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Brandenburgs Tor zu jungen Menschen
Mit einem Festakt beging die Uni Potsdam ihr 20. Jubiläum – wirkliche Feierstimmung wollte nicht aufkommen

Von Jana Haase
Kein Wort. Sie sind stumm geblieben, die Pantomimen mit den geweißten Gesichtern, die die Gäste am Neuen Palais begrüßten, mit weißen Schirmen zum Schutz vor dem aufziehenden Regen. Als eine Art undurchschaubare Orakel begleiteten sie den Abend, mal mit artigen Verbeugungen, dann wieder schnippisch wippend oder radschlagend. Das Auditorium Maximum mit seinen 450 Plätzen war vollbesetzt, als die Universität Potsdam dort am Mittwochabend das 20. Jubiläum ihrer Gründung mit einem Festakt beging. Politiker und Vertreter aus der Wirtschaft waren geladen, Gründungsveteranen, die Präsidenten aller Hochschulen in Brandenburg und Berlin. Aber die richtige Feierstimmung wollte nicht aufkommen. Die Sorge um die Zukunft der Hochschule vor dem Hintergrund der geplanten Millionen-Kürzungen ist derzeit größer als die Freude über das Erreichte.

Zum Beispiel bei Thomas Grünewald, dem amtierenden Präsidenten der Universität. Nach der Aufzählung der in den vergangenen Jahren aufgebauten zukunftsträchtigen Forschungsbereiche und der Erfolge bei den Studierenden, nach der Beschwörung des charakteristischen „UP-Faktors“ – laut Grünewald besteht er in der richtigen Mischung von Pragmatismus, Zielorientierung, Offenheit, Neugierde, Dialogbereitschaft und Toleranz – gipfelte seine Festrede in einem Hilferuf an die Landesregierung: „Obwohl keiner mit weniger mehr kann, können wir mit weniger wirklich nicht mehr!“ Die Uni Potsdam sei „Brandenburgs Tor zu jungen Menschen und zu den Fachkräften von morgen“, betonte Grünewald. Allein 2010 hätten 2800 Studierende die Uni mit Abschluss verlassen.

Auch Informatikstudent Alexander Gayko, der im AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) das Finanzreferat verantwortet, kritisierte die Sparpläne scharf: „Wir müssen gemeinsam mit den Professoren versuchen, die Uni davor zu schützen, kaputt gespart zu werden“, sagte er. Eine klare Warnung vor Mittelkürzungen kam auch von der SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein. Die Einsparungen könnten „die weitere positive Entwicklung der Uni gefährden“, sagte sie: „Wir brauchen mehr Mittel und nicht weniger.“ Wer an diesem Abend aber ein erlösendes Wort von Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos), der früheren Präsidentin der Uni, erhofft hatte, wurde enttäuscht: Es sei klar, dass „finanzielle Ressourcen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen müssen“, sagte sie in ihrer Rede. Mehr als die „volle Unterstützung für die weitere Profilierung der Universität“ versprach sie allerdings nicht. Kunst plädierte stattdessen für Flexibilität: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert“, zitierte sie den italienischen Schriftsteller Guiseppe Tomasi di Lampedusa.

Verändert hat sich in den vergangenen Jahren an der Uni bereits einiges. Erinnert wurde etwa an die umstrittene Umstrukturierung der Studiengänge zum europäischen Bachelor-Master-System im sogenannten „Bologna-Prozess“. Mehr als 20 000 Studierende in rund 30 Disziplinen zählt Brandenburgs größte Hochschule heute. Sie belebten nicht nur die Stadt, sie seien auch „die besten Botschafter für Potsdam nach außen“, betonte Victor Stimming, Chef der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Angesichts der Sparpläne müsse die Uni ihre Ausrichtung gut überdenken. Er wünsche sich mehr Absolventen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Man wolle Studierende im IHKBezirk zukünftig mit 20 „Deutschlandstipendien“ fördern, kündigte Stimming zudem an. Dabei erhalten die Studierenden ein Jahr lang pro Monat 300 Euro – die Hälfte davon übernimmt der Bund.

Software-Milliardär Hasso Plattner hat der Uni sein größtes Geschenk bereits vor zwölf Jahren gemacht: Das nach ihm benannte und privat finanzierte Institut für Softwaresystemtechnik am Campus Griebnitzsee ist eine der Erfolgsgeschichten der Hochschule geworden. „Das hat alles fantastisch geklappt“, resümierte Plattner. Das Land müsse weiter in die Ausbildung investieren, sagte er und regte eine Zusammenarbeit zwischen Potsdam und der Technischen Uni Cottbus an: „In Potsdam fehlen die Ingenieure.“

Hartmut Dorgerloh, der Direktor der Schlösserstiftung, hat vor allem die Bauten im Blick, wenn er sich eine konsequentere Entwicklung am Neuen Palais wünscht. Nach den „ersten wilden Jahren“ müsse eine „Langzeitplanung“ her. Im Park Babelsberg, wo in der DDR-Zeit entstandene Uni-Gebäude mittlerweile verschwunden sind, sei das vorbildlich geschehen. Aber auch an einer engeren wissenschaftlichen Zusammenarbeit sei die Stiftung interessiert: „Wir sind nicht bloß eine touristische Versorgungsanstalt.“ Dass die Universität Kooperationspartner für die Ausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen 2012 ist, sei ein guter Anfang.

Und dann ist es Zeit für den Abschied am Neuen Palais. Die weißen Gestalten mit den weißen Schirmen sind wieder da. Kein Wort. Aber immerhin lassen sie die Gäste nicht im Regen stehen.

In: Potsdamer Neueste Nachrichten, 15.07.2011, S. 10

Kai Gondlach  [15. Juli 2011]

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