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Streik als letztes Mittel ist nicht ausgeschlossen

Potsdamer Studenten verkündeten lautstark ihre Bildungs-Forderungen an die Landesregierung

13.12.03, Neues Deutschland, Autorin: Susanne Götze

Mit Trommeln und Pfiffen machten rund 500 Potsdamer Studenten auf die Bildungsmisere im Land aufmerksam. Bei einer Demo in der Innenstadt verkündeten sie am Donnerstagabend den zum Teil erstaunten Passanten lautstark ihre Forderungen an die Landesregierung. Sie wenden sich gegen Studiengebühren, die Selektion bei dem neuen Bachelor-Master-Studiensystem sowie gegen strenge Hochschulzugangsberechtigungen. Sie verlangen mehr Mitspracherechte in den Gremien der Universität, die Rücknahme der Kürzungen bei den Studentenwerken sowie Tarifverträge für studentische Beschäftigte.

Dieser Aktion waren am gleichen Tag zahlreiche andere vorangegangen: eine morgendliche Weckdemo, öffentliche Studienplatzversteigerungen oder Vorlesungen im Freien. Bereits am Mittwoch war es zur größten Vollversammlung in der Geschichte der Potsdamer Universität gekommen. Nach turbulenten Diskussionen verabschiedeten dort mehr als tausend Studenten die Forderungen an die Landesregierung. Einem Antrag auf Streik, den ein Kommilitone eingereicht hatte, wurde nicht stattgegeben. »Der Streik ist das letzte Mittel, das man sich noch aufheben sollte«, sagte ein Sprecher. Viel Kritik gab es an der Finanzierungslogik der Landesregierung, die, statt in die Bildung zu investieren, die Gelder lieber in diverse gescheiterte Unternehmen wie die Chipfabrik oder CargoLifter gesteckt habe. »Die Hochschulen werden immer mehr nach ökonomischen Kriterien wie Effizienz und Selektion ausgerichtet«, schimpfte Arne Karrasch vom Aktionsbündnis gegen Sozialabbau.

Tatsächlich leiden die 13 Hochschulen des Landes unter chronischer Unterfinanzierung. Zwar soll 2004 nicht gekürzt werden – die Regierung wirbt sogar mit einer Etaterhöhung von zehn Prozent, wovon allerdings nur ein Prozent den Universitäten direkt zugute kommt –, aber in vielen Bereichen ist schon seit zwei Jahren das Ausgabeniveau auf null gefahren worden. Bibliotheken können keine neuen Bücher und Zeitschriften mehr kaufen, Professoren Literatur nur unter strengen Auflagen bestellen, und die Hörsäle werden von Jahr zu Jahr voller. Nach Angaben des Landesbetriebs für Datenverarbeitung und Statistik studieren in diesem Jahr im Land mit knapp 40000 Studenten 5,2 Prozent mehr als im vergangenen Wintersemester. Doch jährlich würden mehr studentische Hilfskräfte entlassen, und die Zugangsbeschränkungen für Erstsemester verschärften sich ständig, so ein Studentensprecher.

Um die Gelder möglichst effizient zu verteilen, sieht die Regierung vor, den Universitäten ab 2004 keine Pauschalbeträge, sondern leistungsbezogene Gelder zu überweisen. »Wer mehr Bildung produziert, kriegt mehr Geld«, beschrieb Karrasch das neue Finanzierungssystem. Die Universitäten bekämen Geld für jeden Absolventen, der sein Studium in der Regelstudienzeit abschließe. »So wird Bildung zur Ware«, stellte er verbittert fest. »Der Staat stiehlt sich aus seiner Verantwortung«, konstatierte Christine Scholz vom Freien Zusammenschluss der Studentenschaften (FZS). Sie machte erneut deutlich, dass mögliche Studiengebühren ab 1. Semester 2004 noch nicht vom Tisch sind.

Die Studenten wollen die Proteste im kommenden Jahr fortführen.. »Die Politiker spekulieren, dass nach Weihnachten alles vorbei ist«, so ein Sprecher des Asta, »doch dann werden wir hier in Brandenburg erst richtig loslegen!«

Quelle: Neues Deutschland

Frank Richarz  [15. Dezember 2003]

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