https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_3100/3132.pdf

Pascal Kienast  [2. November 2021]

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