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Der 7. AStA setzt neue Schwerpunkte

Das Referat für Geschlechterverhältnisse startet durch

Wenn AStA-Referate an neue Menschen übergeben werden, dann liegen im Idealfall Projekte und Schwerpunkte vor, die weiterhin bearbeitet werden können und/oder müssen. Wir befanden uns bei der Übernahme des Referates in der besonderen Situation unsere Schwerpunkte, Inhalte selbst zu wählen, ohne der Arbeit vorheriger Referate widersprechen zu müssen. Wir können unsere eigenen Maßstäbe setzen…

Von vielen wird die Frage gestellt: wozu ein solches Referat in der studentischen Selbstverwaltung einrichten, wenn doch der Anteil der Frauen unter den Studierenden bei 57% liegt.

Hierzu können wir sagen, dass auch mit einem relativ ausgewogenen Anteil von Frauen und Männern unter den Studierenden nicht automatisch eine Gleichstellung oder gar Gleichberechtigung eintritt.

Dies liegt an verschiedenen Fakten, die hier nur angedeutet werden:

Als Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst vereinzelt Zugang zu den Universitäten fanden und später immer mehr Frauen zu einem Studium zugelassen wurden, empfing mann sie nicht immer mit offenen Armen. Viel zu oft waren es patriachale Stereotypen, die Professoren, Doktoren, Dozenten dazu veranlassten, Frauen aus ihren Seminaren auszuschließen, sie schlechter zu bewerten, sich abfällig über sie zu äußern usw. Auch jetzt sind die Strukturen der Universitäten nahezu unverändert. Junge Frauen, die einen entsprechenden Abschluss vorweisen können, dürfen zwar relativ problemlos ein Studium aufnehmen, jedoch ist der Großteil der Lehrenden, ProfessorInnen, MitarbeiterInnen männlich, und die Verantwortung für diese Universität tragen bis auf wenige Ausnahmen Männer.

Bei einem Blick auf das Verhältnis von Professorinnen zu Professoren klärt sich einiges auf: 2003 waren von 220 ProfessorInnen gerade mal 47 weiblich. Das heißt, nur jede fünfte Professur wird von einer Frau bekleidet! Da fragen wir uns: Wo sind sie geblieben, die überzähligen Studentinnen? Spätestens wenn das Studium beendet ist und weitere Qualifikationen erworben werden können, stoßen Frauen nach wie vor an die berühmte gläserne Decke. Oft ist es so, dass es Studentinnen an weiblichen Ansprechpartnerinnen oder gar Vorbildern in ihrer unmittelbaren Umgebung fehlt.

Ebenso haben wir oft festgestellt, dass trotz eines hohen Anteils von Studentinnen, Lehrende nicht darauf kommen, ihr Verhalten dieser Situation anzupassen. So wird z. B. prinzipiell eine männliche Sprechweise verwendet, auch unter den weiblichen Lehrenden. In Veranstaltungen und Seminaren hört frau nicht nur den männlichen Lehrenden zu, der Sprechanteil der männlichen Studierenden ist in den Seminaren tendenziell viel höher und länger als Redebeiträge von Frauen, selbst wenn der männliche Studierende in den Seminaren unterrepräsentiert sind.

Trotz des hohen Anteils erfahren die Studentinnen wenig Unterstützung und Raum für eigene Ideenentwicklung. Weder gab es ein Frauenreferat in der studentischen Selbstverwaltung, noch gibt es Beratungsstellen für Frauen, die einzige offizielle psychologische Beratungsstelle wird von einem Mann betreut, es gibt keine Frauenräume, kaum frauenspezifische Informationsangebote (es sei denn frau fällt unter die Kategorie: „Studentin mit Kind“). Abgesehen vom sehr aktiven Lehrstuhl für Frauenforschung beschäftigt sich kaum ein Institut auch nur im Entferntesten mit der Problematik der Geschlechtlichkeit und ihren Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens. Auch sollte beachtet werden, wie die Wahl der Fächer unter den Studentinnen aussieht, und wie dadurch Stereotype über die Stellung/Aufgabe der Frau in der Gesellschaft gefestigt werden.

Was haben wir für Handlungsvorstellungen

an der Hochschule?

Wir haben uns nun für das kommende Jahr verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Zum einen war uns die Aufarbeitung der vorhergegangenen Frauenreferate sehr wichtig, jedoch sind Dokumentation und Archivierung teilweise gar nicht oder schwer nachzuvollziehen. Daraus erhebt sich für uns der Anspruch, in dieser Hinsicht im kommenden Jahr gewissenhafter zu verfahren.

Schwerpunktmäßig ist unsere Strategie vorerst, dass wir uns im ersten Semester in möglichst viele Richtungen der Frauen-, Gender- und Queerforschung und –kultur zu bewegen, um dann im zweiten Semester Schwerpunkte festzulegen, die uns für sinnvoll erscheinen.

Wichtig ist uns auch zu vermitteln, dass wir keine „Männerhasser“ sind, sondern die Mitarbeit, Unterstützung und Ideen eindeutig gewünscht sind. Hauptanspruch soll es sein, thematisch zu arbeiten und eine gewisse Öffentlichkeit an dieser Universität zu erreichen. Dies soll in Form von kulturellen Veranstaltungen der Montagskultur, in Zusammenarbeit mit der Kulturreferentin, ggf. auch mit dem Referat für Internationales umgesetzt werden. Themenspezifische Vorträge, Filmreihen, Referate, Lesungen, Frauenkneipenabende, usw. sollen ein möglichst breites Betätigungsfeld aufmachen und Raum für Diskussionen bieten.

Des Weiteren wollen wir mit der Gleichstellungsbeauftragten zusammenarbeiten. Das Gleiche gilt für den Lehrstuhl für Frauenforschung, der in der Soziologie angesiedelt ist. Auch die Frauenpolitik der Universitäten auf Bundesebene wird uns beschäftigen.

Wir möchten unsere Arbeit dennoch nicht nur auf das Feld der Hochschule beschränken. Es handelt es sich bei der Thematik von Geschlechtlichkeit um ein breites Feld, dass allen Menschen als Teil einer Gesellschaft zugänglich gemacht werden sollte. Wir werden nicht allen Aspekten dieser Vielfältigkeit gerecht werden können. Aber wir können zumindest versuchen, diese Vielfältigkeit anzudeuten und ein Bewusstsein für ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung zu wecken.

Der Name „Geschlechterverhältnisse“ wurde dabei ganz bewusst gewählt. Denn die Einteilung von Menschen in zwei Geschlechter wird der Realität nur bedingt gerecht. Auch die feministische Theorie ist immer häufiger der Kritik ausgesetzt, nur den Erfahrungshorizont der weißen Mittelstandsfrau in westlichen Gesellschaften abzudecken. Migrantinnen, women of colour, transgender, intersex und queer werden dabei meist nur am Rande betrachtet. Es wirft sich also immer wieder die Frage auf, ob es vor diesem Kontext nicht ein wenig kurz gedacht ist, sich für die Interessen DER Frau einzusetzen. Wir sind der Meinung, dass die Frauenbewegung bis zum heutigen Tag viel erreicht hat. Aber noch immer kann von der Gleichstellung der beiden gesellschaftlich anerkannten Geschlechter nicht die Rede sein.

Dieses Jahr Referatsarbeit zum Thema Frauen und Gender wird auch für uns bedeuten, sich mit verschiedenen Theorien, Utopien, Meinungen, Ansichten, Umgangsweisen zu beschäftigen, um nach und nach zu gewissen Aspekten Grundpositionen zu formulieren, zu diskutieren und gegebenenfalls zu verteidigen.

Da der ganze Text bereits immer von „wir“ und „uns“ spricht, hier noch die Information, dass wir nicht nur Kristin und Sindy sind, sondern sich bereits in den ersten Wochen interessierte Leute zusammengefunden haben, um ein gemeinsames Referat zu gestalten. Wer Bock hat: wir treffen uns jeden zweiten Mittwoch (in allen geraden Wochen) um 18.00 im Madia (Lindenstraße 47, Potsdam) mit mal mehr, mal weniger Menschen und planen das weitere Vorgehen. Also vielleicht bis bald…

Weitere Informationen erhaltet ihr auf unserer homepage, uf der auch unsere aktuell geplanten Projekte (wie z. B. FrauenNachtTaxi und FrauenKneipe) zu finden sein werden.

Sindy Brödno und Kristin Marunke

Sindy Brödno  [14. Oktober 2004]

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