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» presse/presseschau/Studenten und Professoren der Uni streiten über Grenzen der Toleranz



POTSDAM / BABELSBERG – Die ältere Dame mit den hellen Augen hatte einen Rat für den Studenten, der erklärt hatte, die Chefin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, sei für ihn „nicht tolerabel“: „Macht nicht unsere Fehler von 1968. Wir haben da die Sit-ins erfunden. Statt dieser Form der Gewalt muss man mit Argumenten Paroli bieten.“ Immerhin sei es schön, dass auf dem Potsdamer Uni-Campus „mal was anderes passiert als nur Büffeln fürs Examen“.

Für Mittwochabend hatte Universitätspräsidentin Sabine Kunst zur Debatte „Grenzen der Toleranz“ ins neue Hörsaalgebäude am Griebnitzsee eingeladen. Die höchsten Wogen aus der polizeilich aufgelösten Blockade des Steinbach-Vortrags waren vorab geglättet. Bei genauem Abhören der Tonspur eines Videos hatte man sich geeinigt, dass Professor Eckart Klein nicht mit dem Ruf „Draufhauen!“ die Polizei angeheizt hatte, sondern den Blockierern von der Antifa das „Abhauen“ nahe legte. Auch hat sich CDU-Mann Wieland Niekisch bei dem bayerischen Studenten entschuldigt, den er als „rotlackierten Faschisten“ beschimpft hatte.

Im Podium war man sich schnell einig: Es war kein Akt der Intoleranz, Steinbach am Reden zu hindern, es war Schlimmeres. Toleranz, so dozierte Ethikprofessor Ralf Stoecker, verlange nach Hierarchie. Der Landesfürst toleriert den von ihm nicht geteilten Glauben seiner Untertanen. Stoecker: „Toleranz wurde deshalb ersetzt durch die bessere Idee der Menschenrechte, die der Fürst nicht gewährt, sondern zu achten hat.“ Verletzt wurde Erika Steinbachs Recht auf freie Meinungsäußerung.

Oberbürgermeister Jann Jakobs schrieb es den Gastgebern ins Stammbuch: Er würde es für ein Armutszeugnis halten, würde die Debatte nicht auf dem Campus nachgeholt. Auch Rabbiner Walter Homolka forderte, „die Offenheit des Diskursraumes zu bewahren gegen alle, die glauben, sie müssten uns zwangsbekehren“. Steinbach sei „an einer Wende, die sehr auf Versöhnung ausgerichtet ist“.

Malte Clausen vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) rechtfertigte die Blockade erneut: „Wir wollten uns nicht von Frau Steinbach belehren lassen.“ Wer das nicht wolle, müsse nicht hingehen, entgegnete ein Kommilitone. Er lasse sich „nicht vom Asta bevormunden“, sagte er. „Ich bin stolz auf unsere marxistischen und 68er Professoren, auch wir Studis sind nicht zu dumm für die Auseinandersetzung“.

Die studentische Kritik an der Frontalform der Vortragsreihe und die Forderung nach „gleichberechtigtem Diskurs“ nahmen die Professoren auf. Präsidentin Kunst schloss eine erneute Einladung Steinbachs nicht aus. Sie wolle aber zuvor der Empfehlung des Oberbürgermeisters folgen, dass sich die Uni-Spitze und die Fachschaften ein Leitbild zur politischen Kultur für den Campus erarbeiten. Hier gibt es offenbar Dissens zwischen der Leitung und den Historikern. Karin Donhauser von der Humboldt-Uni, Mitglied im Landeshochschulrat, ermunterte die Universität, sich „attraktiv zu machen als Ort zum Erproben und Einüben des Diskurses“.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung vom 20.06.2008

Tamás Blénessy  [20. Juni 2008]

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