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» presse/presseschau/Verkehr: Selbsthilfe im Bahn-Chaos Studenten wollen Zugausfälle und Verspätungen nicht tatenlos hinnehmen



POTSDAM – Das Internetangebot von Zugausfall.de kommt gut an: Seit es am vergangenen Donnerstag online ging, hat das Portal 50 000 Seitenaufrufe registriert. Es bietet Hilfe zur Selbsthilfe, indem es Studenten die Möglichkeit einräumt, sich gegenseitig über Verspätungen und Zugausfälle zu informieren. Und das ist derzeit bitter nötig.

Drei Viertel der 20 000 Studenten in Potsdam pendeln täglich zwischen der Landeshauptstadt, Berlin und dem Brandenburger Umland. Sie sind auf einen verlässlichen Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs angewiesen. Doch im Winterchaos gelingt es den Betreibern der S-Bahn nicht einmal, ausreichend über Zugausfälle und Verspätungen zu informieren. „Selbst online wurden keine Informationen zu den tatsächlichen Zugausfällen gemeldet, sondern nur zu geplanten Ausfällen“, sagt Fabian Ludwig. Der 22-jährige Student der Wirtschaftsinformatik hat Zugausfall.de zusammen mit anderen Studenten aufgebaut.

Doch die gegenseitige Information ist nur ein Mittel der Studenten, um sich dem S-Bahn-Chaos zu stellen. Wer es einrichten kann, setzt trotz des Winters aufs Rad. Stefanie zum Beispiel, die ihren Nachnamen nicht verraten möchte. Die 28-jährige Jura-Studentin hält ihren Drahtesel auch dieser Tage für das beste Verkehrsmittel in Potsdam. „In den Regionalzügen nach Golm fühlt man sich wie in Vieh-Waggons“, sagt sie. Tatjana Kosmotina, Lehramtsstudentin aus Moskau, ist während der Zugausfälle bei ihrer Freundin im Auto nach Potsdam mitgefahren. Eine Notlösung für die 31-Jährige. „Die Züge sind normalerweise viel schneller und komfortabler“, so Kosmotina. Manchmal bleibt sie lieber länger an der Uni und fährt erst nach 18 Uhr wieder nach Berlin. „Dann sind die Züge viel leerer.“

Doch die studentische Selbsthilfe hat ihre Grenzen. Nicht jeder kann auf ein Rad oder eine Mitfahrgelegenheit zurückgreifen. Und auch das Wissen, dass ein Zug ausfällt, bringt einen nicht von Berlin nach Potsdam. Den meisten Studenten blieb daher nur eines: zu Hause bleiben. In einer E-Mail rief die Verkehrskommission des Senats der Universität Potsdam sogar dazu auf. „Ich kann nicht mehr sagen, wie Sie fahren sollen, also empfehle ich: Bleiben Sie zu Hause“, so Björn Ruberg (25), Vorsitzender der Kommission. Der Universitätsleitung schlug er gar vor, den Lehrbetrieb einzustellen. Zwar hat sich die Leitung von dieser Forderung distanziert, doch der Aufruf des Senats genügte, dass ihm viele Studenten folgten.

Auch Marion Schaar, eine 31-jährige Lehramtsstudentin, gehörte dazu. „Viele Professoren haben keine Anwesenheit kontrolliert, als die Züge ausfielen“, sagt Schaar. Kein Wunder: Das Verkehrschaos traf auch Dozenten. „Teilweise sind Lehrkräfte nicht zur Uni gekommen“, so Jonathan Metz, Verkehrsreferent des Allgemeinen Studierendenausschusses Asta.

Auch in Potsdam ansässige Studenten waren vom Wetter betroffen, vor allem auf den Wegen zum Campus Golm. „Zwei Mal sind voll besetzte Busse an mir vorbeigefahren“, berichtet Mandy Pätzold (27), Lehramtsstudentin. Die meisten sahen sich ständig mit überfüllten Bussen konfrontiert. Aus diesem Grund hat der Verkehrsbetrieb Vip am vergangenen Donnerstag und Freitag zusätzliche Busse auf der Linie 605 eingesetzt: Je Fahrtrichtung wurde ein zusätzlicher Buswagen pro Stunde eingerichtet. Angesichts der Zugausfälle könne dieses Angebot den Bedarf aber kaum abdecken, meint Metz. „Diese Zusatzbusse bräuchten wir im Normalbetrieb“, sagt auch Björn Ruberg. (Von Sandra Diekhoff)

in: www.maerkischallgemeine.de, 13.1.2011

Frauke Ferber  [13. Januar 2011]

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