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» altes/redaktionell_gegenlesen/Studienbedingungen an der UP



Nach zehn Jahren „Bologna“ ist Zeit für ein Resümee auch aus studentischer Sicht. Die Liste mit versteckten und mit offensichtlichen Missständen ließe sich noch stundenlang fortführen: Jede von uns wird die Situationen kennen: volle Höhrsäle; Lehrpersonal, das Teilen von uns die Lehre verweigert um so die Überfüllung von sich fernzuhalten; PULS als Vollstreckungshelfer in diesem Prozess.

Die UP folgt einem einfachen Prinzip: für Neuimmatrikulierte gibt es viel Geld, für Studierende in Regelstudienzeit gibt es wenig Geld und für welche, die die Regelstudienzeit überschritten haben, gibt es kein Geld. Also werden möglichst viele Bewerber_innen angenommen und unter miserablen Bedingungen auf sich allein gestellt. Viele der Institute sind gemessen an ihren Lehrkapazitäten mit 150 Prozent überbucht, im Fall von BWL sind es gar 300 Prozent. Dies soll kein Plädoyer für mehr Studienablehnungen sein – vielmehr fordern wir die Universität auf, für ihre Studierenden angemessene Bedingungen zu schaffen. Und das Land, eine angemessene Finanzierung bereit zu stellen.

Die neuen Master-Zulassungsvoraussetzungen verstärken den permanenten Leistungsdruck und schaffen Leistungsmotivation bis zur Selbstaufgabe. Und wer es nicht rechtzeitig oder gut genug schafft, fliegt einfach raus. Die Landesregierung macht es möglich, die Universität freut sich drüber und schmeißt raus.

Unflexible Lernstrukturen, Anwesenheitspflicht und Prüfungsüberlastungen arbeiten gegen die Bologna Ziele von mehr Mobilität: Auslandsaufenthalte werden erschwert, ein erfolgreiches Studium neben der Erwerbsarbeit ebenfalls. Mobilität heißt nicht nur ins Ausland oder eine andere Uni gehen zu können. Mobilität heißt auch, sich unabhängig von seiner sozioökonomischen Herkunft Bildung leisten zu können.

Was ich fordere ist kein Schlaraffenland – ich fordere, dass die Universitäten Verantwortung für ihre Studierenden übernimmt. Sie könnte das beispielsweise mit der Evaluation des von ihr verlangten Workloads, dem Arbeitswand, der von jedem Studierenden abverlangt wird. Eine angemessene Erhebung steht bisher aus, obwohl es inzwischen andere Unis gezeigt haben, wie das gehen könnte. Ebenso ist das Angebot nach psychologischer Beratung größer denn je, weil Leben und Studieren immer weniger vereinbar ist. Anstelle eines angemessenen Beratungsangebotes ist die entsprechende Stelle seit einem halben Jahr und auf bisher unbestimmte Zeit unbesetzt. Von Verantwortung für Studierenden ist also nichts zu erkennen.

Im letzten Vierteljahr hat die UP erst die „Kunsterziehung“ abgeschafft um nun mit der Abschaffung des Zusatzzertifikates „Deutsch als Fremdsprache“ nachzulegen. Da die UP die einzige Lehrerinnenbildende Hochschule in Brandenburg ist, werden hier wichtige Kompetenzbereiche gestrichen, die damit dem öffentlichen Schulwesen nicht oder nur noch begrenzt zur Verfügung stehen werden. Ich glaube, dass Universität auch in diesem Bereich Verantwortung übernehmen sollte.

Begründet wurde die letzte Abschaffung übrigens mit der Unmöglichkeit, neben dem Bachelor-Studium ein Zusatzzertifikat zu absolvieren. Ein größeres Armutszeugnis für die neuen Studiengänge will man sich nicht wünschen: Keine Zeit für zusätzliche Qualifikationen und Interessen, der viel beschworene feste Schulrahmen, volle Stundenpläne. Fachidiotie schreibt sich die Uni somit auf den Lehrplan. Eine Autonomie der Hochschule, die vor allem in einer Verneinung von Verantwortung für Studierende und Gesellschaft besteht, ist abzulehnen. Ich will mehr als eine Hochschule, die sich vor allem als Exzelenzbewerber im Kampf um Forschungsgelder betrachtet. Und ich will mehr als eine Hochschule, die ihren Service daran misst, wie schnell sie es schafft ihre Studierenden wieder los zu werden. Nicht ein Weniger – ein Mehr an Bildungsmöglichkeiten, ein Mehr an Freiheitsgraden ist es, was eine gute Hochschule ausmachen sollte. Nicht Bevormundung sondern gleichberechtigte Partizipation sollte das Credo einer Universität sein. Ich hoffe, dass wir dieses fordernde Ich zu einem Wir machen!

Bisher ist der Prozess der Hochschulreform ein Prozess, in dem über Studierende gesprochen wird. Wir sollen schneller von der Uni, mehr Leistung bringen, flexibler sein, weniger unnützen Ballast bedenken und dafür die drei Jahre Studienzeit effizient nutzen. Es wird Zeit, dass wir uns als Studierenden lautstark zu Wort melden. Einerseits um unseren inzwischen bei Vielen angestauten Unmut kundzutun. Andererseits um zu zeigen, wie Lernen auch gestaltet werden kann. Ich will, dass sich möglichst viele von uns unterhalten darüber, was wir lernen wollen, wie wir lernen wollen, auch warum wir eigentlich lernen wollen. Mindestens die Universität sollte dafür der Ort sein und es hängt auch an uns, sie dafür umzugestalten, denn auf diese Uni ist kein Verlass! Und nicht vergessen sollten wir, dass die Landesregierung im Wahljahr auch ein offenes Ohr haben wird.

Sebastian Schultz  [8. Juli 2009]

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