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» presse/presseschau/Neue Herausforderungen: 20 Jahre Universität Potsdam: Neujahrsempfang der Uni wurde zum Appell an die Landesregierung



Das hört jeder gerne. Über die Weihnachtszeit habe sie Ulrich Schnabels Buch „Vom Glück des Nichtstuns“ gelesen. Sie habe erkannt, wie wichtig die Muße für den Erhalt der Kreativität ist, sagte die Präsidentin der Universität Potsdam Sabine Kunst in dieser Woche zum Neujahrsempfang der Hochschule. Entschleunigung ist ja mittlerweile ziemlich in Mode. Doch wie sehr man die Kreativität nach dem „Nichtstun“ dann wieder für neue Herausforderungen benötigt, ist auch Sabine Kunst klar. Hatte doch der Staatssekretär des brandenburgischen Wissenschaftsministeriums, Martin Gorholdt, kurz zuvor skizziert, dass der Rückgang des Landeshaushaltes um zwei Milliarden Euro bis 2020 auch an der Wissenschaft nicht spurlos vorübergehen werde. Um so mehr nahm Sabine Kunst den Staatssekretär dann auch beim Wort, der für 2012 einen langläufigen Hochschulentwicklungsplan in Aussicht stellte.

Planungssicherheit für die kommenden Jahre ist für die Potsdamer Universität wichtiger denn je, hatte die Hochschule doch gerade im Vorjahr wieder einen Rekord an Bewerbern zu verbuchen. Und die Prognosen zeigen für Potsdam – entgegen dem allgemeinen Trend in Ostdeutschland – in den kommenden Jahren auch keinen Abbruch der Studienanfängerzahlen. Umso unverständlicher sei es gewesen, dass das Land im vergangenen Jahr ohne wirklichen Dialog rund fünf Millionen Euro Rücklagen von der Uni zurückforderte – am selben Tag an dem neue Aufgaben – „Stichwort Sonderpädagogik“ – an die Uni herangetragen worden seien. Immerhin hieß es dann, dass es keine weiteren Kürzungen geben werde. Da klang es geradezu wie Ironie, dass Uni-Chefin Kunst dem Ministerium zum Anfang ihrer Ausführungen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Vorjahr dankte.

Vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren anstehenden harten Sparrunden appellierte die Uni-Chefin an den Landtag und die Landesregierung: „Bitte sorgen Sie dafür, dass die Rahmenbedingungen für einen möglichst reibungslosen Betrieb der Hochschulen im Land gesichert sind.“ Schließlich sei Brandenburg nach wie vor bei den Ausgaben für Hochschulen bundesweit das Schlusslicht. „Mit weniger kann keiner so viel“ sagte Kunst, worauf man fast schon stolz sein könne. Was sie vielleicht nicht zu laut sagen sollte.

Dass heute gut zehn mal so viel junge Menschen in Deutschland studieren, wie vor 45 Jahren, sei ein großer Erfolg. Doch dass die Universitäten gegenwärtig für immer mehr Studierende bei gleichbleibender Ausstattung hervorragende Studienbedingungen gewährleisten müssten, ohne dabei die Forschung als Fundament der Lehre aus den Augen zu verlieren, nenne mach einer die Quadratur des Kreises. Die in vielen Bereichen überlastete Universität Potsdam von der Anspannung der vergangenen Jahre zu entlasten werde nur gelingen, wenn das Land nicht weiter die Mittel kürze. Worin die Studierendenvertretung AStA eine gemeinsames Ziel erkannte, das „konstruktiv und auf Augenhöhe“ verfolgt werden sollte.

Der erste brandenburgische Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein (FDP) war es dann, der vor dem Hintergrund des 20-jährigen Jubiläums der Potsdamer Uni daran erinnerte, dass die seit Mitte der 90er Jahre bestehende strukturelle Unterfinanzierung der größten Hochschule Brandenburgs eine Missachtung aller sei, die hier lehren und lernen. Es sei schlichtweg eine „Verschwendung wissenschaftlichen Potenzials“. Für ihn stehe heute fest, dass die Potsdamer Universität seinerzeit die einzige Hochschulgründung in Brandenburg war, die „notwendige Pflicht“ gewesen sei. Sie sei das Herzstück der brandenburgischen Wissenschaftslandschaft. Alle anderen Hochschulen seien sinnvoll, aber bloß Kür.

Enderlein begründete seine Sicht in erster Linie mit der Forschungsdichte, die um die Potsdamer Uni herum entstanden ist: exzellente Naturwissenschaften, die außeruniversitären Zentren in Golm, auf dem Telegrafenberg und am Neuen Markt, die Lehrerbildung, die Wiso-Fakultät, die Jüdischen Studien: „In kurzer Zeit ist hier mehr Substanz entstanden, als anderswo in Jahrzehnten.“ Angesichts der hochwertigen IT-Ausbildung am Hasso Plattner Institut mute es heute geradezu als Treppenwitz der Geschichte an, dass es seinerzeit so schwer gewesen sei, die Informatik an der Potsdamer Uni durchzusetzen.

Der Blick zurück – zumal im 20. Jubiläumsjahr – lässt manchmal die Dinge in einem anderen Licht erscheinen. So beendete dann auch Sabine Kunst ihre Worte mit einem Zitat von George Bernard Shaw: „Tradition ist eine Laterne, der Dumme hält sich an ihr fest, dem klugen leuchtet sie den Weg.“

In: www.pnn.de, 21.01.2011

Kai Gondlach  [21. Januar 2011]

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