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» aktuelles/Hochschulentwicklung: Wir haben einen Plan!



Senat stimmt Hochschulentwicklungsplan nur bedingt zu

Der den Senatsmitgliedern erst am Montag zugegangene Hochschulentwicklungsplan der Hochschulleitung wurde auf der heutigen Senatssitzung nur mit Einschränkungen angenommen. So bleibt der Entwicklungsplan weiterhin „Entwurf“ und soll Grundlage für ausführliche Diskussionen innerhalb der Uni sein.

Das Präsidium sicherte zu, mit uns Studierenden in ausführlichen Austausch bei diesem Punkt zu treten. Zuvor wurde zu wenig die Kommunikation mit den akademischen Gruppen – insbesondere mit den Studierenden – gesucht.

Wir lehnen den aktuellen Entwurf in vielen Punkten ab und fordern grundlegende Änderungen. Am gestrigen Mittwoch verfassten ReferentInnen des AStA zusammen mit den studentischen Senatsmitgliedern ein Positionspapier, welches unsere Grundpositionen und einige Änderungsanträge enthält:

Stellungnahme zum Hochschulentwicklungsplan

der studentischen Senatsmitglieder und von AStA-ReferentInnen

Einleitend

Den Senatsmitgliedern sowie der Studierendenvertretung wurde der Hochschulentwicklungsplan-Entwurf erst drei Tage vor der Senatssitzung zur Verfügung gestellt. Diese Zeit ist absolut nicht ausreichend, um das Papier ausführlich zu begutachten und zu beraten. Dass insbesondere die Studierenden – die auch nicht in den Entstehungsprozess (Klausurtagungen, etc.) mit einbezogen waren –, sich erst jetzt und in so kurzer Zeit ein Bild machen können, zeugt nicht von einer partizipativen Motivation.

In unseren Augen erfordern noch zahlreiche Passagen des Papiers vor der Annahme durch den Senat einer Überarbeitung. Wir möchten darauf hinweisen, dass der gesamte Struktur- und Entwicklungsplan durchgängig gegendert werden sollte.

Demokratische Universität

Da in den Grundsätzen Wilhelm von Humboldt zitiert wird, möchten wir uns an dieser Stelle für eine wahrhafte Umsetzung des Humboldtschen Bildungsbegriffes stark machen. Laut Humboldt soll die Hochschulbildung autonome Individuen hervorbringen, die Selbstbestimmung und Mündigkeit durch ihren Vernunftgebrauch erlangen und sich gleichzeitig als Teile des Gemeinwesens, als „WeltbürgerInnen“ verstehen.

    „Allein, freilich ist Freiheit die notwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art hervorzubringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur eingeschränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.“ (ebenfalls aus „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“)

In die Akkreditierungskriterien für Studiengänge ist dieses Ideal übrigens eingegangen (siehe hier):

    „Die Qualifikationsziele beziehen sich vor allem auf die Bereiche

    • wissenschaftliche Befähigung,
    • Berufsbefähigung,
    • Befähigung zur bürgerschaftlichen Teilhabe
    • und Persönlichkeitsentwicklung“

In diesem Sinne möchten wir uns für eine demokratische Teilhabe der Studierenden wie auch aller anderen Angehörigen der Universität stark machen und beantragen, dass der Senat unsere Änderungsanträge abstimmen möge.

Redaktioneller Hinweis: Die Wiedergabe von Änderungsanträgen im Einzelnen macht ohne das zu Grunde liegende Dokument eher wenig Sinn, deshalb legen wir Euch hier sinngemäß unsere Forderungen dar:

Einfügen des Satzes „Gleichzeitig stellt die Teilhabe aller Hochschul-Angehörigen die Berücksichtigung ihrer Belange sicher und einen Beitrag zur gemeinsamen Verantwortung für die Universität dar.“ Zur weiteren Begründung sein noch angefügt: Dass die Studierenden in den Charakteristika der Universität Potsdam einzig in der Rolle als „KundInnen“ auftauchen, halten wir für bedenklich.

Der Gesamtprozesss der Hochschulentwicklungsplanung soll auch durch „Beratungen zwischen Präsidium und der Studierendenschaft, insbesondere die gemeinsame Diskussion im Studierendenparlament und mit der Versammlung der Fachschaften“ erfolgen. Dies soll an entsprechender Stelle in den Hochschulentwicklungsplan eingefügt werden.

Soziale Universität

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur strebt die Erhöhung der Studierneigung in Brandenburg an. Die Universität Potsdam möchte (auch angesichts der Verpflichtungen aus dem Hochschulpakt 2020) die Anzahl der StudienanfängerInnen halten.

Um diese Ziele zu erreichen, ist die Orientierung der Studienstrukturen an der studentischen Wirklichkeit unerlässlich:

  • Brandenburgs Studierende verfügen über ein durchschnittliches Monatseinkommen von 701 Euro, 37% müssen mit weniger als 600 Euro im Monat auskommen (aus der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (DSW), Auszählung für Brandenburg).
  • Von den Studierenden im Erststudium sind im Sommersemester 2006 in den neuen Ländern 52% nebenher erwerbstätig (aus der 18. Sozialerhebung des DSW, wie alle folgenden Zitate auch).
  • 42% stimmen der Aussage „ich verdiene während des Studiums Geld, weil es zur Bestreitung meines Lebensunterhaltes unbedingt notwendig ist“ völlig zu.
  • Zum studentischen Zeitbudget gehören für einen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegenen Anteil Studierender auch Zeiten für Erwerbstäigkeit, die mit den Anforderungen des Studiums in Übereinstimmung gebracht werden müssen und die den Ablauf der Woche auch während der Vorlesungszeit zum Teil nicht unwesentlich mitbestimmen.
  • Nur etwa ein Drittel der erwerbstätigen Studierenden hat einen Zeitaufwand von maximal einem Arbeitstag, d. h. bis zu acht Stunden. Bei zwei Dritteln jedoch liegt die Erwerbsbelastung darüber.
  • Unter den Studierenden im Erststudium arbeiten 30% mehr als 16 Stunden in der Woche. Sie können damit de facto als teilzeitbeschäftigt eingestuft werden. Die Erwerbstätigkeit erstreckt sich auf die gesamte Studienwoche.
  • Die Angaben der Studierenden zu ihrem Zeitbudget belegen jedoch seit Jahren, dass ein nicht unerheblicher Teil de facto ein Teilzeitstudium praktiziert, das heißt, dass sie ohne formale oder organisatorische Voraussetzungen an den Hochschulen (z.B. in Form entsprechender Studienordnungen) einen Studienaufwand betreiben, der unterhalb bestimmter Normwerte liegt. In den letzten Jahren ist dieser Prozentsatz sukzessive gestiegen.
  • Ein Viertel aller Studierenden praktiziert ein Teilzeitstudium.

In diesem Sinne bitten wir den Senat, der viel zu oft prekären Wirklichkeit bei der Entwicklungsplanung ins Auge zu sehen und über weitere Änderungsanträge abzustimmen: Einfügen des Satzes „Die angemessene Berücksichtigung der sozialen Situation der Mitglieder der Universität wird angestrebt.“ Ebenso soll sich die „Einführung der Möglichkeit eines Teilzeitstudiums“ im Entwicklungspan wiederfinden.

Da die tagtäglichen Probleme ausländischer Studierender – insbesondere die der freemover – oft weit über das hinausgehen, was sich die übrigen Angehörigen der Universität vorstellen können oder was das Akademische Auslandsamt (AAA) durch Service- und Beratung abdecken kann, ist eine zentrale Ansprechpartner/in notwendig, die den besonderen Interessen ausländischer Studierender auch in der Universität Potsdam Geltung verschaffen kann. Des Weiteren sieht die Grundordnung der Universität die (bisher leider nicht erfolgte) Bestellung einer solchen Beauftragten seit Jahren vor.

Deshalb soll auch die „Bestellung einer/eines AusländerInnenbeauftragten, die/der als zentrale Ansprechpartner/in und Interessenvertretung für ausländische Studierende fungiert“ im Hochschulentwicklungsplan berücksichtigt werden.

Lehre, Studium und Qualität

Der Bereich „Lehre und Studium“ stellt für Studierende das wahrscheinlich wichtigste – weil sie direkt betreffende – Handlungsfeld dar. Die Umstellung auf gestufte Studiengänge geschah leider viel zu oft in einer Geschwindigkeit, die kaum die nötigen Diskussionen zuließ. Um so wichtiger ist es, jetzt – nachdem die neuen Studiengängen seit mehreren Semester laufen – die Erfahrungen der Studierenden in die Entwicklung von Studium und Lehre einzubeziehen.

Für den Studienerfolg, wie für die Attraktivität der Universität ist die Studierbarkeit unerlässliche Voraussetzung. Für die Bewertung der Studierbarkeit, wie möglicher Maßnahmen zu ihrer Verbesserung sind die Studierenden selbst die „ExpertInnen“.

Daher halten wir die verpflichtende Beteiligung von Studierenden als „Peers“ sowie die Überprüfung der Studierbarkeit bei der Akkreditierung jedes Studiengangs für eine Errungenschaft, hinter die auf keinen Fall zurück gefallen werden darf.

Die Kultusministerkonferenz schreibt vor:

    „Mit den nachfolgenden Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge (§ 19 HRG) kommen die Länder dem gesetzlichen Auftrag gem. § 9 Abs. 2 HRG nach, die Gleichwertigkeit einander entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse und die Möglichkeit des Hochschulwechsels zu gewährleisten. […] Bachelor- und Masterstudiengänge sind zu akkreditieren. […] Die Studierbarkeit des Lehrangebots ist in der Akkreditierung zu überprüfen.“

Und der Akkreditierungsrat hat beschlossen:

    „Das Studiengangskonzept […] ist studierbar, vor allem unter Berücksichtigung der erwarteten Eingangsqualifikation, realen Arbeitsbelastung, Prüfungsorganisation, bestehenden Beratungs- und Betreuungsangebote, Ausgestaltung von Praxisanteilen und Anerkennungsregeln für extern erbrachte Leistungen“

Die Systemakkreditierung sieht nicht mehr die Überprüfung jedes einzelnen Studienganges sondern nur noch einer kleinen Stichprobe vor. Dies halten wir für sehr bedenklich im Sinne der flächendeckenden Sicherstellung von Studierbarkeit und studentischer Beteiligung bei ihrer Überprüfung. In jedem Fall ist es daher wünschenswert, im Falle einer Systemakkreditierung sogar unerlässlich, die genannten Punkte im internen Qualitätsmanagement zu berücksichtigen:

Die von der Präsidentin im vorliegenden Konzept angestrebete systematische interne Vorprüfung aller Studiengänge soll unserer Ansicht nach „insbesondere im Hinblick auf Studierbarkeit unter Beteiligung von Studierenden“ erfolgen.

Ob die Einschränkung von Kombinationsmöglichkeiten die angebrachteste Maßnahme zur Verbesserung der Studierbarkeit darstellte, möchten wir bezweifeln. Zu ihrer Verbesserung sollte statt dessen etwa die Ausweitung des E-Learnings, Überprüfung des workloads, des Prüfungssystems oder der Möglichkeit eines Teilzeitstudiums in Erwägung gezogen werden.

Die Einschränkung von Kombinationsmöglichkeiten stellt wahrscheinlich eine Verwaltungsvereinfachung dar, jedoch befürchten wir, dass sie zu Lasten der Interdisziplinarität des Studiums geht. Auch könnte diese Maßnahme zu Lasten der Studierendenzahlen in kleineren Fächern gehen.

Noch einmal mit Humboldt gesprochen:

    „Diese Kraft nun und diese mannigfaltige Verschiedenheit vereinen sich in der Originalität, und das also, worauf die ganze Größe des Menschen zuletzt beruht, wonach der einzelne Mensch ewig ringen muß und was der, welcher auf Menschen wirken will, nie aus den Augen verlieren darf, ist Eigentümlichkeit der Kraft und der Bildung. Wie diese Eigentümlichkeit durch Freiheit des Handlens und Mannigfaltigkeit der Handlenden gewirkt wird, so bringt sie beides wiederum hervor.“

Während die Präsidentin in ihrem Konzept die „Einschränkung von Kombinationsmöglichkeiten“ fordert, wollen wir an Stelle dessen die Angemessenheit solcher Einschränkungen prüfen lassen. Darüber hinaus sollen in die konkreten Konzepte, die zu verschiedenen Bereichen erarbeitet werden sollen alle universitären Interessengruppen einbezogen werden.

In die Kapazitätsplanungen der Hochschule soll eingefügt werden: „Allen Bachelor-Studierenden, die ihr Studium abgeschlossen haben, wird ein Platz in einem konsekutiven Master-Studiengang garantiert.“ Zur Begründung: Viele Menschen stehen nach dem Bachelorstudium mit einem nicht berufsqualifizierenden Halbstudium da und könnten beispielsweise im Lehramtsbereich nach dem Studium nur als „HilfslehrerInnen“ arbeiten. Dieser Prekarisierung muss entgegengewirkt werden.

Offene Fragen

Zum Abschluss möchten wir noch die Fragen ansprechen, die der vorliegende Entwicklungsplan bei uns aufgeworfen hat.

  • Wie ist das Vorhaben „Orientierung der Zwei-Fächer-Studiengänge an der Lehrerausbildung“ zu verstehen?
  • Auf welchen Bedarfen bzw. Bedarfsprognosen basieren die Zahlen im Bereich Kapazitätsplanung?
  • Wird durch die Umbenennung des Profilbereiches „Erziehungswissenschaft / Potsdamer Modell der Lehrerbildung“ in „Empirische Bildungsforschung“ eine Verschiebung von (finanziellen, kapazitären, usw.) Prioritäten zu Ungunsten der Potsdamer LehrerInnenbildung und zu Gunsten einer „Empirischen Bildungsforschung“ zu befürchten sein?

Malte Clausen  [13. Dezember 2007]

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