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» presse/Uni-Veranstaltung des Verteidigungsministers gesprengt



Mit dauerhaftem Beifall, allerhand Parolen, von politischen/inhaltlichen wie „Nie wieder Krieg!“, oder auch „Kein Dialog mit Kriegstreibern!“, bis hin zu offen ironischen wie „Wir woll’n den Thomas sehen!“ wurde heute Abend eine Veranstaltung an der HU Berlin mit dem Bundesverteidigungsminister schon vor der Begrüßung seitens des Unipräsidenten gestoppt. Die anwesende Mehrheit des Saales war offenbar nicht gewillt, die Hochschule für die geistige Mobilmachung zu öffnen.

Im Laufe des Veranstaltungs-Versuches folge eine kleine Banner-Enthüllung („Krieg dem Krieg!“), ein Die-In einiger Personen auf der Bühne mit Hilfe von scheinbar blutbefleckten Oberteilen und Ratlosigkeit seitens jener, die gern der Schein-Legitimation deutscher Kriegseinsätze den Boden bereiten mochten.

Nachdem der Herr Minister vergebens per Word-Dokument und Beamer zur Diskussion aufrief und schließlich aufgab, verkündete der Uni-Präsident auf die gleiche Weise (also schriftlich projeziert), er werde für die Freiheit des Wortes und den Meinungsaustausch so lange bleiben, bis er entweder rausgetragen oder angehört werde. Dies wurde mit dem wiederholten Sprechchor „Wegtragen!“ beantwortet; auf einen freundlichen Versuch zweier Menschen, ihn wegzubitten, ließ er sich allerdings nicht ein.

Sowohl der Minister als auch der Uni-Präsident Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz müssen sich nun, sollten sie sich über fehlende Dialogbereitschaft beschweren, mindestens folgende Fragen gefallen lassen:

1. Wie wird die „Freiheit des Wortes“ bzw. das „Wort“ definiert? Wenn in einem Saal jede hörbare Meinungsäußerung durch die „Gegenseite“ übertönt und so gewissermaßen verhindert werden kann, hat dann nicht die Seite, die zusätzlich über visuelle Mitteilungsmöglichkeiten verfügt (sprich: Beamer) mehr Möglichkeiten zur „Freiheit des Wortes“?

2. Die kriegführende Seite bekommt die Möglichkeit, eine Veranstaltung zu gestalten. Menschen, die hingegen Bundeswehr-Transporte blockieren, wie die „Raytheon 9“ Waffenproduktion behindern oder auf andere Weise versuchen, für eine waffenfreie Außenpolitik einzutreten, würden wohl kaum eine Veranstaltung im Audimax mit Grußwort des Uni-Präsidenten bekommen können. Sieht so ein gleichberechtigter Dialog aus?

3. Wie steht es eigentlich mit der „Freiheit des Wortes“ jener Menschen, die als Feinde eingestuft und erschossen werden? Schließlich bleibt keine Zeit, zuzuhören, wenn die (scheinbare) Angst besteht, gleich vom potentiellen „Feind“ erschossen zu werden. (Augen öffnend dazu ein Artikel in „The Times“ vom 13. März 2010 zu einem mehrfach tödlichen Schusswechsel in Afghanistan: „Both sides thought the other group was Taleban.“ Leider nicht mehr direkt online, aber noch auffindbar.)

Die heutige Veranstaltung war übrigens laut dem AP-Bericht die erste dieser Art, bei dem Maizière überhaupt nicht zu Wort kam und so keine Möglichkeit fand, tödliche Gewalt hörbar legitimieren zu können. Schriftlich hat er es nicht versucht, aber da findet sich genug in Broschüren und auf der Internetpräsenz der Bundeswehr, in der Geschichte mancher Religionen wie auch in der Diskussion um eine „Schutzverantwortung“.

Doch wenn wir mutmachende Beispiele von Konfliktlösungen anschauen, wie in Angola, Mosambik, Burundi; in Liberia oder auch 1996 in Mali, mit Waffenverbrennungen, dann bleiben wir dabei: Eine solche Legitimation kann es nicht geben und (nicht nur) Hochschulen dürfen kein Ort werden, um Schein-Legitimationen tödlicher Gewalt zu verbreiten.

PS: Zum möglichen Zusammenhang von Staat und Krieg, wie er auch in Slogans wie „Nie wieder Deutschland – nie wieder Krieg!“ anklingt, empfiehlt sich das Buch „Staat und Krieg: Die historische Logik politischer Unvernunft“ von Ekkehart Krippendorff, emeritierter Professor der FU Berlin.
Das Buch ist eine Lektüre wert und die Frage, ob und inwiefern Staat und Krieg zusammenhängen, sollte auch ein paar akademische Überlegungen wert sein.
Dass die Forderung (oder als akademischer Dialog betrachtet: These) „Nie wieder Deutschland!“ einer Humboldt-Uni für „nicht würdig“ befunden wurde (per Beamer) deutet in diesem Zusammenhang auf eine eingeschränkte Bereitschaft hin, sich akademischen Fragestellungen zu stellen.

Armin Olunczek  [10. April 2013]

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