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» presse/PM: Verabschiedung vom Integrationskonzept



AStA der Universität Potsdam appelliert an Politik und Bürger_innen Menschlichkeit zu wahren

Laut dem International Institute for Strategic Studies gibt es derzeit 41 bewaffnete Konflikte weltweit. Hinzu kommen Gründe wie der Klimawandel, Bevölkerungswachstum sowie Nahrungsmittelknappheit, welche immer mehr Menschen zwingen, vor der Perspektivlosigkeit aus ihren Heimatländern zu flüchten.
Brandenburg erhöhte am 06.10.2014 die Aufnahme-Vorgabe für die Stadt Potsdam auf 396 Geflüchtete, die bis Ende des Jahres in Potsdam ankommen sollen. Die Stadt schuf bisher 310 Plätze in 2 Gemeinschaftsunterkünften sowie 2 Wohnungsverbünden, die gänzlich ausgelastet sind. Aufgrund des anhaltenden Zulaufs von Asylsuchenden ist von einem „Notfallprogramm“ bei Politik und in der Presse die Rede. Fast täglich findet man quer durch die kommunale Zeitungslandschaft Artikel, dass mehr Geflüchtete aufgenommen werden „müssen“, dass die Unterbringungssituation sehr dramatisch sei u.ä.. Was man häufig vergeblich sucht, sind Berichte über Menschen, denen die Chance gegeben wird von ihrer Lebensrealität, ihren Wünschen und Träumen erzählen zu können. Niemand erwähnt, dass Zuwanderung die Gesellschaft enorm bereichern kann und das Land von jungen, hoffnungsvollen Menschen profitiert. Auch von bürgerschaftlichem Engagement, welches es in Potsdam durchaus gibt, ist selten zu lesen.
Die Berichterstattung ist dominiert von anonymen Zahlen, wobei der Fokus auf Konflikthaltigem und Negativem liegt.

Nach Ansicht des AStA wird dadurch Fremdheit, Abgrenzung und Ablehnung gefördert. Was die Stadt braucht sind Bürger_innen, die die neuankommenden Menschen willkommen heißen, ihnen helfen sich schnellstmöglich zurechtzufinden und eine dauerhafte Perspektive aufzubauen. Umso verständnisloser kann in diesen Tagen nur auf Initiativen wie „Pro Tornow“ reagiert werden. Statt Geflüchtete zu stigmatisieren und gesellschaftspolitische Verantwortung von sich zu weisen, sollte ein Umdenken stattfinden. Einerseits sieht sich Brandenburg mit Problemen wie der zunehmenden Überalterung, der Abwanderung junger Menschen und einem wachsendem Fachkräftemangel konfrontiert, andererseits werden die Chancen der Zuwanderung ignoriert oder sogar konterkariert. „Entgegen der weitverbreiteten Meinung haben ca. 20% der Geflüchteten einen Hochschulabschluss, 30 bis 35% einen Abschluss, der dem eines Facharbeiters entspricht. Daraus resultierend muss oberstes Gebot in der Asylpolitik sein, den Menschen Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es gilt schnellstens sprachliche Barrieren abzubauen und die Stärken der Menschen nachhaltig zu fördern“, so Sandra-Diana Heidbrecht, Referentin für Campus- und Hochschulpolitik.

Vergangene Woche entschied die Stadtverordnetenversammlung provisorische Unterkünfte in Potsdam zu errichten. Einzig die Wählergruppe „Die Andere“ kritisierte das Notprogramm, da dieses beispielsweise, entgegen des Potsdamer Integrationskonzeptes, eine Unterbringung von rund 200 Menschen in einem Containerdorf am Lerchensteig vorsieht. Eine gelungene und zügige Integration ist durch die fehlende Infrastruktur sowie den Mangel an einer starken Nachbarschaft an solch einem Standort nahezu unmöglich. Die Stadt rechtfertigt die Entscheidung mit dem erheblichen Zeitdruck, welcher nun bestehe. Claudia Sprengel, Referentin für Geschlechterpolitik wirft den Verantwortlichen in der Vergangenheit fehlende Voraussicht vor. „Es war anhand des Kriegsausbruchs in Syrien und den damit einhergehenden Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent vorauszusehen, dass es mehr Asylsuchende als in den vergangenen Jahren geben wird. Weshalb nicht frühzeitig in sozialen Wohnungsbau investiert wurde, ist nicht nachvollziehbar“, so Claudia Sprengel weiterhin.
Laut Zahlen, die „Die Andere“ vorlegen konnte, kostet eine Unterbringung in Containern jährlich 4634 Euro pro Person. Eine Unterbringung in Wohnungen wäre also nicht nur hinsichtlich einer Eingliederung in die Gesellschaft, sondern auch ökonomisch sinnvoller. Die Isolation vieler Menschen am Rande der Stadt macht eine Verarbeitung der oft traumatischen Vergangenheit unmöglich. Abgeschiedene Massenunterkünfte sorgen dafür, dass die Geflüchteten in der Wahrnehmung von Bürger_innen jegliche Individualität verlieren und als anonyme Gruppe von „Fremden“ wahrgenommen werden, die scheinbar abgeschieden von der Gesellschaft leben müssen.

Diesen Zuständen muss entschlossen entgegengetreten werden. Umso fataler ist die kürzlich von Rot-Rot getragene Ernennung von Karl-Heinz Schröter zum Innenminister Brandenburgs. Schröter, der 20 Jahre lang Landrat im Landkreis Oberhavel war, soll sich durch „Führungsstärkung“ auszeichnen. Ro. Barsch Referent für Studentisches Leben reagiert auf diese Personalie mit großer Besorgnis. „Niemand braucht einen Minister, der in der Vergangenheit Asylsuchende stigmatisierte, entrechtete und obendrein mit Zynismus bedachte. Eine Auflistung, der von Schröter im Umgang mit Geflüchteten initiierten Maßnahmen und die Tatsache, dass sich v.a. die AFD über die Personalie zu freuen scheint, sprechen für sich. Umso mehr gilt es, die von der Regierung zukünftig getroffenen Entscheidungen zu hinterfragen und sich aktiv für die Rechte schutzbedürftiger Menschen einzusetzen“, so Ro. Barsch abschließend.

Elisa Kerkow  [14. November 2014]

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