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» themen/sozialpolitik/Alles, was Recht ist, kostet Zeit… Aktueller Stand der vom AStA unterstützten studentischen Klagen



1. Klagen? Warum und wogegen?

Der AStA der Universität Potsdam unterstützt und betreut seit längerem einige Klagen, in denen es darum geht, studentische Rechte und somit auch Interessen zu schützen. Mitunter sind sie sehr grundsätzlicher Natur und tangieren das Studium oder die Interessen von allen bzw. eines Großteils der Studierenden.

Der ewige „Klassiker“ ist dabei die Klage gegen die 51 Euro „Immatrikulations- und Rückmeldegebühr“, die demnächst 10 Jahre alt wird. Die Brandenburger Studierendenschaften, allen voran der AStA der Universität Potsdam, bewerten sie politisch weiterhin als versteckte Studiengebühr und als rechtswidrig – ein Argument, dass auch dadurch untermauert wird, dass die Gebührenhöhe die tatsächlichen damit begründeten Aufwendungen um ein Vielfaches übersteigt. Ähnliche Regelungen gab bzw. gibt es auch in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg wurden die ursprünglichen Rückmeldegebühren vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt, weil sie in einem „groben Missverhältnis“ zu den realen Kosten standen. Auf Antrag sah sich das Land daher gezwungen, das Geld zurückzuzahlen. Quasi als Ersatz wurde – leider – ein rechtssicherer allgemeiner Verwaltungskostenbeitrag eingeführt. Das Klageverfahren zur Berliner Regelung wartet noch beim Bundesverfassungsgericht auf seinen Abschluss. In Thüringen wurde die Gebühr jüngst von der neuen CDU-SPD-Regierung mit Wirkung zum SS 2010 abgeschafft. Daher halten wir auch in Brandenburg die Forderung nach der Abschaffung der Rückmeldegebühr aufrecht.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Normenkontrollklage gegen das Belegpunktesystem der Universität Potsdam, das politisch als Sondermodell eines Studienkontos angesehen werden kann. Es wurde im Zuge der Einführung des Bachelor- und Mastersystems von der Universität erdacht, um die Anzahl der belegbaren Kurse und die Wiederholungsmöglichkeiten nicht-bestandener studienbegleitender Prüfungen zu beschränken. Damit wird in die grundgesetzlich geschützte Ausbildungsfreiheit der Studierenden eingegriffen. Zum Glück gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG unter anderem auch ein Abwehrrecht gegen Freiheitsbeschränkungen im Ausbildungsbereich. ( BVerfGE 39, 303 (329) Seit 2006 klagen Studierende der Universität Potsdam gegen das Belegpunktesystem und die damit einhergehenden Einschränkungen, die in vielen Studienordnungen vorgesehen sind.

Um die laufenden Verfahren transparent aufzuarbeiten und ggf. die Relevanz für alle aktuell Studierenden aufzuzeigen, folgt hier mal eine kurze Übersicht über die vom AStA unterstützen Klagen, deren Verfahrensstand und was für Dich vielleicht wichtig sein könnte zu wissen. Damit wollen wir auch eine größere Lücke schließen.

2. Welche Klagen existieren bis jetzt?

2.1. Die Klage gegen die 51 Euro Immatrikulations- und Rückmeldegebühr

Bei den von Euch semesterweise zu entrichtenden Gebühren befindet sich, wie Ihr sicher wisst, ein Posten von 51 Euro „Immatrikulations- und Rückmeldegebühr“. Diese Gebühr wurde von der Landesregierung Brandenburgs zum SS 2001 – damals als 100 DM – eingeführt, auch, um über zusätzliche feste Haushaltsmittel im Wissenschaftsbereich zu verfügen. Da sie als rechtwidrig angesehen wurde und wird, gehen seit Dezember 2000 mehrere Musterkläger/innen mit Unterstützung des AStA und der GEW Brandenburg dagegen gerichtlich vor.

Die erste Instanz, das Verwaltungsgericht Potsdam, wurde am 1. Juni 2007 knapp verloren. Der § 30 Abs. 1 a BbgHG alter Fassung sei demnach zwar verfassungsgemäß, soweit es um die Möglichkeit der Erhebung einer Rückmeldegebühr geht. Doch kam man auch zu dem Ergebnis, dass die Gebühr keinesfalls dem tatsächlichen Aufwand entspricht, sondern um ein Vielfaches höher ist. Wie das Bundesverfassungsgericht im Falle von Baden-Württemberg ausurteilte, muss eine Gebühr mit den realen Kosten der konkreten Gegenleistung korrespondieren und darf nicht in einem „groben Missverhältnis“ stehen, andernfalls ist sie rechtswidrig. Da die Gebühr in Brandenburg allerdings 2,5 mal höher als die realen Kosten ist – akzeptiert man die Berechnungen der einzelnen Universitäten mal vorbehaltlos – zweifelte das Verwaltungsgericht Potsdam an der Rechtmäßigkeit. Letztendlich hat es aber im Zweifel für den Angeklagten entschieden und die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen, das bereits die Berliner Regelung an das Bundesverfassungsgericht überwiesen hatte. Aktuell liegt die Klage aber noch beim Oberverwaltungsgericht.

Mittlerweile hat der Gesetzgeber die Argumentation der Klagenden zum Anlass genommen, im Zuge der letzten Novellierung des BbgHG rechtlich nachzubessern und diese Gebühr nebst ihrer Höhe im § 13 (2) zu fixieren. Das wurde zum SS 2009 wirksam. Doch wie diese Regelung im Rahmen der Ursprungs- und Berufungsklage letztendlich bewertet wird und welche Auswirkungen das hat, obliegt richterlicher Entscheidung.

Daher ist es auch weiterhin ratsam, diese Gebühr von 51 Euro nur unter Vorbehalt zu zahlen. Jede/r Studierende, die/der nur unter Vorbehalt zahlen möchte, muss dafür jedes Semester selbstständig eine Vorbehaltserklärung im Studierendensekretariat abgeben. Geht die Klage für die Studierenden nämlich komplett oder teilweise positiv aus, gibt es einen Rechtsanspruch auf (ggf. teilweise) Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Gelder.

Für inhaltliche Kritik und nützliche Hinweise danken wir dem Musterkläger Arne Karrasch.

2.2. Die Normenkontrollklage gegen das Belegpunktesystem

Die Belegpunkteregelung wurde von betroffenen Studierenden in ihrem jeweiligen Studiengang (u. a. Bachelor- und Masterstudium im Lehramt Geschichte) im Jahr 2006 zum Anlass genommen, mit Unterstützung des AStA und der GEW Brandenburg eine Normenkontrollklage durchzuführen.

Gegen Ende des Jahres 2008 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, eine der Klagen aus formalen Gründen Recht zu geben, da die Universität Potsdam Auflagen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur nicht umgesetzt hatte, was bis zu 40 Studienordnungen betreffen sollte.

Dennoch wurden die Klagen vom Gericht letztendlich abgewiesen. Die Belegpunkteregelungen würden – dem Gericht zufolge – zwar einen Eingriff in die Ausbildungsfreiheit darstellen, wie von Klageseite behauptet, aber im Rahmen des Leistungspunktesystems seien sie durch das Brandenburgische Hochschulgesetz (BbgHG) gedeckt.

Man ließ sich jedoch berechtigterweise nicht entmutigen und stellte den Antrag auf Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, der dann Anfang 2010 auch erfolgreich war. Die Revision ist jetzt zugelassen, die Klage damit in der zweiten Instanz.

Zu den Hintergründen der Klage: belegpunkte.

2.3. Weitere Klagen im Zusammenhang mit dem Belegpunktesystem

Des Weiteren wurde auch gegen die Belegpunkteregelung für den Bachelorstudiengang Erziehungswissenschaft geklagt. Auslöser war eine Exmatrikulation aufgrund von aufgebrauchten Belegpunkten. In diesem Zusammenhang sollte ebenfalls geklärt werden, ob die Universität Potsdam verpflichtet ist, ein allgemeines Akteneinsichtrecht zu gewähren. Das Verfahren endete erstinstanzlich leider mit einem ablehnenden Widerspruchsbescheid.

Eine andere Klage wurde gegen die Belegpunkteregelung im Bachelor-Zweitfach Religionswissenschaften angestrengt. Hierbei ging es um die Frage, ob Kurse als „nicht bestanden“ benotet werden dürfen, wenn Studierende mehr als zwei mal bei der Veranstaltung gefehlt hatten. Die bisherige Praxis der Universität ist, ein erfolgreiches Bestehen der Kurse bei mehrmaligem Fehlen nicht mehr zuzulassen und diese als „nicht bestanden“ zu bewerten. Das Verfahren ist noch anhängig. Das erstinstanzliche Verfahren endete leider ebenfalls mit einem ablehnenden Widerspruchbescheid, deshalb wurde die Klageschrift beim Verwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht.

Wir danken unserer Prüfungsrechtsberaterin Susen Werner für Ihre Zuarbeit in Fragen der drei Belegpunkteverfahren.

2.4. Ein schnell entschiedener Widerspruch und die aktuelle Situation an der Uni

Im Zusammenhang mit einer Exmatrikulation aufgrund von aufgebrauchten Belegpunkten gibt es auch positive Beispiele zu vermelden, wie Studierende relativ schnell zu ihrem Recht verholfen wurde. So legte z. B. ein betroffener Studierender mit dem GEW-Rechtsschutz Widerspruch gegen seine Exmatrikulation ein und bekam innerhalb eines Monats mitgeteilt, dass die Universität Potsdam diesem durch eine Eilentscheidung der für sein Studienfach zuständigen Fakultät entsprach, indem die Belegpunkte mal schnell aufgestockt wurden. Tragisch ist jedoch, dass diejenigen, die in ähnlich gelagerten Fällen keinen Widerspruch einlegten und sich wehrten, ihre Exmatrikulation vollzogen. Siehe dazu: hier.

Die Universität Potsdam hat im Juni 2008 begrüßenswerter Weise proklamiert, das Belegpunktesystem abzuschaffen und eine geeignetere Rahmenprüfungsregelung zu schaffen. Jedoch gelten die Studienordnungen, die noch endliche Belegpunkte vorsehen, für die jeweils danach eingeschriebenen Studierenden erstmal weiter.

Daher der Tipp, solltest auch Du von einer Exmatrikulation aufgrund eines zu geringen „Restguthabens“ an Belegpunkten betroffen sein: Nimm Kontakt mit unserer Prüfungsrechtsberatung (pruefungsrecht@asta.uni-potsdam.de) auf und lege erstmal Widerspruch ein.

2.5. Klage auf Berliner Begrüßungsgeld für Studierende an der Uni Potsdam

Für Studierende an Potsdamer Hochschulen, die ihren Erstwohnsitz zum Zwecke des Studiums nach Potsdam verlegen, gewährt die Stadt ein Begrüßungsgeld von 50 Euro. Der Antrag ist jedes Semester neu beim Studentenwerk zu stellen.

Berlin hat eine andere Begrüßungsgeldregelung. Studierende ziehen mitunter auch nach Berlin, wenn sie in Potsdam studieren. Doch bislang erhalten nur Studierende der Berliner Universitäten, die wegen ihres Studiums ihren Erstwohnsitz erstmalig in Berlin anmelden, ein „Begrüßungsgeld“ in Höhe von € 110,-. Verstößt das gegen das Gleichbehandlungsgebot?

Deshalb wird seit 2007, von der Potsdamer Studierendenschaft unterstützt, ein Rechtsstreit geführt. Damals waren übrigens ca. 3000 Studierende der Universität Potsdam in einer vergleichbaren Situation wie der Kläger. Ziel der Klage ist, dass auch Studierende der Universität Potsdam sowie anderer Brandenburgischer Hochschulen, die zum Studium nach Berlin gezogen sind bzw. ziehen werden, Berliner Begrüßungsgeld erhalten. Der Kläger war 2003 nach Berlin zugezogen, um in Potsdam zu studieren. Er bekam trotz Antrags kein Begrüßungsgeld. Die Klage stützt sich auf das Gleichbehandlungsgebot. Denn das Begrüßungsgeld wurde eingeführt, weil sich Studierende aus anderen Ländern oft gar nicht oder nur verspätet mit ihrem Erstwohnsitz in Berlin anmelden, sodass Berlin je Fall jährlich knapp € 3000,- aus dem Länderfinanzausgleich entgehen. Das Begrüßungsgeld soll also allein zur Erstwohnsitzanmeldung verlocken. Es ist jedoch überhaupt kein Grund ersichtlich, warum die Situation bei Studierenden der Uni Potsdam, die nach Berlin gezogen sind, irgendwie anders wäre. Dann ist die Unterscheidung beim Begrüßungsgeld jedoch willkürlich.

Sollte der Kläger den Rechtsstreit gewinnen, wird das Land Berlin seine Verwaltungspraxis zur Auszahlung von Begrüßungsgeld allgemein ändern. In den Genuss kämen nur Studierende, die noch an der Universität Potsdam eingeschrieben sind.

Vor dem Verwaltungsgericht Berlin wurde die Klage leider abgewiesen. Seit 2008 befindet sich der Rechtsstreit im „Berufungszulassungsverfahren“ vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Auf Nachfrage teilte die zuständige Richterin beim Oberverwaltungsgericht im Februar 2010 leider mit, dass in ihrem Dezernat noch fünf ältere Anträge auf Zulassung zur Berufung vorgingen, so dass sie keine Angaben zum Entscheidungstermin machen könne.

Diesen Abschnitt hat dankenswerterweise Jörg M. Schindler, der Kläger, erstellt. Der Text wurde von uns nur leicht ergänzt und überarbeitet.

3. Was nun? Was tun, wenn’s rechtlich brennt?

Der Weg durch die verwaltungsgerichtlichen Instanzen ist zumindest sehr langwierig. Die Mühlen mahlen langsam, aber stetig. Dennoch schauen wir vollen Mutes in die Zukunft und begleiten in tiefem Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit die noch ausstehenden Urteile und hoffen, dass die berechtigten studentischen Interessen, für deren Durchsetzung geklagt wird, letztendlich zu ihrem Recht kommen bzw. Rechtsklarheit hergestellt wird und dass etwaige Eingriffe in grundgesetzlich geschützte individuelle Rechtsgüter keinen Bestand haben.

Wenn auch Du Dich mit einem studienrechtlichen Problem konfrontiert siehst, dann nutze unsere Beratungsangebote, insbesondere die Prüfungsrechtsberatung, die auch das weitere ratsame Vorgehen in Deinem Fall, ggf. bis hin zu rechtlichen Schritten, bespricht. Bestimmt kann auch Dir geholfen werden.

Diese Klageübersicht ist nach bestem Wissen und Gewissen von Enrico Schicketanz & Malte J. Jacobs, Referenten für Sozialpolitik im XIII. AStA der Universität Potsdam, erstellt worden.

Enrico Schicketanz  [23. Juni 2010]

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