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Studien des DAAD belegen mangelnde bis nicht vorhandene Studienfreundlichkeit für ausländische Studierende an deutschen Unis. Ausländische Akademiker brechen ihre Ausbildung häufig mangels Integration ab

Die Lage ist ernst. „Rohstoffarme EU-Staaten werden nur dann international konkurrenzfähig sein, wenn sie ihre Innovationsfähigkeit stärken“, lautet das Ergebnis der Studie zur europäischen Migrationspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Empfehlung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Es ist wichtig, sich stärker um ausländische Studenten zu bemühen und Studienangebote attraktiver zu gestalten.“

Deutschland ist seit Jahren drittliebstes Studienland ausländischer Hochschüler – nach den USA und Großbritannien. Doch Stefan Hormuth, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), warnt davor, sich zurückzulehnen. „Wir müssen im internationalen Wettbewerb um kluge Köpfe mehr tun“, fordert er. Um Deutschlands guten Ruf zu erhalten, bedürfe es einiger Anstrengung. Mehr und höhere Stipendien gehörten dazu und ein qualitativ besser organisiertes Ausländerstudium ebenfalls.

Die aktuelle Studie „Wissenschaft weltoffen“, die der DAAD und das Hochschul-Informations-System (HIS) vor kurzem vorgelegt haben, beeindruckt mit Zahlen und Fakten über die Situation ausländischer Studierender in Deutschland. Knapp 250000 Ausländer waren im Studienjahr 2007 an deutschen Hochschulen eingeschrieben; das entspricht zwölf Prozent aller Studierenden. Allerdings bricht ungefähr die Hälfte der ausländischen Studienanfänger das Studium ab. Schuld ist nur selten mangelnde Begabung, sondern fast immer die unzureichende akademische Integration. „Viele der klugen Köpfe, die wir aus dem Ausland holen, fühlen sich an unseren Hochschulen hoffnungslos verloren“, sagt HIS-Bildungsforscher Ulrich Heublein. Um das zu verändern, brauche es mehr guten Willen der Ausländer; aber auch die deutschen Kommilitonen und die Lehrenden hätten eine „Bringpflicht“.

Viele scheinen das nicht zu wissen. Laut HIS-Studie hat gerade mal ein Drittel der ausländischen Studenten täglich Kontakt zu deutschen Kollegen; nur knapp sechzig Prozent sprechen öfter als einmal pro Woche mit einheimischen Studenten. Viel zu viele Ausländer verstehen auch nach mehreren Semestern noch nicht, wie das Studium in Deutschland funktioniert und was in Vorlesungen und Seminaren gelehrt wird. Vor allem Asiaten fragen aus Höflichkeit oft nicht nach, wenn ihnen etwas unklar geblieben ist. Osteuropäer scheitern eher daran, dass sie an strengen Frontalunterricht gewöhnt sind und nicht gelernt haben, ihr Studium selbstständig zu organisieren.

Fast allen könnte geholfen werden. Bewährte und neue Ideen, was getan werden kann, gibt es genug. Doch es hapert oft an der Umsetzung und am Geld. Studienkollegs, Sprachtandems, Begrüßungspartys, Wohnheimtutoren – alles ist hilfreich, kostet aber zumindest Freizeit und Engagement. Auch Vorbereitungskurse im Heimatland gehen ins Geld. Denn wer nicht EU- oder US-Bürger ist, muss für ein Visum in der Regel nachweisen, dass er eine Hochschulzulassung hat, Deutschkenntnisse besitzt und über finanzielle Mittel verfügt, um Studium und Aufenthalt in der Fremde zu finanzieren. Stipendien sind rar, Austauschprogramme schnell ausgebucht.

Hinzu kommt, dass das straffe Bachelor-Master-Studium kaum Zeit für Aushilfsjobs lässt; ohnedies erlaubt das Visum nur maximal drei Monate Erwerbstätigkeit im Lauf eines Jahres. Die Studiengebühren, die in einigen Bundesländern erhoben werden, schrecken vor allem junge Menschen aus Entwicklungsländern vom Studium in Deutschland ab. Der vielleicht gewichtigste Grund, sich an einer deutschen Hochschule zu bewerben, ist weggebrochen.

DAAD-Präsident Stefan Hormuth ist überzeugt, dass Deutschland seine Mitverantwortung gegenüber den Entwicklungsländern vernachlässigt. Er dringt darauf, im Rahmen der Entwicklungshilfe in Afrika an ausgewählten Universitäten Exzellenzzentren aufzubauen, die weit über ihre Region ausstrahlen. Wenn das gelingt, gewinnt der Austausch kluger Köpfe eine ganz neue Dimension.

Quelle: Rheinischer Merkur vom 9. Oktober 2008

Claudia Fortunato  [8. Oktober 2008]

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