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Eine Podiumsdiskussion über die Zukunft des Studienganges Kunst an der Universität Potsdam

Mit einem Pinsel voll weißer Farbe malt jemand eine Wolke an den blauen Himmel. Darunter steht: „Rettet die Kunst!“. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite bittet der Allgemeine Studierendenausschuss (AstA) der Universität Potsdam seit Kurzem um die Unterzeichnung einer Online-Petition zum Erhalt des chronisch unterbesetzten Studienganges Kunst, dessen Fortbestand innerhalb der noch anhaltenden Strukturdebatte an der Hochschule zur Diskussion steht.

„Wer braucht schon Kunst?“ fragten der AstA, der Fachschaftsrat Kunst und der Brandenburgische Landesfachverband der Kunstpädagogen, die am Mittwochabend zur Podiumsdiskussion in die Universität einluden, um Argumente auszutauschen und mehr Transparenz in die Debatte zu bringen. Viele der derzeit 239 Studierenden waren gekommen. Moderatorin Sahra Dornik erklärte zu Beginn den aktuellen Sachstand: Demnach habe der Fakultätsrat der Humanwissenschaftlichen Fakultät im März 2008 einen Immatrikulationsstopp im Fach Kunst für das kommende Wintersemester verhängt. Momentan sei unklar, ob die Professur der in den Ruhestand gehenden Leiterin des Studienganges, Meike Aissen-Crewett, neu besetzt werde. Ein von der Universität in Auftrag gegebenes externes Expertengutachten zur Lehrerbildung in Potsdam empfehle, das mit nur einer Professur besetzte Fach entweder personell aufzustocken und zu einer forschungsfähigen Einheit auszubauen oder es an die Berliner Universität der Künste zu verlegen.

Uni-Vizepräsident Thomas Grünewald erinnerte daran, dass im Gegensatz zum Institut für Musik und Musikpädagogik die Kunst über Jahre nicht als eigenständiger Fachbereich ausgestattet und gefestigt wurde. Es sei vor allem dem außerordentlichen Engagement von Meike Aissen-Crewett zu verdanken, dass hier so erfolgreich Kunsterzieher ausgebildet würden. Die jetzige Diskussion sei kein Zeichen von Ignoranz, sondern der Situation geschuldet, dass ein unterbesetzter Studiengang künftig nicht akkreditierungsfähig sei, also nicht mehr anerkannt werde. Ihn jetzt auszubauen, würde bedeuten, etwas anderes dafür zu opfern.

Meike Aissen-Crewett stellte eine andere Möglichkeit zur Diskussion: das Zusammengehen mit dem Institut für Künste und Medien. Dies würde jedoch einen Wechsel von der Humanwissenschaftlichen zur Philosophischen Fakultät nach sich ziehen. Die Professur für Grundschulpädagogik mit dem Schwerpunkt musisch-ästhetische Erziehung, die durch die Pensionierung von Meike Aissen-Crewett frei werde, sei aber bereits vom Institut für Grundschulpädagogik beansprucht worden, entgegnete Thomas Grünewald. Man könne sie nicht einfach in eine andere Fakultät geben. Kunsthistoriker Andreas Köstler, Professor am Institut für Künste und Medien, benannte ebenfalls diese personellen Schwierigkeiten, empfahl jedoch, stärker inhaltlich zu diskutieren. Bisher, das beklagte auch Student Stefan Neumann, Mitglied des Fachschaftsrates Kunst der Universität, werde die Debatte nur um Strukturen und Personalstellen geführt. Die Ausbildung der Studierenden und vor allem der Kunstunterricht in den Schulen spielten kaum eine Rolle.

Claudia Güttner vom Landesfachverband der Kunsterzieher schilderte die eklatante Situation an brandenburgischen Grundschulen, an denen wegen des Fachlehrermangels sehr oft fachfremd unterrichtet werde. Welche regelrechten „Kunstfehler“ dabei begangen würden und wie die Kreativität der Kinder eingeschränkt werde, hat Annedore Prengel, Professorin für Grundschulpädagogik, in ihren langjährigen Unterrichtsbeobachtungen feststellen müssen. In der Lehrerbildung könne man auf kein Fach verzichten, sagte sie und bat Vizepräsident Thomas Grünewald, sich stärker für den Erhalt des einzig verbliebenen Studiengangs Kunsterziehung im Land Brandenburg einzusetzen.

Die Idee, den Studiengang an die Universität der Künste (UdK) nach Berlin zu verlegen, lehnten vor allem die Studierenden ab. Brandenburg würde dann keine eigenen Kunsterzieher mehr ausbilden. Außerdem würde die einzigartige Verbindung von Pädagogik, Didaktik und künstlerischer Tätigkeit, wie sie in Potsdam praktiziert wird, verloren gehen. Hier, so die Studierenden, könne man tatsächlich Schule neu denken. An der UdK, berichtete ein Kunststudent aus Berlin, bliebe die Erziehungswissenschaft eher im Hintergrund. Die Ausbildungssysteme beider Universitäten seien seiner Meinung nach nicht kompatibel. Auch Stefan Neuhaus vom Berliner Fachlehrerverband der Kunsterzieher kritisierte den Vorschlag, den Studiengang an die UdK zu verlegen. In Potsdam gebe es einen besonderen Geist, weil es hier wie an kaum einem anderen Ort möglich sei, Kunst und Pädagogik zu verbinden und dabei wirklich innovativ zu sein.

Birgit Jank, Professorin am Institut für Musik und Musikpädagogik der Uni Potsdam, zeigte sich mit den Kunsterziehern solidarisch. Es sei so müßig, immer wieder neu die Bedeutung der musischen Fächer für die Entwicklung der Kinder zu erklären. Sie empfahl dem Institut für Künste und Medien, die Kunsterzieher aufzunehmen und deren Ressourcen zu nutzen. Die dafür benötigten Mittel müssten von der Politik eingefordert werden. So sah es auch Werner Schaub vom Bundesverband der Kunsterzieher: Der Fortbestand des Studiengangs sei letztlich eine kulturpolitische Entscheidung des Landes.

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 16.05.2008

Tamás Blénessy  [16. Mai 2008]

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