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» themen/hochschulpolitik/Gutachten des Bundestages zu Studiengebühren



Die Einführung von Studiengebühren wird inzwischen von fast allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland erwogen. Die Voraussetzung für die Erhebung von Studiengebühren ist jedoch die Implementierung eines umfassenden Stipendiensystems, um auch weiterhin sozial schwächeren Studierenden ein Studium zu ermöglichen und Abschreckungseffekte zu vermeiden. Dabei sollten die in den untersuchten Ländern aufgetretenen Fehlentwicklungen jedoch vermieden werden.

An dieser Stelle sollen deshalb die Vor- und Nachteile von direkten Studiengebühren bzw. nachgelagerten Studiengebühren noch einmal kurz aus der Sicht der beteiligten Akteure (Staat/ Bundesland, Hochschule, Studierende) dargelegt werden.

Aus der Sicht der Hochschulen sind sofort fällig werdende Studiengebühren von Vorteil, sofern sie den Hochschulen unmittelbar und ungekürzt zufliessen. Das Beispiel Australiens macht sogar deutlich, dass beim sogenannten Up-Front-Paying den Studierenden Rabatte eingeräumt werden können, wenn sie die Gebühren im Voraus zahlen. Davon profitieren allerdings in erster Linie vermögende Studierende, während sich das Studium für wenig vermögende Studierende aufgrund der Verzinsung im Verhältnis verteuert und sich deren Bildungsrendite verringert. Werden die Studiengebühren allerdings erst nachträglich erhoben, sinken die Chancen der Hochschulen, zusaetzliche Mittel einzunehmen, da eine zentrale Verwaltungseinrichtung, wie z.B. die Steuerverwaltung, diese Gebühren einfordern muss. Insgesamt ist für die Hochschulen eigentlich nur interessant, inwieweit sie an den zusätzlichen Einnahmen durch Studiengebühren beteiligt sind, ohne dass sich die staatlichen Ausgaben fuer den universitären Bereich dabei vermindern. Eine Verbreiterung der Finanzlage der Hochschulen durch Studiengebühren konnte in den untersuchten Staaten nicht festgestellt werden, da sich die öffentliche Hand in diesen Staaten jeweils in gleichem Masse aus ihrer finanziellen Beteiligung zurückzog.

In Österreich und England, die erst vor kurzer Zeit Studiengebühren eingeführt haben, bleibt abzuwarten, ob ein Rückzug staatlicher Bildungsfinanzierung im Hochschulbereich stattfindet.

Aus der Sicht des Staates/ Bundeslandes ist die Erhebung von Studiengebühren dann von Vorteil, wenn diese Gebühren einbehalten und der Bildungsetat um diese Summe entlastet werden kann. Dies trifft um so mehr zu, wenn der Staat ein Stipendiensystem unterhält und die Ausfallbürgschaft fuer nicht zurückgezahlte Stipendien übernimmt. Eine solches Stipendiensystem einschliesslich einer entsprechenden Ausfallbürgschaft könnte auch auf Länderebene organisiert werden. Aus organisatorischen Gesichtspunkten erscheint aber eine zentrale Abwicklung über die bestehende Steuerverwaltung geeigneter. Allerdings kann der Staat bzw. ein Bundesland auch eine nachgelagerte Erhebung von Studiengebühren präferieren, wie das Beispiel Schottland zeigt. Dass der Rückfluss der Darlehen dadurch erst nach Abschluss des Studiums nach etwa fünf oder sechs Jahren einsetzt, wird dabei billigend in Kauf genommen. In keinem der untersuchten Staaten konnte schlüssig die „Sozialverträglichkeit von Studiengebühren dargelegt werden. Man hat auch nicht den Eindruck, dass die Staaten ein besonderes Interesse an der Gewinnung solcher amtlichen Statistiken entwickeln.

Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, wonach Studiengebühren zu einem zügigeren Studienverlauf führen, konnte mit Ausnahme eines gewissen Abschreckungseffekt auf Langzeitstudierende­ nicht belegt werden.

Aus der Sicht der Studierenden ist die Erhebung von Studiengebühren eher unerwünscht. Die These, wonach Studenten durch die Einführung von Studiengebühren mehr Einfluss auf ihre eigene Situation nehmen und aktiver für ihre Belange eintreten werden, entspricht eher theoretischem Wunschdenken als

der Realität. Sollten Studiengebühren jedoch in der Zukunft erhoben werden, werden nachgelagerte Studiengebuehren offensichtlich am ehesten akzeptiert, zumal wenn sie möglichst gering ausfallen und ihre Rückzahlung an ein Mindesteinkommen gekoppelt sind.

Dies beweist nicht nur der direkte Vergleich der neu Immatrikulierten zwischen England und Schottland, sondern auch eine neue Umfrage der Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen (forsa) vom November dieses Jahres, die im Auftrag des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) durchgeführt wurde. Die Umfrage ermittelte, dass 59 Prozent der Studierenden der Einführung einer Studiengebühr in Höhe von 500 Euro pro Semester zustimmen würden, wenn „die Mittel unmittelbar der Hochschule zugute kämen und zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt wuerden. Weitere Bedingung ist, dass die Gebühr erst nach Beendigung des Studiums fällig wird, wenn eine gewisse Einkommensgrenze überschritten wird. Vor drei Jahren war diese Zahl bei derselben Frage noch 12 Prozentpunkte geringer. Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass 94 Prozent der Studierenden und 72 Prozent der

Bevölkerung Studiengebühren ablehnen, wenn diese nicht sozialverträglich abgesichert sind und dem allgemeinen Landes- und Bundeshaushalt zufliessen. Eine Aussicht auf Verjährung der Schulden, wie z.B. in Holland nach 15 Jahren und nicht erst zur Pensionierung wie in Australien, erscheint ebenfalls tauglich, Abschreckungseffekten bei Studierenden aus sozial schwachen und eher bildungsfernen Bevölkerungsschichten entgegenzuwirken.

komplettes Gutachten

Peer Jürgens  [23. März 2004]

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