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» themen/rückmeldegebühren/Neue Hürde beim Hochschulzugang für Nicht-EU-Bürger



Wenn sich ein Syrer an der Potsdamer Uni bewirbt, so erfordert dies mehr Arbeit als wenn sich eine Sächsin bewirbt. Es muss beispielsweise überprüft werden, ob die sprachliche Qualifikation ausreichend ist und ob der heimatliche Schulabschluß kompatibel ist mit der deutschen Hochschulzugangsberechtigung (Abitur). Dieser objektiv vorhandene Mehraufwand wird begleitet von dem Vorurteil, dass „die meisten Marokkaner sich doch sowieso nur auf blauen Dunst hin bewerben ohne wirklich eine Chance zu haben.“ (Zitat aus dem Dezernat 2 für Studienangelegenheiten). Und trotzdem müssen diese Bewerbungen sachlich korrekt bearbeitet und die Ablehnungen verschickt werden. Dies alles kostet Zeit und Geld. Und davon hat die Uni nicht genug. Weil sie mit diesen Problemen nicht alleine steht und „der Ausländer“ sich „meist regionalspezifisch“ bewirbt (also nur in Berlin und Brandenburg, aber nicht in Kiel) entstand die Idee einer Agentur, diese diese Bewerbungen zentral sammelt, sachlich auswertet und die fachliche Qualifikation und die endgültige Entscheidung über Zulassung oder Ablehnung den Unis überlässt – freilich mit einer Empfehlung. Inzwischen ist daraus ein deutschlandweites Modellprojekt geworden, das von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) federführend zusammen mit den Berlin-Brandenburger Unis gestaltet wird. Im nächsten Jahr soll es los gehen.

Da dieser Mehraufwand im Vergleich zu deutschen BewerberInnen in der Tat existent ist und unser Akademisches Auslandsamt chronisch überlastet ist (besonders zu Spitzenzeiten, in denen die meisten Bewerbungen eintreffen), wäre gegen eine zentrale Stelle, die die allgemeinen formalen Voraussetzungen überprüft, unter Umständen nicht so viel auszusetzen. Die Universitäten werden entlastet, und die ausländischen BewerberInnen müssen sich nicht um fünf verschiedene Adressen kümmern, an die die Bewerbungen gerichtet werden müssen. Eine einzige Bewerbung bei ASSIST unter Nennung der Wunsch-Unis reicht aus.

Es bleibt das Politikum, dass Nicht-EU-BürgerInnen anders behandelt werden als Menschen mit dem „richtigen“ Pass.

Darüber kann man vielleicht angesichts der oben genannten Vorteile(?) noch hinwegsehen, aber so eine Agentur muss logischerweise auch mit Personal besetzt werden. Nach einem ersten Vorschlag sollen diese MitarbeiterInnen zum Teil von den Unis kommen, die ja dadurch weniger Arbeit haben. Unterm Strich bleibt die Überlastung also, weil mit der Arbeit auch die Menschen gehen und sich nicht weniger Arbeit auf mehr Angestellte verteilt.

Das viel Gravierendere an dieser Angelegenheit ist die Tatsache, dass nach den ersten Entwürfen die AusländerInnen für die Bewerbungen Geld bezahlen sollen. Für die erste Uni sind sie mit 40 Euro dabei, für jede weitere mit 10! Da haben wir es wieder. Private Beteiligung an der Finanzierung des Bildungssektors. Und wer wird diesmal zur Kasse gebeten? Die Nordafrikaner, haben eh keine gute Lobby hier.

Die Frage stellt sich nun, wer es sich leisten können wird, ohne Erfolgsgarantie ca. 70 Euro für Bewerbungen auszugeben. Besonders vor dem Hintergrund, dass das monatliche Einkommen einer vietnamesischen Schulabgängerin ca. 100 Euro im Monat beträgt. Ergo muss mensch zur „herrschenden Klasse“ im Herkunftsland gehören, um damit das nötige Kleingeld und/ oder die Kontakte zu haben oder mensch braucht ein Stipendium, zum Beispiel von einer politischen Stiftung aus Deutschland oder dem DAAD. Will man dort Geld bekommen, muss man auch (zumindest ansatzweise) die politische Richtung der jeweiligen Stiftung vertreten. Zugespitzt: Die Elite von heute züchtet sich ihren eigene Nachwuchs.

Natürlich ist ASSIST jetzt nicht allein dafür verantwortlich zu machen, wer es sich leisten kann, in Deutschland zu studieren. Aber vor dem Anspruch einer „weltoffenen Gesellschaft“, die „im globalen Kampf um die besten Köpfe“ bestehen will, und Universitäten als Aushängeschild des „Wissensstandorts Deutschland“, die alle das Ziel der „Internationaliserung“ verfolgen, sollten sich die EntscheidungsträgerInnen die Frage gefallen lassen, ob die zunehmende soziale Selektion, die mit ASSIST nach dem derzeitigen Planungsstand Fakt werden wird, vertretbar ist. Auch in Zeiten von angeblich knappen oder gar leeren Kassen lässt ein energischer politischer Wille so manchen Gestaltungsspielraum offen.

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Arne Karrasch  [16. September 2003]

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