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Uwe-Karsten Heye ermahnt die Universität, tolerant statt neutral zu sein

Man könnte es mit „Notizen aus der Provinz“ überschreiben, was da aus der Potsdamer Universität drang. Das Präsidium der Hochschule hatte das Hissen der Regenbogenfahne auf dem Campus verboten. Die Fahne steht für Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben. Ein Vorgang der in der PNN mit Bestürzung kommentiert wurde. Das Verbot fällt in eine Zeit, in der Homosexuelle zunehmender Intoleranz von Rechtsaußen ausgesetzt sind. Überfälle und Übergriffe häufen sich und über „Fluchtwohnungen“ wird nachgedacht. Es hätte mich schon nicht mehr gewundert, wenn die Studentenschaft das Verbot einfach hingenommen hätte. Dankbar nehme ich den Widerstandswillen zur Kenntnis: Die Fahne wurde dennoch gehisst. Jetzt will das Universitätspräsidium die Fahne zwar flattern lassen, aber das Verbot nicht aufheben. Dem entspricht die Begründung des Gremiums für das Fahnenverbot. Uni-Vizepräsident Grünewald erklärte zur Haltung der Universität, sie wolle „neutral bleiben“. Was ist das für eine merkwürdige Äußerung. Neutral gegenüber wem oder was? Neutral zwischen Homo- und Heterosexuellen? Ob das wohl gemeint war? Also ein Präsidium der Neutren?

Welch eine Haltung wird da deutlich. Wenn er doch geschwiegen hätte! Meine persönliche Hoffnung war, dass mit der Neufassung des Toleranz-Edikts ein vielfältiges Nachdenken darüber einsetzen würde, was Aufklärung heute bedeutet, hier, in dieser Stadt. Da die Debatte um das Edikt wesentlich auch aus der Universität getragen wird, hätte ich gerade von dort eine andere Haltung erwartet. Jedenfalls wäre in der zurückliegenden Woche Zeit genug gewesen, das unsinnige Verbot zu überdenken und zurückzunehmen. Aber die sehr spezielle „Neutralität“ der Universitätsleitung macht deutlich, wie weit entfernt wir noch davon sind, so etwas wie eine aktive Toleranz gegenüber allen menschlichen Ausdrucksformen zu entwickeln, und das schließt den Umgang mit der sexuellen Orientierung der Menschen mit ein. Mir scheint, hier in der Provinz besteht da noch Nachholbedarf. Dass diese Mahnung vor allem der Leitung der Potsdamer Universität gelten könnte, war eine allerdings unvermutete Überraschung.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 26./27.04.2008

Tamás Blénessy  [27. April 2008]

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