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Das Potsdamer Universitätslehr- und Studienorganisationsportal (PULS) und seine unmittelbaren Folgen an dieser Uni – ein unhaltbarer Zustand

Alle in PULS geführten Lehrveranstaltungen können ausschließlich über PULS belegt werden!“. So steht es auf der Login-Seite von PULS, dem „Potsdamer Universititätslehr- und Studienorganisationsportal“. Blödsinn, denn PULS ist nur ein System und kann keine Entscheidungen fällen! Doch was steckt dahinter und wollen die Studierenden ein solches Organisationsportal? Wenn nicht, was können wir tun?

Was ist PULS überhaupt?

PULS ist ein von der Firma Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) an unserer Universität entwickeltes Modellprojekt. Laut einem in großer Anzahl gedruckten Info-Flyer der Uni soll PULS vor allem Vereinfachungen bringen wie z.B. einen elektronischen Stundenplan oder die Möglichkeit, sich verschiedene Bescheinigungen am eigenen PC auszudrucken.

Solche Funktionen sind sicherlich vorteilhaft. In unseren Augen ging es aber bei der Einführung von PULS eigentlich um etwas ganz Anderes: Zum einen nutzen die DozentInnen dieses System – teilweise bereits seit 2004 – um die Belegung der Lehrveranstaltungen zu regeln, zu automatisieren und eine bessere Verknüpfung zwischen Anmeldung, lehrveranstaltungsbegleitenden Prüfungen und (Modul-)Abschlussprüfungen zu ermöglichen. Auch das Prüfungsamt findet – abgesehen von den technischen Problemen, die es noch immer zu meistern gilt – die Anmeldung der Studierenden über PULS zunehmend gut. Eigentlich ganz toll! Aber…

Die Kehrseite der Medaille

Ganz nebenbei wird durch PULS die effektivere Verwaltung des Mangels an der Universität möglich. Bei der Reorganisation der Prüfungsverwaltung im Jahr 2006 und der ständigen „Verbesserung“ des bestehenden Systems durch die HIS GmbH mit dem Ziel PULS an der ganzen Universität einzuführen, wurde etwas übersehen: Dozierende nutzen PULS – größtenteils weil sie aufgrund der Ressourcenknappheit anders keine akzeptable Lehre mehr gewährleisten können – als probates Mittel zur (rechtswidrigen) TeilnehmerInnenbegrenzung. Sie können Maximalzahlen von TeilnehmerInnen eintragen, aus denen nach der Belegungswoche beispielsweise durch einen Zufallsgenerator 25 bis 30 Leute für ein Seminar ausgewählt werden. Alle anderen haben dann eben für diesen Kurs in diesem Semester Pech gehabt. Dieses anonyme, unmenschliche und direkte Auseinandersetzung mit der Lehrkraft verhindernde Verfahren zeigt nicht mehr die Missstände. Viele Studierende, die durch PULS abgelehnt wurden, trauen sich dann gar nicht mehr dennoch zur Lehrveranstaltung zu gehen und ihr Recht, an der Lehrveranstaltung teilzunehmen, auch einzufordern.

Die Universität vermarktet die Kopplung der Belegung der Lehrveranstaltungen mit dem studienbegleitenden Leistungserfassungsprozess via PULS als spezifische – und angeblich einzig mögliche – Umsetzung des Bologna-Abkommens. Wenn dies der Königsweg sein soll, dann bewertet der AStA diesen Weg als mangelhaft: Die Überforderung der Universität mit der Studienreform ergibt sich unserem Erachten nach aus dem unüberlegten „Vorpreschen“ sowie aus fehlenden breit diskutierten Richtlinien und nicht vorhandenen Erfahrungswerten. Nötig wurde die Umstellung auf neue Hochschulabschlüsse aufgrund der Vereinbarungen des Bologna-Abkommens.

Der Bologna-Prozess

1999 wurde die Bologna-Erklärung verabschiedet. In dieser einigten sich 29 europäische Staaten über die Schaffung von mehr Mobilität und Vergleichbarkeit zwischen den Studiengängen in Europa. Diese Umstellung wird als Studienreform oder Bologna-Prozess bezeichnet. An den meisten Hochschulen und auch an der Universität Potsdam wurden und werden im Zuge dieser Reform die alten Studienabschlüsse nach und nach in Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master umgewandelt.

Dass die neuen Studiengänge oft die alten bleiben, dafür jedoch teilweise einen unstudierbar hohen Arbeitsaufwand verlangen – im Lehramts-Masterstudiengang sind über 30 Semesterwochenstunden plus Vor- und Nachbereitung an der Tagesordnung – und die Vergleichbarkeit zu Studiengängen an anderen Hochschulen eher noch weniger als vorher gewährleistet ist, scheinen nur die gravierendsten Probleme zu sein. Die Art und Weise, wie die Ziele des Bologna-Prozesses an unserer Hochschule umgesetzt werden, ist hochgradig unreflektiert und folgt keiner klaren Struktur.

Aber was hat PULS damit zu tun?

PULS dient als Rechtfertigung und System zur Verwaltung des universitären Mangels. Es sollen neue Studienordnungen unterstützt werden, die das studienbegleitende Prüfen vorsehen und somit massiv zur Verschulung des Studiums beitragen. Die Studienordnungen werden durch die PULS-Software – mehr oder weniger erfolgreich – elektronisch abgebildet, um so der Belegung von aufeinander aufbauenden Lehrveranstaltungen eine Struktur zu geben. Zudem ist die Vernetzung zum Prüfungsamt eines der Hauptanliegen.

An Stelle von Hochschulen eines offenen Raumes, in dem Wissenschaft betrieben werden könnte und sich selbstbestimmtes, persönlichkeitsbildendes Studieren anbietet, führt diese Form der Umsetzung der Bolgna-Erklärung zu einer Hochschullandschaft, die als Ziel die Errichtung von „Humankapitalfabriken“ für den Arbeitsmarkt hat.

Hinzu kommt das Problem der Unterfinanzierung, welchem mit Seminarrauswürfen begegnet wird. Auch hier spielt PULS – wie bereits erwähnt – eine wichtige Rolle. So wird oft behauptet, PULS könne Studierende zu Seminaren zulassen. Das darf PULS definitiv nicht! Die Entscheidung liegt weiterhin allein bei den entsprechenden DozentInnen. Dies wurde uns zuletzt im Oktober 2007 nachdrücklich vom Leiter des Prüfungsamtes bestätigt. Und auch die Rechtslage ist eindeutig: Studierenden muss es gemäß Paragraph neun des Brandenburgischen Hochschulgesetzes möglich sein, innerhalb der Regelstudienzeit ihr Studium abzuschließen. Durch die Nichtzulassung über PULS wird teilweise der Zugang zu studienverlaufsrelevanten Lehrveranstaltungen verweigert, ohne eine Ersatzveranstaltung anzubieten. Mit diesem Vorgehen verletzt die Universität ihre gesetzlich festgelegte Pflicht.

Wenn Ihr aus Seminaren rausgeworfen wurdet – mit PULS-Begründung oder ohne – dann protestiert und meldet uns den Vorfall per eMail und nehmt Euch die Zeit für eine kurze Meldung auf der Internetseite www.seminarrauswurf.de.

PULS übernimmt die Rolle eines Katalysators: Statt an der Unterfinanzierung etwas zu ändern und mehr Seminare anzubieten, schiebt die Universität die Verantwortung an PULS ab, wo anhand unbekannter und daher höchst mysteriöser Kriterien darüber entschieden wird, ob Studierende „angemeldet“ oder „zugelassen“ sind. Obwohl PULS – wie schon gesagt – überhaupt keine Zulassung aussprechen darf…

Zusätzlich unterstützt PULS indirekt das Belegpunktesystem, da Belegpunkte dort online verwaltet werden – wir klagen aussichtsreich gegen dieses System, welches sozial ungerecht und eine völlige Fehlentwicklung ist. Mehr zur Klage findet Ihr im ersten Artikel in diesem Heft oder auf der AStA-Homepage. Euer AStA spricht sich gegen PULS aus, da in unseren Augen die negativen Seiten die kleinen Vorteile von PULS bei weitem überschatten.

Was aber tun gegen PULS?

Zunächst einmal fordern wir von der HIS GmbH bzw. der Universitätsleitung eine Übersicht über die durch PULS gesammelten Daten. Beispielsweise wurde uns mitgeteilt, dass der aus dem letzten Jahr stammende Datensatz – welchen wir zum Zwecke der Auswertung von sicherlich vorhandenen Überbelegungen von Veranstaltungen als Druckmittel für ein erweitertes Lehrangebot prüfen wollten – unerklärlicher Weise gelöscht wurde. Zudem wüssten wir gerne die Kriterien, anhand derer PULS Studierende für Seminare „auswählt“. Außerdem ist uns der Datenschutz wichtig, weswegen wir für die Arbeit des AStA auch ausschließlich einen anonymisierten Datensatz über die Anmeldung zu den einzelnen Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2007/2008 verwenden.

Wir brauchen Eure Mithilfe, um auf Missstände aufmerksam zu machen! Schreibt uns kurz und knackig, aus welchen Seminaren/Vorlesungen usw. Ihr Anfang des Semesters rausgeflogen bzw. in welche Ihr gar nicht erst hineingekommen seid. Uns genügen formlose Angaben über Studiengang, Name der Veranstaltung, Name der Lehrkraft und der Ablehnungsgrund. Am besten wäre natürlich, wenn Ihr noch in etwa im Kopf hättet, wie viele Leute sich damals in den Veranstaltungsraum gedrängt haben. Natürlich könnt Ihr auch den Ablehnungsbescheid auf unserer Homepage nutzen.

Schreibt uns, damit wir gemeinsam etwas verändern können!

Malte Clausen  [8. Januar 2008]

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