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» themen/sozialpolitik/Die Völkerrechtswidrigkeit von Studiengebühren : UN-Beschwerde des fzs : zur Erläuterung des Hintergrunds



Am 14.12.2006 hat der freie zusammenschluss der studierendenschaften (fzs), dem auch die Studierendenschaft der Universität Potsdam angehört, angekündigt, Beschwerde beim UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wegen der Einführung von Studiengebühren in Deutschland einzulegen.

Diese verstießen gegen Art. 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte (IPwksR), der die Vertragsstaaten (darunter die Bundesrepublik Deutschland seit 1976) verpflichtet, dass „der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss“.

Völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland haben, weil sie gemäß Art. 59 Abs. 2 GG durch ein Gesetz der nationalstaatlichen Legislative zu innerstaatlichem Recht erklärt werden, grundsätzlich den gleichen Rang wie einfache Bundesgesetze, die nach dem Prinzip der Bundestreue (Art. 20 Abs. 1, 31 GG) auch die Länder binden.

Hierzu legte der fzs ein Gutachten des Rechtsanwalts Wilhelm Achelpöhler vor, der mit dem Befund der Völkerrechtswidrigkeit von Studienbeiträgen zu einem ähnlichen Ergebnis kommt wie jüngst schon der Augsburger Rechtswissenschaftler Stefan Lorenzmeier LL.M. in einem Beitrag für das juristische Fachblatt Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ 2006, S. 759 ff.).

Ist der Wortlaut des oben zitierten Art. 13 IPwksR schon eindeutig, so wird der Eindruck durch Stellungnahmen des für die Überwachung der Verpflichtungen aus diesem Pakt zuständigen UN-Ausschusses (s.o.) zu dieser Vorschrift allgemein und zur Situation in Deutschland im Besonderen noch bestätigt.

So erklärt der Ausschuss in seiner Kommentierung zu Art. 13 IPwksR aus dem Jahre 1999 (Abschnitt 44), dass die vorgeschriebene „allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit“ eine dauerhafte und konkrete Verpflichtung der Staaten bedeute, so effektiv und weit wie möglich das Ziel unentgeltlicher Bildung zu verwirklichen. Rückschritte sollen nur im Ausnahmefall maximaler Ausnutzung der staatlichen Ressourcen denkbar sein (Abschnitt 45).

Speziell zu Deutschland, das wie alle Vertragsstaaten in bestimmten Zeitabständen Berichte über die Verwirklichung seiner vertraglichen Verpflichtungen abgeben muss, hat der Ausschuss in den Jahren 1998 und 2001 wiederholt festgestellt, dass das Prinzip der freien Hochschulbildung in Deutschland zunehmend entgegen der Vertragsverpflichtung aufgegeben werde.

Zwar hat diese völkerrechtliche Verpflichtung – nur – den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Jedoch ist die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland wegen Art. 1 Abs. 2, 25, 59 GG besonders völkerrechtsfreundlich, was die Bedeutung des völkerrechtlichen Vertrages faktisch steigert. So zitiert ihn das Bundesverfassungsgericht in seiner Studiengebührenentscheidung von 2005 neben den gängigen Normen des Grundgesetzes (Abschnitt 72).

Die Bundesrepublik Deutschland ist mit ihrem letzten Bericht zur nationalen Situation hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Pakt im Verzug.

Die Beschwerde des fzs hat im Rahmen des Berichtsverfahrens die Bedeutung, dass sie dem Ausschuss im Sinne einer NGO-Information Daten an die Hand gibt, die dieser – bei einem dauernden Ausbleiben des staatlichen Berichts auch allein – für seine Stellungnahme verwerten kann.

Während der Pakt nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre keine unmittelbar einklagbaren Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten begründet, so kann er in Deutschland doch in Normenkontroll- verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegenüber den Ländern geltend gemacht werden (dazu Lorenzmeier). Nur zu!

Nach diesen beiden jüngeren Stellungnahmen, die die Völkerrechtswidrigkeit von Studiengebühren in Deutschland – bislang unwidersprochen – bejahen, kann gespannt erwartet werden, wie sich die Bundesregierung hierzu positioniert.

Jörg Schindler  [15. Dezember 2006]

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