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» presse/presseschau/Studentenproteste auch in Brandenburg? (ND, 05.12.03)



Studentenproteste auch in Brandenburg?

Streik in Potsdam fraglich/Angst vor Gebühren

05.12.03, Neues Deutschland, Autorin: Susanne Götze

Die Studentenproteste in Berlin scheinen kein Ende zu nehmen. Nun wollen auch die Potsdamer nicht länger stillhalten.

Seit Wochen sind die Berliner Studenten nun schon auf den Straßen, um gegen die geplanten Kürzungen der Mittel für die Hochschulen und die Ökonomisierung der Bildung zu protestieren. Auch in Cottbus, Erlangen und über 14 anderen deutschen Universitäten scheint es zu brodeln, nur von Potsdam hat man bislang nicht viel gehört. Doch ab nächste Woche will die Brandenburger Uni nachlegen. In Golm, einer der vier Universitätsstandorte, hängt ein buntes Laken über dem Eingang des Hauptgebäudes: Heute Berlin – Morgen wir?

Auf der ersten Studentenversammlung in Golm am Mittwochnachmittag informierten Vertreter des AStA, der Fachschaften und des Studentenparlaments die Studierenden über die Situation der Universität. Im Unterschied zu Berlin steht die Hochschule nicht vor neuen Kürzungen. »Eigentlich dürften wir gar nicht protestieren«, so ein AStA-Vertreter. Denn die Hochschulzuschüsse seien in Potsdam sogar erhöht worden. Von den zehn Prozent, die jetzt mehr für die Potsdamer Hochschule ausgegeben werden, flössen allerdings neun Prozent in die Gehälter der Mitarbeiter. »Sie ködern uns mit der Etatsteigerung«, erklärte Lina Weiss von der Fachschaft Biologie.

Hinzu kommt, dass Brandenburg nicht gerade für seine Bildungsförderungen berühmt ist. Das Land hat bundesweit die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben für die Hochschulbildung. Als der Betrieb der Uni Potsdam Anfang der 90er Jahre anlief, plante man noch 300 Dozenten ein. Bis heute sind es nicht einmal 200. Trotzdem werden es jedes Jahr mehr Studenten. Schon letztes Jahr gab es Proteste der Studierenden wegen überfüllter Hörsäle und des Haushaltsstopps für Bibliotheken.

Dieses Jahr erwirtschaftete die Universität ein Defizit von acht Millionen Euro. Neben den Uni-internen Problemen gibt es außerdem noch genug Konfliktfelder, die die Potsdamer Studenten mit den Berliner Streikenden verbinden. In erster Linie geht es natürlich um die Studiengebühren. »Wer von euch hat denn eben mal 500 Euro für Vater Staat übrig?«, ruft Lina Weiss erregt den Studenten zu. Die Biologiestudentin beschäftigt sich schon eine Weile mit dem Behördenkrieg zwischen Uni, Studierenden und dem Landtag.

»Nach der nächsten Landtagswahl sehe ich schwarz«, seufzt sie, den erwarteten Sieg der CDU im Hinterkopf. Denn dann kämen die Studiengebühren bestimmt. Auf die Frage, wie sich die Studentin die Zukunft an der Universität Potsdam vorstelle, antwortet sie schulterzuckend: »Die Uni wird es in der Form nicht mehr lange geben.« Die Universität Potsdam werde voraussichtlich mit der Freien Universität zusammengelegt. Außerdem werde durch die strukturelle Veränderung an den Hochschulen, wie mit dem Bachelor-Master-System, die traditionelle Universität sehr bald der Vergangenheit angehören.

Obwohl der Unmut der Studenten auch hier täglich zunimmt, begnügt man sich mit Solidaritätsbekundungen und aktiver Unterstützung bei den Berliner Streiks. Zwar sind nächste Woche in Potsdam auch Aktionen geplant, zum Streik soll es aber nicht kommen. »Wir haben hier nicht die Möglichkeit so zu streiken wie in Berlin«, erläuterte Weiss. Die Universität sei mit ihren vier Standorten zu dezentral organisiert und es seien zu wenig Studierende vorhanden, die die Streikposten einnehmen könnten. Ziel der Potsdamer Aktionen solle es sein, die Mitstudenten und die Gesellschaft für die Bildungsproblematik zu sensibilisieren.

Quelle: Neues Deutschland

Frank Richarz  [5. Dezember 2003]

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