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» gender/texte/Dr. Dorothea Dornhof – Brauchen wir wirklich ein wahres Geschlecht?



Literaturwissenschaft – Kulturwissenschaft – trans-gendered?

(Vortrag auf dem Symposium „Bestandsaufnahme und Perspektive der Kulturwissenschaften aus der Sicht der Gender Studies“

vom 19. – 21. Februar 1999 in Kyoto, Japan. Veranstalter: Prof. Atsuko Onuki, Deutsches Seminar der Gakushuin Universität Tokio und Goethe Institut Kansai.)

„Brauchen wir wirklich ein wahres Geschlecht? Mit einer Beharrlichkeit, die an Starrsinn grenzt, haben die Gesellschaften das Abendlandes dies bejaht“(1)

Mit diesem Satz läßt Michel Foucault seine Einleitung zu dem von ihm edierten Tagebuch des Hermaphroditen Herculine Barbin, genannt Alexina B.(1980), beginnen.

Die Veröffentlichung, die neben gerichtlichen und medizinischen Gutachten eine Erzählung von Oskar Panizza „Ein skandlöser Fall“ enthält, gibt Einblick in unterschiedliche diskursive Regulierungsverfahren sexueller Normierung. Die Ende des 19. Jahrhunderts im Selbstmord endende Umwandlung der Klosterschülerin und Lehrerin Herculine Barbin zu Abel Barbin, zum Mann und Verwaltungsangestalten der französischen Eisenbahn, ist durchaus als ein aktueller Text der Geschlecher- und Identitätspolitik zu lesen, denn noch immer werden Kinder mit intersexuellen Merkmalen gynäkologischen, genetischen und chirugischen Tests unterzogen, um das geeignete „wahre“ Geschelcht herauszufinden. Die körperlichen Verstümmelungen und die damit einhergehen psychischen Folgen wurden bis vor kurzem von den Familien und den gesellschaftlichen Institutionen mit Schweigen übergangen. In dem hartnäckigen Glauben an männlich und weiblich als die einzig „natürlichen“Optionen enthüllt das medizinische Management um Umgang mit Intersexualität ungewollt die soziale Konstruktion einer Zwei-Geschlechter-Kultur.

Ich komme auf die Verknüpfung von Kultur und Geschlecht, von Textualität und Sexualität am Beispiel des von Foucault edierten „Hermaphrodismus“ Bandes in einem zweiten Teil meiner Ausführungen zurück. Zunächst werde ich auf einige institutionelle und theoretische Verschiebungen in der kulturwissenschaftlich orientierten Geschlechterforschung eingehen, um dann in einer historischen Perspektive die Frage nach dem „wahren Geschlecht“ und seiner Verortung im sexualisierten Selbst des Körpers sowie im Text zu diskutieren.

1. Differenzen in der Geschlechterdifferenz – Verschiebungen

Mit den Gender Studies ist nicht nur die gesamte Literatur- und Kulturgeschichte einer kritischen Revision unterzogen worden; sie haben ein interdisziplinäres Arbeitsfeld eröffnet, das sich in den letzten Jahren in den Methoden und in der Sicht auf die Gegenstände immer mehr aufgefächert und ausdifferenziert hat. Dieser Prozess einer „Modernisierung des Wissens“(2) bringt Überschneidungen, neue Konfigurationen und Kreuzungspunke des Wissens hervor, auf die in den einzelnen Disziplinen mit einer grundlegenden Veränderung ihrer Forschungsperspektiven, aber auch mit Abwehr und Besitzstandswahrung reagiert wird.

Text weiterlesen unter: http://www.culture.hu-berlin.de/dd/WahresGeschlecht.html

Jan Glogau  [1. November 2005]

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