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» themen/belegpunkte/Recht merkwürdig – Das Belegpunktsystem im Spiegel des geltenden Rechts



Wie im Artikel „Nein zum Belegpunktsystem“ zu lesen ist, bedeuten die Umstellungen auf das Belegpunktsystem und das studienbegleitende Prüfen einen Wechsel in der Art und Weise Leistungsüberprüfung der Studierenden. Gab es vorher am Ende des (Grund-)Studiums einen großen Prüfungsblock, so gibt es jetzt viele kleinere Leistungsüberprüfungen über die gesamten Semester hinweg verteilt. Hierbei wird der rechtliche Rahmen, der hauptsächlich durch das Landeshochschulgesetz, die Hochschulprüfungsverordnung und die jeweilige Prüfungsordnung der Uni vorgegeben ist, mindestens „gedehnt“.

Nur die in „Prüfungen“ erzielten Noten dürfen in die Abschlussnote eingehen. Diese Prüfungen müssen „in der Regel von mindestens zwei Prüferinnen und Prüfern“ bewertet werden (§ 12 Brandenburgisches Hochschulgesetz). Es gibt pro Prüfung drei Versuche. So lauten die Vorgaben.

Mit dem Belegpunktsystem wird das anders. Zum einen deklariert man nun alles als „prüfungsrelevante Studienleistung“ und versucht so den Terminus der „Prüfung“ zu umgehen. Diese Leistungen gehen nun in die Note ein und müssen bestanden werden – somit entsprechen sie den Eigenschaften, die mit einer „Prüfung“ verbunden sind. Mit zwei Ausnahmen: der Anzahl der PrüferInnen soll auf eine Person beschränkt und die Wiederholbarkeit gleichzeitig deutlich eingeschränkt werden.

Die rechtliche Grundlage dafür glaubt die Uni in der Hochschulprüfungsverordnung gefunden zu haben. Juristisch betrachtet gestaltet eine „Verordnung“ das Gesetz in manchen Fragen aus. Ob eine Ausgestaltung so weit gehen darf, das Gesetz komplett zu umgehen, ist höchst strittig. In der Hochschulprüfungsverordnung steht im § 4, dass die Wiederholbarkeit in den einzelnen Ordnungen zu regeln sei. Ebenso reicht einE PrüferIn aus. Es sei denn, man hat die „letzte Wiederholmöglichkeit“ in einem Studium.

Wann diese letzte Wiederholmöglichkeit bei dem Belegpunktsystem gegeben ist, wurde bislang von niemandem eindeutig beantwortet. Wenn ich beispielsweise nun noch 34 Belegpunkte auf meinem Konto habe und 30 Leistungspunkte brauche – muss dann jeder Schein, den ich mache und der mir 5 Leistungspunkte oder mehr bringt, von zwei PrüferInnen bewertet werden? Gilt das auch für Hausarbeiten? Eine Antwort steht aus. Die Konsequenz wäre dann, dass das beabsichtigte Ziel, den Prüfungsaufwand für die Lehrenden zu mildern, ad absurdum geführt wäre.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Hochschulprüfungsverordnung anscheinend mit zu heißer Nadel gestrickt wurde. Das ist zum einen daran zu sehen, dass nachträglich noch ein Absatz eingeführt wurde, ohne den alle neuen Prüfungsordnungen für Lehramtsstudiengänge rechtswidrig gewesen wären. Zum anderen musste das Wissenschaftsministerium eine nachträgliche Interpretationshilfe liefern. Inwieweit eine solche Interpretationshilfe, die in offensichtlichem Gegensatz zum geschriebenen Text steht, rechtlich wirksam ist, erscheint ebenfalls höchst strittig.

Im § 6 der Hochschulprüfungsverordnung sind die Prüfungsmodalitäten für Diplom- und Magisterstudiengänge geregelt. Hier finden wir Formulierungen, die dem Gesetz entsprechen: es gibt Teil- und Abschlussprüfungen, die zweimal wiederholbar sind – ein Widerspruch zu § 4 (siehe oben), der besagt, dass die Wiederholbarkeit in den einzelnen Prüfungsordnungen bestimmt werden könne. Anders ausgedrückt: Für Diplom- und Magisterstudiengänge ist das Belegpunktsystem nicht anwendbar, weil die Wiederholbarkeit weiterhin pro Prüfung festgelegt ist. Das Wissenschaftsministerium versucht sich nun herauszureden, in dem es sagt, dass die Hochschulprüfungsverordnung dahingehend interpretiert werden müsse, dass § 6 nur für die alten, noch nicht modularisierten Ordnungen gelte. In der Verordnung selbst ist diese Einschränkung nicht zu finden. Darüber hinaus merkt das Ministerium an, dass das studienbegleitende Prüfen so neu sei, dass es daher noch gar nicht im Landeshochschulgesetz berücksichtigt sei. Es werde bald eine Novellierung geben, die das neue System berücksichtige. Merkwürdig an dieser Aussage ist, dass im § 12 des Gesetzes steht „Prüfungen können auch studienbegleitend abgenommen werden“.

Fazit: Es gibt einen Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Verordnung, was das Ablegen von Prüfungen und den Leistungserfassungsprozess angeht. Die Prüfungsordnungen beziehen sich auf die Hochschulprüfungsverordnung. Und selbst hier bestehen Unstimmigkeiten bei den Diplom- und Magisterstudiengängen. Es bestehen somit juristische Möglichkeiten im Falle einer Exmatrikulation, die wegen eines leeren Belegpunktekontos ausgesprochen wird, sich wieder in das Studium einzuklagen. Treffend stellt das Wissenschaftsministerium fest, dass dieser Exmatrikulationsgrund derzeit „Gegenstand weiterer Prüfung“ sei.

Dieser kleine Aufsatz mag manchen vielleicht verwirren. Das ist nicht weiter verwunderlich, weil die Rechtslage derzeit überhaupt nicht konsistent und somit höchst unklar ist. Wer dabei ein „Opfer des Systems“ wird und sein/ihr Studium aufgrund zu vieler nicht bestandener Prüfungen abbrechen muss, könnte also überlegen, den Rechtsweg zu beschreiten. Nähere Information und Beratung vermittelt der AStA.

Anhang

neue Hochschulprüfungsverordnung (HSPV) vom 03.09.2004

in den amtlichen Bekanntmachungen der Uni vom 13.09.2004:

http://www.uni-potsdam.de/ambek/ambek2004/8/Seite%204.pdf

das gesamte Brandenburgische Hochschulgesetz (BbgHG):

http://www.brandenburg.de/media/1494/Hochschulgesetz.pdf

Arne Karrasch  [24. Februar 2005]

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