Logo

» presse/Rede des AStA auf dem Neujahrsempfang der Uni 2015



Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

vor ein paar Wochen konnten die Studierenden der Universität Potsdam eine Mail in ihrem Postfach finden, aus der ich nun folgende Zeilen kurz zitieren möchte:

„die unglaublichen Ereignisse in Paris haben auch viele von uns mitten ins Herz getroffen. Ein derart feiger Angriff auf unsere Werte, auf Demokratie, Aufklärung und Religionsfreiheit darf nicht hingenommen werden. Eine Universität als Ort des freien Denkens ist auf die Wahrung dieser Werte angewiesen und sie muss im Gegenzug kontinuierlich zur Sicherung dieser Werte beitragen.“

Vielen Dank an dieser Stelle an Herrn Prof. Dr. Günther für diese Worte. Wir möchten heute versuchen, sie ein wenig weiterzudenken. Gerade wir als AStA bekommen die zunehmende Entdemokratisierung der Uni zu spüren.

Immer weniger Studierende sind sich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten bewusst und haben die nötigen Ressourcen, um diese nutzen zu können. Die Uni sollte ein Ort sein, an dem man sich Wissen selbstständig und kritisch aneignen kann.

Das die Realität gegenwärtig eine andere ist, bekommt man schon beim Hochschulzugangsverfahren zu spüren.
Oftmals selektieren NC-Grenzen von vornherein nach Kriterien, die weder Eignung fürs Studieren, noch Begeisterung fürs Studienfach wiederspiegeln können. Auch wenn man einen Studienplatz bekommen konnte, dominiert das Konkurrenzdenken und der enorme Leistungsdruck in vielen Köpfen der Studierenden.

Das Einstampfen der Studiengänge in Bachelor und Master und die Tatsache, dass nicht jede und jeder Studierende überhaupt einen Masterplatz bekommt, bieten den Nährboden dafür. Wie sollen Menschen Toleranz und Solidarität entwickeln, wenn sie sich in einem ständigen Konkurrenzkampf befinden? Wie demokratisch und frei ist das Bildungssystem, wenn man keine Mitbestimmungsmöglichkeiten hat?

Die Studierenden müssen Mitspracherecht bekommen, wenn es um Lehrinhalte geht! Die autonome Aneignung von Wissen und die kritische Reflexion dessen muss gelernt werden! Ein Mensch, der laut Studienordnung eine 40 Stunden Woche bestreiten muss, der sich nebenbei um seinen Lebensunterhalt zu kümmern hat und versucht Freunde und Familie mit dem Studium zu vereinbaren, hat kaum eine Chance noch gesellschaftliches Engagement zu zeigen und sich die oben genannten Werte so zu erarbeiten, dass sie unanfechtbar sind. Worin besteht die Freiheit, wenn man mit Klagen juristisch dafür kämpfen muss, sein Studium überhaupt fortsetzen zu dürfen? Stellen Sie sich so einen Ort des freien Denkens vor?

Wie schön muss der Traum in Bologna gewesen sein, als es hieß, ein einheitliches Studium in Europa zu schaffen, um Brücken auf- und Mauern abzubauen. Um den heranwachsenden Menschen mehr Flexibilität zu versprechen. Und was ist daraus geworden? Die bürokratischen Hürden einen Schein in einer Universität der Nachbarstadt zu erwerben, sind so hoch, dass die meisten Studierenden hier lieber verzichtend abdanken. Um sich mit einem Bachelor an einer zweiten Uni zu bewerben, bedarf es einiger Prüfung, Zeit und vor allem Nerven – der Studierenden.

Die Ökonomisierung, die auch vor der Bildungspolitik und Lehre nicht Halt gemacht hat, forciert eine immer größere Anpassung der Studierenden an die kapitalistische Verwertungslogik. Gesellschaftlicher Mehrwert, die Teilhabe aller und solidarische Alternativen abseits des Kapitalismus sind kaum noch Kriterien, nach denen das Studium ausgerichtet wird. Wir denken, dass das wieder der erste Schritt zur Sicherung der Werte sein muss und nicht „Regelstudienzeit“ und „Karriere“ als die scheinbar magischen Worte derzeit.

Wir fordern mehr studentische Mitbestimmung um den Studienalltag wieder den Lebensrealitäten der Studierenden gerecht werden zu lassen. Wir wünschen uns nicht vor die Wahl gestellt zu werden ob gesellschaftliches Engagement, Gestaltung und Partizipation in studentischen Initiativen und Hochschulpolitik ODER Studium, weil sich beides kaum mehr ernsthaft vereinbaren lässt.

So möchten wir uns Prof. Dr. Alexander Wöll anschließen und darin bestärken für ein Studium zu kämpfen bei dem politisches Engagement wichtiger ist, als die Regelstudienzeit einzuhalten. Die Uni als Ort von politischen Möglichkeiten und freier Entfaltung der eigenen Persöhnlickeit zu verstehen und nicht nur als Ort des stupiden Wissenserwerbs, dafür werden wir weiter kämpfen.

Der AStA hoffte auf die Vernunft der Landesregierung, sich in der Novelle des BbgHG den Realitäten der Hochschulen wieder ein Stück anzunähern. Die Novelle blieb jedoch insgesamt weit hinter den Erwartungen der brandenburgischen Studierendenschaften zurück! Unsere Forderungen waren klar:

  • Master für alle! Ein Rechtsanspruch aller Studierenden mit Bachelor-Abschluss auf einen Master-Platz.
  • Weg mit den versteckten Studiengebühren! Die 51€ „Immatrikulations- und Rückmelde“-gebühr galt es aus dem Gesetz zu streichen
  • Barrieren abschaffen! Verbesserung des Teilzeitsstudiums gesetzlich erzwingen
  • Verbot der Zwangsexmatrikulation! Menschen, die jahrelang Arbeit in ein Studium gesteckt haben, ohne Abschluss stehen zu lassen, hilft niemandem. Weder der Wirtschaft, noch den Unis – die von jedemAbschluss finanziell profitieren und am wenigstens den Menschen selbst, welche sich plötzlich an einem ungewissen Punkt in Ihrem Leben befinden.
  • Stopp der prekären Situation des Lehrpersonals!
  • Gerechte Mitbestimmung für alle Statusgruppen der Hochschule! Vor mehr als 40 Jahren, als Studierende zuletzt versuchten den Muff von „Tausend Jahren“ loszuwerden, steuerte die Judikative dagegen. Den Professor*innen wurde mehr oder weniger – eher mehr – eine absolute Mehrheit in den meisten relevanten Fragen gegeben. Bis heute beruft man sich fleißig auf dieses Urteil des Verfassungsgerichts. Wir forderten die Legislative Brandenburgs auf, sich gegen den Muff von 40 Jahren zu stellen. Wie zum Hohn wurden Studierenden 30 Prozent mehr Stimmrecht bei Entscheidungen, welche Studium und Lehre betreffen, zugesprochen. Das hilft uns jedoch nicht, da die Professor*innen noch immer mit 50 Prozent alles im Alleingang entscheiden können und dazu leidet nur der Mittelbau, denn deren Mitbeteiligung sinkt.

Wie wir erkennen können, wenig bis gar nichts wurde von den Forderungen umgesetzt. Demokratische Mitbestimmung sieht unserer Meinung nach anders aus.

Hinzu kommt, dass es an der Universität immer noch keine Ethikkommission gibt, die sich kritisch mit Forschung zu nicht friedlichen Zwecken auseinandersetzt. 

Studentisches Engagement für die Errichtung einer solchen Kommission sowie der Wille zu Mitspracherecht, stieß bisher auf keinen fruchtbaren Boden seitens der Universität. Wir werden von unserer Forderung nach einer Universität, die nicht mit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie kooperiert, nicht abrücken. Die Abkehr von diesen Verflechtungen ist essenziell, wenn es ein Umdenken in Richtung proaktive Friedensforschung geben soll. Auch hier muss die Aufgabe, der Sicherung der demokratischen Werte, ernst genommen und vor allem vor die finanziellen Belange gestellt werden!

Denn ein großes Problem, dass zunehmend die Qualität der Lehre leiden lässt, ist nach wie vor die nicht ausreichende Finanzierung der Hochschulen durch die Landesregierung. Dadurch ist die Universität in immer größerem Maße gezwungen, sich von Einnahmen aus Drittmitteln abhängig zu machen. Das daraus gravierende Probleme resultieren, konnte der AStA in diesem Semester vor allem anhand der Personalpolitik der Universität erkennen. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen rutschen von einer Befristung in die Nächste, da die Honorare aus Drittmitteln finanziert werden müssen. Besonders prekär wird es für Lehrbeauftragte, wie auch für die Student*innen, wenn Kurse aufgrund auslaufender Stellen mitten im Semester abgebrochen werden müssen. Es ist ein Skandal, dass die freiwerdenden Bafögmittel in dieser Situation nicht zu einem größeren Teil in die Hochschulen fließen!

So bleibt Brandenburg weiterhin bundesweites Schlusslicht, wenn es um die pro Kopf Ausgaben für jeden Studierenden geht. Statt dessen werden mit Millionenaufwand duale Studiengänge unterhalten, für die es offenkundig nicht den nötigen Bedarf gibt, wie jetzt aus einer kleinen Anfrage der Linken hervorging. Wir gehen in diesem Punkt klar mit dem Präsidium der Uni d’accord und fordern ein zielgerichtetes Einsetzen der Gelder!

Zu guter Letzt muss eine Universität als Ort des freien Denkens Freiräume bieten und aus sich heraus erschaffen. Wir denken da an das Lesecafé in Golm, das Café Eselsohr in Griebnitzsee und natürlich an das KuZe, als einzigartiges Projekt einer Studierendenschaft. Wir denken an die zahlreichen Veranstaltungen, die der AStA Jahr für Jahr auf die Beine stellen kann und die Projekte, die wir mit studentischen Mitteln unterstützen können. Dafür sind wir sehr dankbar! Jedoch bekommen wir auch zu spüren, dass Potsdam zunehmend an Attraktivität einbüßt. Viele Studierende sind gezwungen täglich von Berlin oder umliegenden Städten zu pendeln, weil die Wohnungssuche in Potsdam mit studentischem Budget oft erfolglos bleibt.

Die Ausfinanzierung der Studentenwerke muss umso mehr eine zentrale Rolle in der Bildungspolitik einnehmen. Es ist nicht hinzunehmen, dass für Studierende wichtige Angebote wie die Sozialberatung, Jobberatung sowie die Psychologische Betreuung durch weitere Kürzungen in Gefahr sind. Wir werden weiterhin gemeinsam mit dem Studentenwerk zusammenarbeiten und geeint für diese Ziele eintreten.

Wir werden als AStA weiter dafür kämpfen, dass die „Universität als Ort des freien Denkens“ nicht als leere Worthülse im Raum stehen bleibt. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Universität zur Wahrung der menschlichen Werte beiträgt. Wir freuen uns, diesen Kampf im kommenden Jahr, mit Ihnen gemeinsam anzugehen.

Elisa Kerkow  [29. Januar 2015]

« zurück zur letzen Seite | zum Seitenanfang