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» themen/sozialpolitik/„Großer Durchbruch“ beim BAföG oder Rinnsaal? – Große Zweifel an der „Exzellenz“ der Bundesregierung und an der nachhaltigen Stärkung des BAföGs und am Wesen des nationalen Stipendiatenprogramms



Bundesbildungsministerin Annette Schavan verkündete am Mittwoch, den 6.10.2010, in Berlin, dass der Vermittlungsausschuss eine politische Lösung bei der kleinen BAFöG-Novellierung erzielt habe und bezeichnete das auch noch als „großen Durchbruch“. Weiterhin sprach sie davon, dass die Änderungen „ in finanziell schwierigen Zeiten ein wichtiges Signal an die Studierenden“ seien.

Die geplanten Änderungen des BAföGs sind sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch hinterlässt es einen fahlen Beigeschmack, das zähe und monatelange Ringen um die marginale Erhöhung des Bedarfssatzes und der Freibeträge als „großen Durchbruch“ zu feiern.

Gerade auch dann, wenn man sich an den kurz vor dem Kippen der Bundesratsmehrheit überhastet durchgedrückten Beschluss des Nationalen Stipendiatenprogramms erinnert, an dessen sozialen Nutzen – im Sinne der Stärkung der sozialen Durchlässigkeit – doch stark gezweifelt werden kann.

Und dafür wurde auch noch das BAFöG auf die lange Bank geschoben. Die Proteste von Studierenden für eine bessere und soziale Studienfinanzierung, für ein elternunabhängiges Vollzuschuss-BAföG, also eine Art „Bildungsgeld“, und damit gegen das elitär wirkende und von privaten Geldgebern steuerbare Stipendienprogramm wurden ignoriert. Es ist längst erwiesen, dass dieses neoliberale Stipendienprogramm nicht zur Bildungsgerechtigkeit beiträgt und es ist weiterhin durch Studien widerlegt worden , dass monetäre Anreize zu universitären intellektuellen Spitzenleistungen führen. Näheres hierzu unter: Kunst des Entfesselns.

Es wäre sinnvoller gewesen, die Ausgaben für das so genannte „Deutschlandstipendium“ zusätzlich in die Stärkung und progressive Verbesserung des BAFöGs zu investieren, somit hätten auch die langwierigen Verhandlungen über die Finanzierung des BAföG-Entwurfes zwischen dem Bund und den Vertretern der Länder vereinfacht und beschleunigt werden können.

Ein starkes und leistungsfähiges BAföG ist alternativlos das einzige Mittel zur Erhöhung der Studierenzahlen sozial benachteiligter Familien

Nach wie vor ist und bleibt das BAföG das wichtigste Instrument, um Studierenden die Aufnahme eines Studiums in Deutschland überhaupt zu ermöglichen. Auch die Empfängerzahlen sprechen hier ganz klar gegen das Stipendienprogramm und ganz klar für das BAFöG. Rund 25% aller Studierenden bekommen in Deutschland BAföG, darauf angewiesen wären bei Weitem aber mehr. Nichtsdestotrotz sind viele auf einen oder mehr Nebenjobs angewiesen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Es ist zudem nötig, dass sich mehr Abiturientinnen und Abiturienten in Deutschland für ein Studium entscheiden. 30% eines Jahrganges sind nicht nur im internationalen Vergleich etwas mager, nein auch der selbstgewählte Anspruch einer Bildungsrepublik Deutschland wirkt im Angesicht dieser Verhältnisse absurd.

Die klare Entscheidung zu Gunsten eines Stipendienprogrammes und einer kleinen Verbesserung im BAföG ist ein klarer Ausdruck neoliberaler Bildungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung, welche die soziale Schieflage an deutschen Universitäten unter hohem finanziellen Einsatz weiter zementieren wird.

Um das BAföG nachhaltig und progressiv zu stärken und für mehr soziale Durchlässigkeit an deutschen Universitäten zu sorgen, ist weit mehr nötig, als im Entwurf der schwarz-gelben Koalition vorgesehen ist.

Weitergehende BAFöG-Novellierung ist dringend nötig

Der AStA fordert eine weitere BAföG-Novellierung, die mindestens auch folgende Punkte umfasst:

  • eine regelmäßige und automatische Anpassung der Bedarfssätze an steigende Lebenshaltungskosten; eine einmalige Erhöhung der Förderbeträge um 2% ist zu wenig.
  • eine deutliche Erhöhung der Freibeträge bei den Einkommen, um den Kreis der BAföG-Berechtigten auszuweiten und somit mehr Menschen ein Studium zu ermöglichen, 3 % reichen beileibe nicht.
  • komplette Streichung der Altersgrenze, die völlig unflexibel ist und nicht der Lebensrealität eines lebenslangen Lernens entspricht. Zwar wurde die Altersgrenze für Förderberechtigte in Masterstudiengängen von 30 Jahren auf 35 Jahren erweitert, es ist jedoch inkonsequent überhaupt an einer Altersgrenze festzuhalten.
  • Fördermöglichkeit von nicht-konsekutiven Masterstudiengängen
  • Fördermöglichkeit für ein Studieren in Teilzeit, wofür dann die Bedarfssätze und Freibeträge entsprechend anzupassen sind, um Studierenden, die z. B. Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder aus sonstigen Gründen sich für ein Teilzeitstudium entschieden haben, die Finanzierung ihres Studiums zu ermöglichen.
  • Rücknahme der Streichung der Darlehensteilerlässe aufgrund von überdurchschnittlichen Studienleistungen und schnellen Studienabschlüssen, die angesichts des Gebotes der Verlässlichkeit in staatliche Studienförderung nicht zu erklären sind und einem kurzsichtigen Kostenkalkül entspringen.
  • Zusammenfassend bleibt zu hoffen, dass die Politik den Nutzen des „Deutschlandstipendiums“ evaluiert und hinsichtlich der Vorrangigkeit einer Stärkung des BAFöGs hin zu einem elternunabhängigen Bildungsgeld revidiert.

    Malte Jacobs  [14. Oktober 2010]

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