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Das Sprachenzentrum der Universität fristet ein Dasein am Rande des Möglichen. Warum das so ist und was aus der Sicht des AStA zu ändern wäre

Fremdsprachen lernen ist großartig! Um im Urlaub ordentlich anzugeben, Deutschland endgültig den Rücken zu kehren, Bücher in der Originalsprache lesen zu können und Millionen neuer Menschen als potenzielle FreundInnen zu erschließen. Wen das nicht überzeugt: Macht sich auch prima im Lebenslauf, beispielsweise um Siemens-Geschirrspüler in China zu verkaufen – oder was auch immer Ihr in Eurem Leben vorhabt.

Spätestens dieses Argument überzeugt einen großen Teil der Studierenden – es gibt ein enormes Interesse an den Sprachkursen, allen voran: Spanisch. Und so bewerben sich seit Jahren mehr Menschen für die Kurse, als zugelassen werden können. Denn, als eine der wenigen Studienordnungen an der Universität Potsdam, sind in der Studienordnung des Sprachenzentrums Teilnahmebeschränkungen rechtlich festgeschrieben. So sehr wir das Prinzip der Teilnahmebeschränkung ablehnen: hier ist es sinnvoll, um eine angenehme und produktive Arbeitsatmosphäre sowie angemessene Betreuung zu gewährleisten, die bei mehr als 25 Personen pro Kurs nicht realisierbar ist. Hier können aber zwei Ansprüche aufeinander prallen: Nach § 9 Absatz 1 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) habt Ihr ein Recht darauf, alle Kurse belegen zu können, die für euren Studienerfolg in Regelstudienzeit vorgesehen sind. Das Problem lässt sich relativ unproblematisch lösen: nämlich mit einer Verdoppelung der ausgelasteten Kurse. Dazu erklärt sich die Universität oftmals bereit, wenn die Zahl der InteressenteInnen die Anzahl der möglichen TeilnehmerInnen um 50 Prozent übersteigt.

Zusätzliche Angebote bei Überbelegungen

Im Sprachenzentrum versucht man diese Regelung auch umzusetzen. Dr. Doris Gebert, Leiterin des Sprachenzentrums, teilte bei der Recherche für diesen Artikel mit, dass beispielsweise für das aktuelle Semester eine Verdoppelung des Angebotes der Module Hispanistik I und Latein I beschlossen und umgesetzt wurde. Allerdings mit Problemen: Nachdem die große Nachfrage der Studierenden auf großes Interesse an der Belegung schließen lässt, ist die traurige Erfahrung, dass die neu angebotenen Kurse im Allgemeinen sehr leer blieben. Sogar auf Information per eMail über die zusätzlichen Kapazitäten, reagierte nur ein Bruchteil der früheren InteressentInnen.

Auch war nicht für alle Kurse ein zusätzliches Angebot realisierbar, oft scheitert es einfach am mangelnden Angebot des Arbeitsmarktes an geeigneten Lehrbeauftragten. In diesem Semester kann so ein zusätzlicher Kurs in Russisch I nicht angeboten werden, einfach weil der Arbeitsmarkt keine Lehrkräfte hergibt – was vielleicht auch die nicht-rosige Bezahlung von Lehrbeauftragten im Gegensatz zu ihrem großem Arbeitsaufwand erklärt. In solchen Fällen wird versucht den Ausfall zu kompensieren. Im konkreten Fall über ein zusätzliches Angebot des Propädeutikums Russisch II in Verbindung mit zusätzlichen Selbstlernangeboten via moodle. Zusammenfassend kann man sagen, dass aktuell nicht die Ausstattung des Sprachenzentrums problematisch ist, sondern einfach die höheren InteressentInnenzahlen, die durch den unvorhergesehenen Anstieg der Studierendenzahlen bedingt sind.

Ein Sprachenzentrum jenseits des Curriculums

Dennoch: die verfügbaren Erklärungen relativieren die Probleme nicht. Wir als AStA treten für die Möglichkeit der freien Sprachausbildung ohne Zusatzgebühren ein, auch wenn sie für Dein Studium nicht verpflichtend ist. Sprachfertigkeiten steigern die Handlungskompetenz und erhöhen die individuelle Freiheit. Sie sind die Grundlage einer Welt, die auch menschlich zusammenwächst, weil sie zusammengehört. Studierende, die sich mit dieser Vorstellung anfreunden können oder aus anderen Gründen ihre Sprachkenntnisse verbessern möchten, sind auf die Möglichkeit angewiesen, in kommenden Semestern in den Zusatzkursen teilzunehmen. Unabhängig von reaktiven Maßnahmen bei unvorhergesehenen InteressentInnenspitzen muss es aber auch ausreichende Kapazitäten geben, um den mehr als 20.000 Studierenden eine hochwertige Sprachausbildung garantieren zu können. Momentan sehen wir das leider nicht realisiert, denn immer wieder erreichen uns Nachrichten von Studierenden, die ihren Sprachkurs aufgrund der Teilnahmebeschränkung nicht belegen können. Außerdem möchten wir uns für eine Erweiterung des Angebotes in der Sprachausbildung einsetzen, gemäß einem Beschluss des Studierendenparlamentes.

Eine eingeschränkte Sprachausbildung beschneidet unsere Perspektiven nicht nur jetzt, sondern für den weiteren Verlauf unserer Studien und weiterhin für unsere gesamte Zukunft. Wir setzen uns im Interesse der Studierenden außerdem für langfristige und angemessen bezahlte Beschäftigungsverhältnisse mit den SprachausbilderInnen des Sprachenzentrums ein, da unserer Ansicht nach die Lehre durch Kontinuität stark profitiert.

Soziale Absicherung ist das A und O

Tatsächlich sind aktuell Lehrbeauftragte im Allgemeinen schlecht abgesichert und in prekären Beschäftigungsverhältnissen angestellt. Anfang diesen Jahres gab es an der Universität Potsdam 77 unvergütete Lehraufträge, im Schnitt verdienen Lehrbeauftragte in Brandenburg zwischen 22 und 25 Euro pro Semesterwochenstunde. Die Zeiten für Vor- und Nachbereitung werden nicht vergütet, es gibt kein Pauschalentgelt. Fallen Veranstaltungen aus, gibt es gar keine Bezahlung. In der vorlesungsfreien Zeit müssen sich die Lehrbeauftragten nach anderen Beschäftigungen umsehen.

Besonders schockiert die Tatsache, dass es kaum Absicherungsmechanismen für die Sprachlehrenden gibt – Renten- und Krankenversicherungsbeiträge sind selbst zu entrichten. Planungssicherheit oder Perspektiven bietet die Arbeit als Lehrbeauftragte oder Lehrbeauftragter keineswegs. Dieser Zustand ist auch für uns als Studierende von massiver Bedeutung! Ohne Kontinuität der Beschäftigungsverhältnisse und Mechanismen sozialer Absicherung können die Lehrenden in ihrer Arbeit nicht ihr volles Potenzial nutzen.

Wer nicht weiß, ob er bzw. sie im nächsten Semester noch unterrichten kann und händeringend nach einer festen Beschäftigung sucht, kann in das Aufbauen von persönlichen Beziehungen zu den Studierenden und eine bestmögliche Betreuung nicht so viel Energie stecken, wie wir uns das wünschen. Sprachausbildung muss für beide Seiten funktionieren, die Lehrenden müssen davon Leben können und die Studierenden die Möglichkeit haben sich umfassend zu bilden. Lohndumping und überfüllte Kurse nützen nur den zu knappen Kalkulationen im Haushaltsplan, hochwertiger Aus- und Weiterbildung nützen sie nicht.

Florian Piepka  [12. Januar 2009]

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