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» themen/sozialpolitik/Mehr und besseres BAföG in Sicht!? – Bundespolitik ist in der Pflicht, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen



Der AStA der Uni Potsdam begrüßt, dass die Bundespolitik endlich auf eine Kernforderung der deutschlandweit protestierenden Studierenden reagiert: Das BAföG soll zum 1. Oktober 2010 erhöht werden. Doch mit einer Erhöhung der Bedarfssätze allein ist es noch nicht getan: Das Bundesausbildungs­förderungs­gesetz muss an mehreren Punkten signifikant verbessert werden. Es muss endlich fit gemacht werden für mehr soziale Durchlässigkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit im Hochschulwesen.

Bundesbildungsministerin Schavan: BAföG-Erhöhung kommt

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau ließ sich Bildungsministerin Annette Schavan wie folgt zitieren: „Ich halte eine Bafög-Erhöhung für richtig und werde sie den Ländern und dem Bundeskabinett vorschlagen. Damit will ich das von uns geplante Stipendienprogramm ergänzen. Das Stipendienprogramm darf keinesfalls auf Kosten der Bafög-Empfänger gehen. Das Bafög zu sichern und weiter zu entwickeln ist uns genauso wichtig. […] Aber auch jenseits der Sätze wird es bald Verbesserungen geben.“ Laut PNN soll die Erhöhung zum 1. Oktober 2010 kommen.

Die deutschlandweiten Bildungsproteste für bessere Studienfinanzierung, Studierbarkeit und Studienbedingungen haben somit einen weiteren Erfolg gezeitigt. Denn in der Tat: Das BAföG sorgt für mehr soziale Öffnung der Unis und für mehr soziale Gerechtigkeit. Seit 1971 leistet es seinen Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Bildungswesen, wenngleich es damals noch einen Vollzuschuss gab, d. h. es musste nichts zurückgezahlt werden. Erst durch die staatliche Studienfinanzierung wird es Hunderttausenden von Studierenden aus finanzschwachem Elternhaus überhaupt erst ermöglicht, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Nichtsdestotrotz sind viele noch auf einen Nebenjob angewiesen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Insgesamt bekommen deutschlandweit nur rund 25 % der Studierenden BAföG. In Brandenburg sind es nur unwesentlich mehr: rund ein Drittel.

AStA fordert strukturelle Verbesserung des BAföG

Wie die geplante Gesetzesinitiative der Bundesregierung zum BAföG letztendlich zu bewerten sein wird, ist abhängig davon, welche sozialen Regelungen wie konkret geändert oder eingeführt werden und ob den neuen Realitäten mit Bachelor und Master gebührend Rechnung getragen wird. Der AStA fordert daher nicht nur eine einmalige Erhöhung der Bedarfssätze, sondern bei der BAföG-Novellierung mindestens auch dafür Sorge zu tragen, dass:

  • eine regelmäßige Anpassung der Bedarfssätze an steigende Lebenshaltungskosten automatisch stattfindet, bei denen insbesondere auch die unterschiedlichen Mietspiegel der Hochschulstädte zu berücksichtigen sind,
  • die Freibeträge bei den Einkommen erhöht werden, um den Kreis der BAföG-Berechtigten auszuweiten und somit mehr Menschen ein Studium zu ermöglichen,
  • die Altersgrenze von 30 Jahren komplett gestrichen wird, sodass Bachelor-Absolvent/innen auch für ein Masterstudium förderberechtigt sind, wenn sie – wie das ja durchaus politisch gewollt ist – zunächst ihr Studium unterbrechen und mehrere Jahre Berufserfahrung sammeln,
  • auch ein nicht-konsekutiver Master förderfähig ist,
  • ein Studieren in Teilzeit ebenfalls förderfähig ist, wofür dann die Bedarfssätze und Freibeträge entsprechend anzupassen sind, um Studierenden, die z. B. Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder aus sonstigen Gründen sich für ein Teilzeitstudium entschieden haben, die Finanzierung ihres Studiums zu ermöglichen.

Die Landesregierung von Brandenburg bleibt aufgefordert, über den Bundesrat das Gesetz in diesem Sinne mitzugestalten.

Denn: Erst ein sozial gerechtes und leistungsfähiges BAföG, das nicht durch andere Maßnahmen wie z. B. Studiengebühren oder Kürzungen bei anderen sozialen Leistungen bzw. Angeboten ausgehöhlt und konterkariert wird, stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer sozialen Hochschule dar. Dies zu realisieren sollte für die Politik Priorität haben, wenn mehr Geld für die Studienfinanzierung ausgegeben werden soll. Perspektivisch sollte das BAföG aber zu einem Vollzuschuss ausgebaut werden und das elternunabhängig.

Des Weiteren erscheint es sinnvoll, für Studierende wieder Kindergeld bis zum 27. Lebensjahr zu ermöglichen, das dann aber gleich direkt an sie zur anteiligen Finanzierung ihres Lebensunterhaltes ausgezahlt werden sollte. Denn davon hätten auch diejenigen etwas, die von einer reinen BAföG-Erhöhung nicht profitieren, weil sie die Förderungshöchstdauer überschritten haben oder weil das Einkommen ihrer selbstständigen Eltern die Freibeträge knapp übersteigt.

Schüler-BAföG zeitnah umsetzen

Parallel zur BAföG-Novelle ist es wichtig, dass die neue Brandenburger Landesregierung ihr Vorhaben, ein Schüler-BAföG für die gymnasiale Oberstufe einzuführen, zeitnah umsetzt. Denn nur, wenn durch diese Förderung mehr Kinder aus finanzschwachen Familien in die Lage versetzt werden, sich die Abiturstufe „leisten zu können“, um die Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, kommen wir dem hehren Ideal entgegen, niemanden aus sozialen Gründen von Bildung und damit von persönlichen Entfaltungs- und Aufstiegsmöglichkeiten abzuschneiden. Zur Zeit wählen nämlich weniger als die Hälfte der Kinder aus so genannten Nicht-Akademikerfamilien nach der 10. Klasse den Weg zum Abitur – hingegen rund 90 % der Kinder aus Familien mit akademischem Hintergrund. Diesem Ungleichgewicht, auch in der Bewertung des Sinns höherer Bildungsabschlüsse, muss politisch entgegengetreten werden. Das Schüler-BAföG ist ein geeignetes Mittel, doch beileibe nicht alles.

Enrico Schicketanz  [22. November 2009]

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