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Version vom 11. Februar 2016

Schritte zur Anfechtung einer Prüfungsleistung

 

Vorwort:

In Zeiten unzulässiger Anwesenheitslisten, sich ständig ändernder Prüfungsnebenleistungen und unverständlicher Benotung besteht die Frage, was in solchen Fällen zu tun ist. Die Antwort ist: Einsicht und Anfechtung der Prüfung! Diese Möglichkeit besteht bei jeder bestandenen oder nicht bestandenen Prüfung, im Folgenden einige Fälle, in denen besondere Aussichten bestehen:

  • nicht bestandene Prüfung aufgrund zu vieler Fehlzeiten
  • sich im Semester ändernde Prüfungsnebenleistungen
  • willkürliche Benotungen
  • Voreingenommenheit und Befangenheit von Prüfungspersonen

Die Verfahrensschritte einer Prüfungsanfechtung werden hier so vollständig wie möglich in der Reihenfolge, in der Ihr sie gehen müsst, wiedergegeben. Nicht alle sind aber für eine erfolgreiche Anfechtung zwingend erforderlich. So ist die Rüge von Hindernissen (s.u., 1.) nur dann notwendig, wenn solche Hindernisse tatsächlich aufgetreten sind. Die Einsicht in Prüfungsunterlagen (s.u., 2.) empfiehlt sich in jedem Fall. Wenn Ihr sie verpasst oder von der Lehrkraft daran gehindert werdet, könnt Ihr den Prozess aber dennoch fortführen. Auch das Überdenkungsverfahren (s.u., 3.) muss nicht durchgeführt werden, z.T. bietet sich ein Verzicht hierauf sogar an. Zu allen Schritten ist zu sagen: die zuerst erteilte Bewertung kann sich praktisch nur verbessern. Bei einer Anfechtung geht es um die Korrektur von Mängeln im Prüfungs- oder Bewertungsverfahren, die durch eine erneute Prüfung oder Bewertung ausgeglichen werden sollen. Regelmäßig dürfte eine Verbesserung der Note eintreten, wenn diese Mängel behoben werden; in diesem Fall darf die Lehrkraft nicht neue Kritikpunkte erfinden, die mit den zunächst angefochtenen Fehlern nichts zu tun hatten.
Der erste rechtlich zwingend notwendige Schritt für eine Anfechtung ist der Antrag, mit dem die Anfechtung oder Gegendarstellung beim Prüfungsamt eingeleitet wird (s.u., 4.). Dennoch möchten wir Euch dringend empfehlen, die vorbereitenden Schritte – soweit möglich – ebenfalls durchzuführen. Sie erhöhen die Erfolgsaussichten des Verfahrens signifikant!

Wenn Ihr die in dieser Broschüre geschilderten Schritte einhaltet und Euch bei Fragen an den AStA wendet, braucht Ihr bis zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (s.u., 6.) keine anwaltliche Vertretung. Wenn Ihr Euch eine solche trotzdem wünscht, können wir Euch auch zu den Finanzierungsmöglichkeiten beraten.

Bei Fragen, Anregungen und Kritik wendet Euch jederzeit gerne an den AStA. Schreibt an:

pruefungsrecht@astaup.de oder ruft an unter 0331/977 40 42.

 

1. Rüge von Hindernissen während der Leistungserfassung

Wann? Während des Leistungserfassungsprozesses, sobald eine Störung auftritt, die dazu geeignet ist, den Prüfungsablauf zu behindern. Die Störung muss derart sein, dass plausibel vermutet werden kann, dass die Leistungserbringung dadurch nicht im erwartbaren Rahmen erfolgreich ist. Sie darf nicht selbstverschuldet sein. Das Problem ist, dass ohne eine sofortige Rüge meist die Berechtigung entfällt, den belastenden Umstand überhaupt noch geltend zu machen. Natürlich ist es meist eher kontraintuitiv, eine ohnehin blastende Prüfung zu unterbrechen, um zu  Protokoll zu geben, dass der Baulärm vor der Tür die Konzentration  stört. Im Fall von mündlichen Prüfungen ist es daher zulässig, die Störung erst nach der Prüfung, ggf. erst im Anfechtungsverfahren selbst geltend zu machen. Selbstverständlich darf Euch eine Rüge während der Prüfung auch nicht negativ bei der Bewertung angerechnet werden.

Wo? Bei den Prüfer_innen.

Wie? Schriftlich oder mündlich. Es ist darauf zu achten, dass die Rüge in irgendeiner Form in die Prüfungsunterlagen aufgenommen wird. Sagt deshalb am besten im Wortlaut, dass Ihr „eine Rüge zu Protokoll geben“ möchtet. Die Prüfungspersonen haben nun zunächst die Pflicht, für Abhilfe zu sorgen, also Lärm abzustellen, die Heizung aufzudrehen, etc. Wenn die Störung nicht abgestellt werden kann, ist eine Verlängerung der Bearbeitungszeit der jeweiligen Prüfung zu gewähren. Anfechtbar wird eine Note dann, wenn keine dieser Ausgleichsmöglichkeiten genutzt wird.

Was? Beschreibung des Umstandes, in dem die Störung bestand. Wenn möglich Beschreibung der Auswirkungen dieses Umstandes auf die Möglichkeit der Leistungserbringung.

 

2. Einsicht in alle Prüfungsunterlagen

Wann? Unmittelbar nach Bekanntgabe der Bewertung. § 20 II 2 BAMA(LA)-O räumt eine reguläre Frist für die Einsichtnahme von zwei Monaten ein. § 20 I verpflichtet die Hochschule allerdings, die Prüfungsakten zwölf Monate lang aufzubewahren; in dieser Zeit ist davon auszugehen, dass bei bestehen eines Rechtsschutzinteresses (also wenn eine Veränderung der Note die Veränderung der Abschlussnote nach sich ziehen würde) die Verweigerung der Akteneinsicht mit Verweis auf die Frist des § 20 II 2 unverhältnismäßig wäre.

Wo? Beim Lehrstuhl, der die Prüfung bzw. Lehrveranstaltung angeboten hat. Meist sind die Sekretariate für die Durchführung und Beaufsichtigung der Akteneinsicht zuständig.

Wie? Persönlich, es dürfen jedoch auf eigene Kosten Kopien angefertigt werden. Darauf besteht ein Anspruch, der im Einzelfall z.T. schwierig durchzusetzen ist. Einfacher gestaltet sich – aus unerfindlichen Gründen – meist das Abfotografieren der Texte. Daher möglichst ein Handy mit Kamera mit zur Einsicht nehmen. Wenn Euch die Einsicht hartnäckig verweigert wird, meldet Euch bei Eurem Fachschaftsrat oder beim AStA. Ihr könnt die folgenden Schritte zwar auch ohne eine Einsicht in die Bewertungsunterlagen durchführen, doch ist eine stichhaltige Begründung fast nur mit Kenntnis der von den Prüfer_innen vorgebrachten Kritikpunkten möglich.

Was? Einsicht muss in alle Prüfungsunterlagen gewährt werden, die für die Bewertung relevant gewesen sein können. Dazu gehören also die Prüfungsleistung (Klausur, Hausarbeit, Portfolio, etc.) mit eventuellen Korrekturvermerken, Gutachten zur Prüfungsleistung, Protokolle und Protokollnotizen. I.d.R. nicht Teil der Prüfungsakten sind vom Prüfling abgegebene Notiz- und Schmierblätter, es sei denn, diese wurden bei der Bewertung zur besseren Erklärung der Prüfungsleistung hinzugezogen. Was nicht aktenkundig ist, darf nicht in die Bewertung einer Prüfungsleistung einfließen!

Das ist besonders im Fall von Anwesenheitskontrollen relevant: zwar darf unter bestimmten Bedingungen die aktive Mitarbeit zum Teil der Leistungserfassung gemacht werden, doch muss dann auch eine nachvollziehbare, allen formalen Kriterien genügende Bewertung aller (!) Studierender im Kurs stattfinden. Wenn davon aus den Prüfungsunterlagen nichts hervorgeht, kann die Teilnahme bzw. Mitarbeit bei der Lehrveranstaltung nicht bewertet werden.

Vorlage zum Antrag auf Einsicht in die Prüfungsakten

 

Optional: 3. Überdenkungsverfahren

Wann? Hierbei gibt es rechtliche Unklarheiten. Der § 20 BAMA(LA)-O bestimmt eine Frist zur Einsicht in die prüfungsrelevanten Dokumente von zwei Monaten nach der Bewertung der Prüfungsleistung. Es ist aber nicht klar geregelt, wie die Fristen für den Widerspruch aussehen, grundsätzlich ist aber von einer Frist von einem Monat auszugehen. Ein Überdenkungsverfahren muss dabei nicht zwingend die Frist für den Widerspruch verlängern und es könnte zu zeitlichen Problemen kommen.

Wo? Die Überdenkung ist bei der Person zu beantragen, die die Bewertung vorgenommen hat. Wenn unklar ist, wer die Bewertung persönlich verantwortet, ist von der Zuständigkeit des zugehörigen Lehrstuhls auszugehen.

Wie? Schriftlich (postalisch oder per E-Mail) mit ausführlicher Begründung. Zur Vereinfachung eines evtl. folgenden Anfechtungsverfahrens kann eine Kopie an das Prüfungsamt gesendet werden.

Was? Aus der Akteneinsicht sollten eindeutige, zwingende Gründe hervorgegangen sein, die bei erneuter Betrachtung zu einer Korrektur der Note führen müssen. Andernfalls ist von einem Überdenkungsverfahren abzuraten, da die Lehrkraft hier auch erneut die Gelegenheit erhält, eigene Begründungen für die Bewertung  vorzubringen. Ein Überdenkungsverfahren ist nur bei inhaltlichen Fehlern in der Bewertung durchzuführen. Sollen Fehler im Prüfunsgverfahren überprüft werden, geht es gleich mit der Anfechtung (s.u.,4.) weiter.

Vorlage für den Antrag auf Überdenkung der Prüfungsentscheidung

 

4. Gegendarstellungs- oder Anfechtungsverfahren

Wann? Siehe Überdenkungsverfahren. Falls ein Überdenkungsverfahren erfolglos oder mit nicht zufriedenstellendem Erfolg durchgeführt wurde, unmittelbar im Anschluss an die Bekanntgabe des Ergebnisses des Überdenkungsverfahrens. Sobald ein Prüfungsergebnis bekannt gegeben wurde, muss davon ausgegangen werden, dass die Monatsfrist für die Anfechtung zu laufen begonnen hat. Unbeschadet eines evtl. eingeleiteten Überdenkungsverfahrens ist eine Anfechtung nach Ablauf der Frist wahrscheinlich nicht mehr möglich. Sollte sich das Überdenkungsverfahren daher länger hinziehen, sollte vorbeugend schon einmal Widerspruch eingelegt werden, damit nicht in der Zwischenzeit die Frist verstreicht und weitere Schritte abgeschnitten sind.

Wo? Beim zentralen Prüfungsamt der Universität. Die Mitteilung über die Einleitung eines Gegendarstellungs- bzw. Anfechtungsverfahrens gegenüber der Lehrkraft ist nicht rechtlich erforderlich, aber eine Frage des guten Stils. Der Prüfungsausschuss muss über den Vorgang nicht informiert werden.

Wie? Schriftlich mit ausführlicher Begründung. Es ist auf postalische Antragstellung zu achten, einschließlich der eigenhändigen Unterschrift der_des Antragstellenden.

Was? Alle Gründe für das Begehren einer neuen Bewertung oder, abhängig von den Umständen, einer neuen Prüfung, sind in den Antrag einzubringen. Das betrifft sowohl formale (Anmeldung der Prüfung, Informationspflichten der Prüfungsbehörde, etc.) als auch materielle Aspekte (Betrachtung der gesamten Leistung, Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung, Vertretbarkeitsgrundsatz, etc.). Sollte aus der Einsicht in die Prüfungsunterlagen die Besorgnis der Befangenheit gegen eine oder mehrere an der Prüfung oder Bewertung beteiligten Personen entstanden sein, ist dies an dieser Stelle vorzubringen. Das kann bspw. aus unangemessenen Korrekturvermerken („Schwachsinn“, „lächerlich“, etc.) oder Äußerungen ausßerhalb der Bewertung entnommen werden. Sollten Euch im Vorfeld einer Prüfung, während der Lehrveranstaltung oder der Betreuung Eurer Arbeit solche Bemerkungen auffallen, fertigt ein Gedankenprotokoll an und reicht am besten, sobald Ihr einen gut begründeten Verdacht auf Befangenheit habt, einen entsprechenden Antrag beim Prüfungsamt ein. Ein sicheres Zeichen für die Rechtswidrigkeit der Bewertung ist es, wenn vor Ablegen der gesamten Leistung bereits deutlich gemacht wird, an der Bewertung könne nichts mehr geändert werden.

Vorlage für die Gegendarstellung zur Bewertung

Vorlage für die Anfechtung der Bewertung

 

5. verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz

Sollte das Vorgehen bis zu diesem Punkt ohne Erfolg bleiben, müsst Ihr Euch entscheiden, ob Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gesucht werden soll. Da dies eine erhebliche zeitliche und finanzielle Investition darstellen kann, solltet Ihr Euch zuvor beraten lassen. Hier können dann die Details zu Eurem Fall geklärt und Möglichkeiten der Finanzierung erörtert werden. Wendet Euch dazu an die Prüfungsrechtsberatung des AStA.

Vincent Heßelmann  [2. Februar 2016]

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