Logo

» presse/presseschau/Protest an der Universität eskalierte



Polizei musste Sitzblockade gegen Vortrag von Erika Steinbach mit Gewalt auflösen

Sanssouci – Mit einem Polizeieinsatz und Leichtverletzten endete gestern Abend eine Protestveranstaltung auf dem Gelände der Universität Potsdam am Neuen Palais. Als Einsatzkräfte eine Sitzblockade vor dem Gebäude des Historischen Instituts gewaltsam auflösen wollten, wurde ein älterer Mann am Rande des Protests von einer herumfliegenden Bierflasche leicht an der Nase verletzt. Die Sprecherin des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität (AStA), Sabine Finzelberg, erlitt Verletzungen am Arm, als sie von einer Polizistin abgeführt wurde. Wie Sabine Finzelberg gegenüber den PNN sagte, wollte sie gestern noch die Notaufnahme im Klinikum aufsuchen. Der geplante Auftakt einer Vortragsreihe zur „Siedlungsgeschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa“ mit der CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, musste abgesagt werden.

Schon im Vorfeld des geplanten Vortrages hatte der AStA Kritik geübt und erklärt, dass er jeden studentischen Protest gegen diese Veranstaltungsreihe unterstützen werde und forderte die Universität Potsdam auf, die Vorträge abzusagen. Mit Steinbachs Auftritt würde die Hochschule deren revisionistischem Gedankengut ein Podium geben. „Frau Steinbach hatte 1990 nichts Besseres zu tun, als im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu stimmen. Erst in diesem Jahr legte sie nach und setzte die amtierende polnische Regierung mit deutschen rechtsextremen Parteien gleich“, heißt es in einem Schreiben des AStA.

Nachdem die Protestierenden den Eingang zum großen Hörsaal, dem geplanten Veranstaltungsort, besetzt hatten und Erika Steinbach mit ihren Begleitern nach dem Wurf einer Wasserbombe in ein anderes Gebäude ging, wurde auch dieser Eingang von den Protestierenden aus der linken Szene besetzt. Selbst in das Gebäude drangen die Gegner der Veranstaltung ein und bedrängten Erika Steinbach und vier weitere Begleiter, wie der CDU-Landtagsabgeordnete Wieland Niekisch, selbst in dem Gebäude, gegenüber den PNN sagte. „Ich bin froh, dass ich nicht die Treppe runtergestoßen wurde“, so Niekisch.

Als die etwa 60 Protestler dann auch noch den Eingang des Historischen Instituts belagerten, eskalierte die Situation. Sprechchöre wie „Hau ab, hau ab“ waren zu hören, es kam zu Handgreiflichkeiten. Daraufhin wurde die Polizei alarmiert, die dann auf Weisung der Kanzlerin Barbara Obst–Hantel, die von ihrem Hausrecht Gebrauch machte, eine weitere Eskalation verhindern sollte. Da auch mehrmaligen Aufforderungen, die Blockade freiwillig zu beenden, nicht nachgekommen wurde, lösten Einsatzkräfte den Protest gewaltsam auf, wobei es zu tumultartigen Szenen kam.

Erika Steinbach hatte bis dahin eine Stunde ausgeharrt und immer wieder erfolglos versucht, mit einzelnen Demonstranten ins Gespräch zu kommen. „Über diese Form des Protestes bin ich doch sehr überrascht“, sagte Steinbach. Sie hätte gern nach ihrem Vortrag diskutiert, doch sehe sie hier überhaupt keine Bereitschaft für einen Diskurs. „Hier zählt nur eins, die eigene Meinung“, so Steinbach. Die Hochschullehrer Manfred Görtemaker, Eckart Klein und Heinz-Dieter Heimann, die den Vortrag moderieren sollten, waren erschüttert von Eskalation. „Wir wollten ein kontroverse Diskussion führen und hatten auch mit Protest gerechnet, aber nicht damit“, sagte Görtemaker. Verwundert äußerte er sich über die Tatsache, dass er unter den Protestierenden kaum Studenten erkannte.

Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 28.05.2008

Tamás Blénessy  [28. Mai 2008]

« zurück zur letzen Seite | zum Seitenanfang