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» aktuelles/Stellungnahme der Brandenburgischen Studierendenvertretungen zur Bologna-Bilanz des MWFK Brandenburgs



Wir begrüßen die Bestrebungen des MWFK Brandenburgs, den Bologna-Prozess zu evaluieren und bisherige Schwächen und Probleme auszugleichen. Die uns zugesandten Thesen spiegeln die studentische Kritik an der Durchführung des Bologna-Prozesses aber nur wenig wider. Darüber hinaus dürfen Faktoren, die nicht unmittelbar mit Bologna in Verbindung gebracht wurden, wie beispielsweise die dringend notwendige Demokratisierung der Hochschulen, die Möglichkeit der Zwangsexmatriulation oder die andauernde Unterfinanzierung der Hochschulen in Brandenburg, nicht vernachlässigt werden. Wir möchten der Landesregierung an dieser Stelle nochmals die Stellungnahme des AStAs der Universität Potsdam zur Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) vom 31. März 2010 in Erinnerung rufen. Der Bildungsstreik hat gezeigt, dass es erheblichen Handlungsbedarf seitens der Landesregierung und der Hochschulrektor_innen gibt, der weit über die von dem MWFK genannten Thesen hinausgeht und ihnen zum Teil auch widerspricht. Uns reicht die Formulierung normativer Ansprüche seitens des MWFK und der Hochschulrektor_innen nicht. Auch die angestrebte „Evaluation des Bologna-Prozesses“ verliert sich in wenig fundierten Feststellungen, die mehr Wunschdenken als Realität abbilden.

Qualität der Lehre

Bisher gibt es weder im Land Brandenburg noch an den dort befindlichen Hochschulen eine Definition von „Qualität“ in Bezug auf die Lehre. Dies führt dazu, dass viele verschiedene Perspektiven einfließen, die aber keinen gemeinsamen Nenner finden. Aus Sicht der Studierenden ist eine qualitativ hochwertige Lehre unter anderem gekennzeichnet von folgenden Faktoren: Gute didaktische Fähigkeiten des Lehrpersonals, angemessener Arbeitsaufwand für Lehrveranstaltungen, gute Betreuung und Ansprechbarkeit der Dozierenden, ausfinanzierte Lehre, angemessene Bezahlung der Lehrkräfte, forschungs- und praxisrelevante Inhalte, Kompetenzorientierung, angemessene Prüfungsformen, …

Gerade im Zuge der erhöhten Verschulung der Studiengänge wird eine didaktisch hochwertige Lehre immer wichtiger. Erhöhte Präsenzzeit und weniger Raum für Eigentätigkeit erfordern auch von den Dozierenden neue Kompetenzen. Das Netzwerk Studienqualität Brandenburg (sqb) ist ein erster Schritt zur Qualifizierung der Lehrenden. Die guten Angebote des sqb sollten weiter ausgebaut und ihre Nutzung attraktiver gestaltet werden. Die Bestrebungen an der Universität Potsdam, didaktische Qualifizierungen als wichtige Komponente von Berufungsverfahren zu etablieren, sollten auch auf Landesebene aufgegriffen und verbindlich festgeschrieben werden.

Darüber hinaus begrüßen wir den Austausch der Hochschulen mit dem MWFK im Arbeitskreis „Qualität in der Lehre“. Eine Verständigung über den Qualitätsbegriff ist dringend notwendig. Genauso wichtig ist hier aber auch eine breite Beteiligung der Studierenden um die Perspektiven zu erweitern und direktes Feedback zur praktischen Umsetzung einzuholen. Nicht nur in den Bildungsprotesten wurde deutlich, dass eine Reform an den Studierenden vorbei zum Scheitern verurteilt sein muss.

Das Profil der Universitäten sollte sich durch eine klare Einbindung der Forschung in die Lehre von den Fachhochschulen abgrenzen. Die Bestrebungen Lehrprofessuren an den Universitäten einzuführen lehnen wir trotz der wichtigen Bedeutung der didaktischen Befähigung der Lehrenden entschieden ab. Viel entscheidender ist es, alle Lehrenden zu qualifizieren. Lehrprofessuren sind Professuren zweiter Klasse und widersprechen dem humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung und Lehre. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass reguläre Professuren zunehmend verdrängt werden und die Universitäten ihrem wissenschaftlichen Auftrag nicht mehr gerecht werden können.

Im Gegenzug ist eine flächendeckende Verbesserung der Betreuungsrelation dringend notwendig. An vielen Hochschulen mangelt es bei der praktischen Umsetzung der im Hochschulgesetz festgeschriebenen Mentorentätigkeit von Dozierenden. Faktisch hat sich hier kaum etwas getan. So begrüßenswert dieser Ansatz ist, sehen wir die Landesregierung dennoch in der Pflicht, die praktische Umsetzung ihrer Gesetze auch wirklich zu überprüfen. Alle bisherigen Mentorensystem (außer Mentoring für Frauen) wurden bisher nur äußert zurückhaltend angenommen. Die eigentliche Funktion der Mentor_innen wird vielmehr im Verbund von allgemeiner Studienberatung, Kommiliton_innen und (z.T. im Aufbau befindlicher) psychologischer Beratung wahrgenommen. Es stellt sich also die Frage, ob ein Verbund von Kompetenzen die eigentlichen Aufgaben eines Mentors/einer Mentorin nicht besser ausfüllen kann, da durch Spezialisierungen größere fachliche Kompetenzen zur Verfügung stehen. Hier bedarf es nun wiederum einer guten Ausfinanzierung um den Betreuungsauftrag wirklich adäquat nachkommen zu können. Die individuelle Betreuung wird derzeit aber schlechter denn je. Dies lässt sich auch auf die Überbelastung vieler Dozierender zurückführen. Hier ist eine Änderung der Kapazitätsverordnung immer noch unabdingbar! Sowohl Vor- und Nachbereitungszeit der Lehrveranstaltungen, die investierte Arbeitszeit in die Leistungsüberprüfung und die persönliche Betreuungszeit müssen in den Berechnungen ebenso berücksichtigt werden wie die reine Lehrveranstaltungszeit. Eine wirkliche Verbesserung der Betreuungsrelation kann sich darüber hinaus nur einstellen, wenn mehr Geld in den Ausbau des Lehrpersonals investiert wird. Des Weiteren ist eine Bezahlung der Lehrbeauftragten nach Tariflohn unerlässlich. Dies kann nicht nur zur Sicherung der Qualität der Lehre beitragen, sondern vor allem der Prekarisierung des akademischen Mittelbaus vorbeugen. Eine angemessene Bezahlung sichert die Existenzgrundlage von Lehrbeauftragten.

Dass Evaluation zur Steigerung der Qualität in der Lehre beitragen kann, ist unbestritten. Evaluation ist aber kein Allheilmittel. Um wirksam zu werden, müssen Evaluationen bereits im Semester durchgeführt und schnellstmöglich ausgewertet werden, damit sie sich im weiteren Verlauf eines Kurses widerspiegeln können. Außerdem besteht weiterhin die Notwendigkeit, dass Studierende an der Erstellung von Evaluationen mitwirken. Die Fragestellungen dürfen nicht an den Problemen der Studierenden vorbei gehen, sondern sollten zielgerichtet die wirkliche Belastung und den tatsächlichen Lernerfolg der Studierenden erfragen.

Die Qualität der Lehre stellt natürlich auch für die Akkreditierung einen wichtigen Faktor dar. Ziel und Aufgabe einer Universität sollte es jedoch sein, Forschung und Lehre konsequent auf einem hohen Niveau zu halten. Eine Akkreditierung um des Zertifikates Willen, wie es gerade an vielen Hochschulen praktiziert wird, scheint uns wenig sinnvoll. Interne Evaluationen und Gespräche verlieren gegenüber externen Gutachten häufig an Bedeutung.

Studienbedingungen

Die Umsetzung einer Rechtsgrundlage für ein Teilzeitstudium ist spätestens seit dem Einsetzen des Bolognaprozesses unumgänglich, wenn man angemessene Studienbedingungen schaffen möchte. Die bis dato weitestgehend ignorierten Lebenslagen vieler Studierender lassen oftmals kein Vollzeitstudium zu. Sei es, dass Kinder betreut, Angehörige gepflegt, mit chronischen Erkrankungen umgegangen oder schlichtweg der Lebensunterhalt verdient werden muss. Die Tatsachen, dass die Erwerbsarbeit in Brandenburg etwa doppelt so hoch ist wie im Rest der neuen Länder und ca. ein Viertel der brandenburgischen Studierenden bereits de facto Teilzeit studiert, legen dies nahe. Die Teilzeitstudienangebote müssen ausgebaut werden, da sie für soziale eine Gerechtigkeit unumgänglich sind. Hier sollte auch eine rechtsverbindliche flexible Lösung (soll heißen: semesterweise wählbar) gefunden und fixiert werden, da sich Umbrüche in Lebensphasen nicht vorher planen lassen. Das Land Brandenburg muss hier eine gesetzliche Grundlage schaffen, die alle Hochschulen des Landes zu einer zeitnahen, konsequenten Umsetzung von Teilzeitstudienmöglichkeiten verpflichtet. Darüber hinaus fordern wir, dass sich das Land Brandenburg für eine bundesweite Regelung zur Anpassung des BAföGs einsetzt.

Die Annahme, dass eine hohe Erwerbstätigkeit bei Studierenden positiv zu bewerten sei, ist mehr als zweifelhaft. Für viele Hochschulen liegen keine ausreichenden Fallzahlen vor, was per se keine repräsentativen Aussagen möglich macht. Die Zahlen für Potsdam sind hier wenig aufschlussreich, da Potsdam im Durchschnitt eine sehr teure Stadt ist und vermehrte Erwerbsarbeit unter Studierenden damit eher ein Indiz für mangelnde staatliche Ausfinanzierung, Prekarisierung und unzureichenden finanzierbaren Wohnraum als für Wirtschaftswachstum ist. Auch wenn der Anteil der Studierenden, die ihr Studium als finanziell gesichert betrachten angestiegen ist, liegt dieser immer noch 6% unter dem BRD-Durchschnitt.

Die Studierendenvertretungen begrüßen die unternommenen Verbesserungen in der HSPV. Dennoch gehen diese nach wie vor nicht weit genug. Die Flexibilisierung von 30 Semesterwochenstunden auf 25 bis 30 SWS legt die Verantwortung in die Hände der Hochschulen. Dies macht unwahrscheinlich, dass bestehende Ordnungen und Konzepte überarbeitet werden und die reale Belastung reduziert wird. Hier ist das Land in der Verantwortung, die Hochschulen zu einer adäquaten Umsetzung zu verpflichten. Eine fixe Umrechnungsgröße für den Arbeitsaufwand in Veranstaltungen können wir nicht unterstützen, da die Pluralität der Studierenden unberücksichtigt bleibt. Der Lernprozess ist individuell und von vielen Faktoren abhängig. Eine rigide Umrechnung, wie sie an den Hochschulen derzeit vermehrt an praktiziert wird, sorgt für kaum angemessene Leistungsanforderungen und verstärkt psychischen Druck. Des Weiteren gibt es immer noch keine an die modularisierten Studiengänge angepasste Freiversuchsregelung. Diese sollte im Zusammenhang mit der Einführung nur einer Modulprüfung noch einmal rechtsverbindlich definiert werden.

Die Tatsache, dass die Absolvent_innenzahlen in den „neuen“ Studiengängen ansteigen, mag die These stützen, dass die (formale) Umstrukturierung sehr weit voran geschritten ist Eine qualitative Bewertung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Weil möglichst viele Studierende in möglichst kurzer Zeit durch ein Bachelor-Studium geschleust werden, ist es nur logisch, dass die Anzahl der Absolvent_innen steigt. Dazu kommt bei vielen Studierenden die Angst vor einer Zwangsexmatrikulation. Es ist durchaus richtig, dass Abschlüsse schneller erreicht werden; was dafür aber aufgegeben werden muss, lässt sich nicht in Zahlen wiedergeben. So lässt sich dennoch festmachen, dass die Inanspruchnahme der psychologischen Beratung der Hochschulen seit Einführung des Bachelor aufgrund von Stressbelastungen um ein Drittel angestiegen ist. Auch das soziale, politische und ökologische Engagement wird erschwert. Wir befürworten die Bestrebungen der Landesregierung vielen Abiturient_innen einen Zugang zur Hochschule zu ermöglichen. Um ein gutes Studium zu gewährleisten, müssen die Hochschulen aber auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Durch die Unterfinanzierung leidet die Qualität des Studiums aber ganz offensichtlich. Hinzu kommen die Absolvent_innen aus den „alten“ Studiengängen, die bemüht sind, ihre Abschlüsse vor dem Auslaufen ihrer Studiengänge zu erreichen.

Es ist richtig, dass die Abbrecher_innenquote mit einer strukturierten Studieneingangsphase verringert werden könnte. Gerade für unsichere Abiturient_innen ist eine kompetente Hilfestellung beim wissenschaftlichen Arbeiten sehr wichtig. Aber: Diese Hilfe sollte nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Viele Studierende wurden bereits im Abitur auf ein wissenschaftliches Arbeiten vorbereitet und können viele Kompetenzen an der Hochschule gut anwenden. Sinnvoller wäre es, die Schlüsselkompetenzen über den Studienverlauf zu staffeln, in die fachwissenschaftliche Arbeit zu integrieren und die zu erwerbenden Kompetenzen strukturiert zu erhöhen. So könnte ein langfristiger und gesteigerter Nutzen gesichert werden. Die bisherigen Hilfsangebote sollten im Rahmen der Schlüsselkompetenzen zwar weiterhin bestehen bleiben, aber nicht verpflichtend für alle sein. Die frei wählbare Allgemeinbildung bzw. fachliche Bildung „über den eigenen Tellerrand hinaus“ wird hier völlig vernachlässigt. Darüber hinaus läuft die Umsetzung des Grundangebotes von Studium+ an den Fakultäten äußerst heterogen und fragwürdig. Es ist geplant, dass in einigen Fächern demnächst studentische Mentor_innen verpflichtende Studium+-Kurse anbieten und dafür statt einer gerechten Entlohnung lediglich Leistungspunkte bekommen. Wir sprechen uns nicht gegen studentische Seminare aus, die von außen gut betreut werden und einen Lernzuwachs für alle Beteiligten bedeuten. Studierende dürfen aber nicht dazu missbraucht werden, grundständige Lehre in verpflichtenden Kursen abzudecken. Hier kann die Qualität der Lehre nur erheblich leiden.

Die Einführung von Mobilitätsfenstern ist eine wichtige strukturelle Voraussetzung für die internationale Ausrichtung von Hochschulen, was wiederum eine der Kernzielsetzungen der Bologna-Reform ist. Die nahezu überall eingeführte Modularisierung ist zwar eine notwendige Voraussetzung, aber keine hinreichende. Die Anzahl der Studierenden in Brandenburg, die einen Auslandsaufenthalt ins Auge fassen, ist signifikant angestiegen -die Anzahl deren, die es dann wirklich tun, ist dagegen gesunken. Mögliche Gründe hierfür können auch in der „mittleren gewichteten Studiendauer“ liegen. Des Weiteren werden sogenannte „free mover“ außer Acht gelassen. Diese Studierenden, die nicht über ein Programm oder eine Initiative einen Auslandsaufenthalt durchführen, leiden unter schlechterer Betreuung und größeren Problemlagen, werden jedoch von der Statistik nicht erfasst und verschwinden somit aus dem Blickfeld politischer und hochschulinterner Handlungsfelder. Die Anzahl der „free mover“ geht nach Ansicht der BrandStuVe stark zurück, was wiederum ein Indiz für eine unzureichende Umsetzung der geforderten Internationalisierung ist. Generell sollte aber zunächst einige Einigung über die zu vermittelnden Kompetenzen gefunden werden, da aktuell nicht einmal die Mobilität zwischen deutschen Hochschulen problemlos möglich ist. Eine einheitliche Regelung zur Anerkennung von Leistungen – ob an einer deutschen oder einer ausländischen Hochschule erworben – rechtlich verbindlich geklärt und verankert werden.

Masterzulassung

Auch der neue Gesetzesentwurf der Landesregierung ermöglicht den Hochschulen weiterhin, über den Bachelorabschluss hinausgehende Zugangsvoraussetzungen für einen Masterstudiengang festzulegen. Damit soll ein „hohes fachliches Niveau“ gesichert werden und eine qualitative Studierendenauswahl soll die Abbrecher_innenquote gering halten. Diese Forcierung einer künstlichen Eliten-Bildung lehnen wir entschieden ab. Auch durch eine gelockerte „Kann-Regelung“ auf Landesebene werden die Hochschulen nicht von ihrer gängigen Praxis abweichen und weiterhin rigide Zugangsvoraussetzungen definieren. Wir fordern hier, eine konsequente Umsetzung der Berliner Regelung (BerlHG §10), die neben einer Rechtsaufsicht auch explizit eine Fachaufsicht des Ministeriums verlangt. Spezielle Zugangsvoraussetzungen sollten fachlich begründet und vom Ministerium in Einzelfallprüfungen genehmigt werden müssen. Dass in den Thesen des MWFK bei der Spezifizierung der Zugangsvoraussetzungen wieder einmal von der Mindestnote des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses ausgeht, ist für uns absolut unverständlich. Zudem muss beachtet werden, dass spezielle Sprachkurse (die in der Regel kostenpflichtig sind), Zertifikate u.ä. ebenso sozial selektiv wirken. Nachweislich sind Kinder aus Akademikerfamilien hier wesentlich besser gestellt. Darüber hinaus sollte das MWFK durch Änderung der Kapazitätsverordnung allen interessierten Bachelor-Absolvent_innen die Möglichkeit einräumen, einen Masterstudienplatz zu belegen.

AStA der Universität Potsdam (Susanne Eckler, Referentin für Bildungspolitik | Katja Klebig, Referentin für Hochschulpolitik)

AStA der Europa-Universität Viadrina Frankfurt / Oder (Tim Berthold, Referent für Hochschulpolitik)

Susanne Eckler  [16. Juli 2010]

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